Lokalaugenschein in Wiener Club

So aufregend ist der Sexpositivity-Trend

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Wir besuchten Österreichs einzige Einrichtung „sexpositiver“ Natur und fragten nach.

Was in Berlin schon fast als alter Hut bezeichnet werden kann, erlebt in Wien derzeit einen ungeahnten Hype. Sexpositive Partys sind in aller Munde, und das obwohl auch das Etablissement, das solche in Österreich als fast einziges veranstaltet, bereits vor sechs Jahren gegründet wurde. Die „Schwelle“ im 15. Wiener Gemeindebezirk ist ein Ort, an dem Sexpositivität gelebt werden soll, unter dem aussagekräftigen Credo, dass „alles kann, aber nichts muss“.   
 
Sicherheit geht vor
Sexpositivität steht für sexuelle Freiheit, Toleranz, Akzeptanz und allen voran: den Konsens, wie uns Mel Merio erklärt, die seit knapp anderthalb Jahren in dem Verein Workshops leitet und vor Ort als Resident DJane fungiert. „Schwelle“-Gründer Reinhard Gaida erhob die 39-Jährige, die auch diplomierte Lebens- und Sozialberaterin ist, kürzlich zum Vorstandsmitglied. Wie sie Sexpositivität für sich definiert? „Ich liebe und lebe Sexualität. Sexualität ist für mich die geballte Form von Lebensenergie. Ich bin stark daran orientiert, das mag oberflächlich klingen, ist es aber nicht, mein Leben danach zu gestalten, was mir Lust und Freude bereitet.“ Dabei gehe sie „nicht über die Grenzen von anderen“, das würde immerhin auch „die eigenen Grenzen“  übersteigen. Merio führt uns durch die Räumlichkeiten des Vereins, die an einen lustorientierten Spielplatz erinnern. In einem Eck des Dancefloors steht ein „Marter-Kreuz“ für Fans von BDSM, an der Wand hängen sexuell interpretierte Bilder von Disney-Prinzessinnen. In einem anderen Winkel liegen Matratzen, ob man bei deren Benützung den Vorhang zuzieht oder offen lässt, sei „ganz den Gästen überlassen“. Kondome liegen zur freien Verfügung bereit, Sicherheit ist eine „Selbstverständlichkeit“ für die Bewegung, aber auch für den Verein. „Safe, sane and consensual“ sind in der „Schwelle“ die goldenen Richtlinien. Und nicht unbedingt nur in sexueller, sondern vor allem in menschlicher Hinsicht. „Man kann hier anziehen, was man will, sein, wer man will. Natürlich gilt das auch für Männer, aber speziell für Frauen ist die ‚Schwelle‘ ein sicherer Ort, um die eigene Sexualität zu entdecken“, erklärt uns Merio, als wir den schlüsselgeschützten „Members only“-Raum durchqueren. Dieser mit dunklen Tapeten verkleidete Raum ist Mitgliedern vorbehalten. Wer sind denn die durchschnittlichen Gäste der „Schwelle“? „Sie kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Ob mit reichem Hintergrund oder durchschnittliche Studenten – wir haben ein sehr vielfältiges Publikum“, erzählt Mel Merio, die hier u. a. einen „Ecstatic Dance“-Workshop anbietet. Andere Veranstaltungen tragen die Titel „Playfight“, „Twerkshop 3.0.“ oder auch „Sex-positive Karaoke Night“. „Die ‚Schwelle‘ ist ein Ort, wo man sich zeigen kann, wie man ist. Viele kommen gar nicht her, um Sex zu haben, sondern eher, um sich selbst auszudrücken. Das sind Menschen, die aus den alltäglichen Konventionen ausbrechen wollen, die experimentieren wollen, die Menschen kennenlernen wollen.“ Als wir zu Besuch sind, wird gerade die große Wochenend-Party unter dem Titel „Naughty University“ vorbereitet. Eine übergroße Weltkarte deutet darauf hin, dass bei dieser Studenten-Party der anderen Art wohl auch Geografie eine Rolle spielen könnte.             
 
Schwelle
© Oliver Topf
× Schwelle
„Alles kann, nichts muss“, lautet das Credo der „Schwelle“. Wer sich etwa gerne martern lässt, hat hier die Möglichkeit dazu. 
 
Sei du selbst
Die offen gelebte Lust auf Nähe ist keinesfalls neu. Das Berliner „Berghain“ ist seit den Nuller-Jahren dafür bekannt, dass sich dort Rave, Sex und Nacktheit verbinden, im „KitKat“, Berlins bekanntester Fetisch-Disco, geht es noch expliziter zu, und Swingerclubs gibt es in jeder zweiten Kleinstadt. Doch die „sexpositiven“ Partys sind anders. Auf der Homepage der „Schwelle“ wird dieser ­Unterschied hervorgehoben. Im Vordergrund stehen Respekt und Achtsamkeit: Hier werden verschiedenste Geschlechter, verschiedenste Körperformen und verschiedenste Arten von Sexualität und das Experimentieren mit ihnen zelebriert – solange sie einvernehmlich sind. Hauptsache, alle Anwesenden fühlen sich wohl.  „In einen Swingerclub geht man nicht, um zu zeigen, wie man ist. Dort wird man beispielsweise wohl keinen Mann treffen, der als Einhorn verkleidet ist. Dementsprechend ist die ‚Schwelle‘ viel mehr als das.“ Dass dieses Konzept Erfolg hat und ein breiteres Publikum anzieht, merkt man auch hier. „Auch wenn Sex immer noch viele Männer anzieht, merken wir eine Wende. Schon seit Längerem besuchen uns viele Frauen.“ Der Verein reagiert auf den Hype nicht nur mit strengerer Tür­politik, sondern auch mit einem eigenen sexpositiven Festival, das Ende August erstmals stattfinden soll (sexolution.com). Dafür haben die Vereinsobleute eine Veranstaltungsfläche, „einen alten Bauernhof“, auf halbem Weg von Wien nach Graz gemietet, wo das Konzept auch sommertauglich umgesetzt werden soll. Für die Gäste werden Zeltplätze oder auch ein Hotel bereitstehen, wo vielfältige Beziehungsformen wie Polyamorie gelebt werden können, während Workshops, Veranstaltungen und natürlich auch Partys auf dem Programm stehen. „Dabei soll das Bewusstsein für die eigenen Neigungen geschärft werden“, erzählt Merio abschließend. Was genau vor Ort passiert, ist – wie alles in der „Schwelle“ oder der sexpositiven Szene – den eigenen Vorlieben und Fantasien vorbehalten. Einzig der Konsens muss vorhanden sein. 

Die Schwelle – ein Ort der Sexpositivität
Einvernehmlichkeit als A und O. Im Rahmen von Workshops (Mel Merio zum Beispiel bietet jeden 2. und 4. Mittwoch im Monat einen Workshop zu „Ecstatic Dance“ an, jeden 3. Dienstag im Monat unterrichtet sie „Rituelle Körperhaltung und Ekstatische Trance“), Seminaren und diversen Veranstaltungen bietet die „Schwelle“ einen geschützten Raum für individuelle persönliche Entwicklung, Selbst- sowie experimentelle Erfahrungen und vor allem das Kennenlernen der eigenen Wünsche und Präferenzen. Die Einrichtung will ein Ort der Begegnung, Diversität, Möglichkeiten und der ehrlichen und achtsamen Aufmerksamkeit sein. Es werden verschiedene Mitgliedschaften angeboten, man kann die „Schwelle“ jedoch gegen Eintrittsgebühr auch völlig ungebunden besuchen. Das große Credo lautet: „Alles kann, aber nichts muss“. Weitere Infos, Spielregeln und Veranstaltungstermine finden Sie unter schwelle.at.
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