Thema Katastrophe

Die Trümmerfrauen 2013

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Verzweifelt. Wenn das Wasser geht, kommt die Verzweiflung. MADONNA besuchte fünf Frauen im Katastrophengebiet.

Der Lärm der Entfeuchtungsgeräte dröhnt ihr in den Ohren, der Rücken schmerzt vom tagelangen Schutt räumen, tiefe Furchen an den Händen zeugen von der harten Arbeit der letzten zwei Wochen, ihr Hund Pauli drückt sich mit verängstigten Augen an sein Frauchen. „Ich bin am Ende meiner Kräfte“, sagt Elisabeth Lameraner (60). Die alleinstehende Pensionistin zählt zu den vielen Betroffenen der Hochwasserkatastrophe. Ihr Heimatort Marbach an der Donau (wenige Kilometer von Melk entfernt) zählt zu den Orten ohne Hochwasserschutz und damit jenen Gebieten, die unter den schlimmsten Folgen der Flut zu leiden haben. „Bereits zum fünften Mal wurde das untere Stockwerk meines Hauses von den Wassermassen zerstört“, erzählt Elisabeth Lameraner. „Ich kann bald nicht mehr.“


Ihre Verzweiflung teilt sie mit vielen anderen Frauen – Müttern, Unternehmerinnen,   Alleinerzieherinnen –, die Tag und Nacht schaufeln, räumen und putzen. Und es sind längst nicht nur die Trümmer in ihren Häusern, Lokalen oder Geschäften, mit denen sie zu kämpfen haben – Schock, Angst und Erschöpfung haben tiefe Wunden in ihren Seelen zurückgelassen. „Das einzig Positive war zu erleben, wie die Bevölkerung in so einer Situation zusammenhält. So viele Menschen haben aktiv geholfen. Das hat uns Mut gemacht“, beschreibt Trafik-Besitzerin Elisabeth Haider die Solidarität, ohne die viele Betroffene verloren gewesen wären.


Unverständnis: Dass es in den extrem gefährdeten Gebieten an der Donau immer noch keinen Hochwasserschutz gibt, stößt bei vielen auf Unverständnis. Trotz der insgesamt sechs Katastrophen, die jeweils Millionenschäden verursachten, wurden in Melk, Emmersdorf und Marbach bis dato keinerlei präventive Maßnahmen  ergriffen. „Ich verstehe die Verzweiflung und auch die Wut jener Menschen, die in aktuell noch ungeschützten Gemeinden leben und nun vor den Trümmern ihrer Existenz stehen“, so Infrastrukturministerin Doris Bures auf MADONNA-Anfrage. „Für sie kam das erneute ‚Jahrhunderthochwasser‘ zu früh – da die geplanten Schutzmaßnahmen noch nicht realisiert werden konnten. Es war ein Wettlauf mit der Zeit oder der Natur, den wir verloren haben, obwohl wir seit 2007 mit Hochdruck am Hochwasserschutz an der Donau arbeiten.  17 von 34 Projekten konnten wir bisher fertigstellen. Die neu errichteten Dämme haben allesamt ihre Bewährungsprobe bestanden.“

Dass dies freilich wenig Trost für die Menschen in den überfluteten Gemeinden ist, kann die Bundesministerin nachvollziehen. „Die Bundesregierung wird diesen Menschen nun rasch und unbürokratisch mit Mitteln aus dem Katastrophenfonds helfen“, so Doris Bures. „Und ich kann Ihnen versichern, dass wir alles daran setzen, den Hochwasserschutz an der Donau so rasch wie möglich fertigzustellen. Gemeinsam mit den Ländern Oberösterreich, Niederösterreich und Wien habe ich vereinbart, dass wir zusätzlich 255 Millionen Euro für den Hochwasserschutz an der Donau zur Verfügung stellen. Die Schutzbauten für die Gemeinden Melk, Emmersdorf und Marbach sind bereits in Planung und werden in den nächsten Jahren realisiert.“ Bleibt zu wünschen, dass die Hoffnungen der Bevölkerung bis dahin nicht abermals weggeschwemmt werden.

Die Trümmerfrauen 2013

Bernadette Medl (27), im 5. Monat schwanger. „Das Schlimmste ist die Verwüstung, die zurückbleibt, wenn das Wasser weg ist. Überall ist Schlamm, alles ist kaputt“, beschreibt die junge Volksschullehrerin die derzeitige Situation. Das untere Stockwerk ihres Hauses ist förmlich im Wasser versunken. Nun versucht die 27-Jährige, mithilfe ihres Verlobten Marco und vieler anderer Helfer wieder halbwegs Ordnung ins Chaos zu bringen. Eine körperliche Belastung, der sich die schwangere Frau eigentlich gar nicht aussetzen sollte. „Aber was soll man denn machen?“, fragt Bernadette Medl verzweifelt. „Ich kann doch nicht nur den anderen bei der Arbeit zuschauen.“ Für ihre Familie und ihr Baby wünscht sich die werdende Mama vor allem eines: „Dass man sich endlich etwas überlegt, wie die gefährdeten Orte vor diesen extremen Wassermassen geschützt werden können.“ Denn fest steht: Das nächste Hochwasser kommt leider bestimmt.

Barbara Braun (33), Unternehmerin. Vor drei Jahren hat die Marbacherin die Café-Konditorei Braun von ihren Eltern übernommen – im letzten Jahr feierte mit ihr der gesamte Ort das 100-jährige Bestehen des Traditionsunternehmens. Jetzt steht Barbara Braun in den Trümmern ihres einst so schönen Lokals. „Wir haben das 2002 schon einmal erlebt. Nun müssen wir wieder von null beginnen“, erzählt die 33-Jährige verzweifelt. „Wir müssen wieder Kredite aufnehmen, um alles reparieren und den Betrieb aufnehmen zu können.“ Hoffnungsvoller Nachsatz: „Aber ich lasse mich nicht entmutigen. Ich werde das schaffen!“ Die Unterstützung, die die Unternehmerin im Rahmen der Katastrophe von teils völlig Fremden erleben durfte, berührt Barbara Braun immer noch: „Ich habe sogar sofort eine Zusage für eine Ausweichbackstube im Hotel Schachner bekommen, in der ich meine Hochzeitstorten backen kann. Das hilft mir enorm.“ Denn bis etwa Mitte Juli wird das Café Braun geschlossen bleiben müssen – selbst wenn Barbara Braun Tag und Nacht schuftet, um ihren Betrieb in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.

Elisabeth lameraner (60), alleinstehende Pensionistin. „Der Schock sitzt bei mir immer noch tief. Ich kann kaum schlafen, weil ich immer wieder diese schrecklichen Bilder vor mir sehe“, berichtet Elisabeth Lameraner mit Tränen in den Augen. „Ich hatte keinen Strom, kein Trinkwasser, keine Heizung, kein Telefon – ich musste mich im ersten Stock verschanzen und hoffen, dass das Wasser nicht noch mehr steigt.“ Die pensionierte Einrichtungsexpertin musste bereits zum fünften Mal erleben, dass ihr liebevoll hergerichtetes Haus aus dem 16. Jahrhundert überflutet wird. „Dieses Haus ist mein Lebenswerk, ich habe auf so vieles dafür verzichtet. Wenn nicht bald ein Hochwasserschutz kommt, verzweifle ich endgültig.“

Karin sandler, Unternehmerin. Die zweifache Mutter leitet mit ihrem Mann die Druckerei Sandler in Marbach. „Das Hochwasser 2002 hat bei uns einen Schaden von 9,5 Millionen Euro verursacht. Voriges Jahr erst sind wir mit der Schulden-Rückzahlung fertig geworden. Nun beginnt das gleiche Spiel von vorne, nur im kleinerem Ausmaß, da diesmal nur das große Papierlager betroffen war“, so die zweifache Mutter (Claus, 10, Vanessa, 12).

Elisabeth haider (54), Unternehmerin. „Ohne die zahlreichen Helfer und Helferinnen wäre man verloren. Nicht allein mit dem Chaos zu sein, gibt einem Kraft weiterzumachen“, beschreibt Elisabeth Haider ihre derzeitige Situation. Ihre Trafik im Ortskern von Marbach stand völlig unter Wasser. „Zum Glück habe ich die Warnungen ernst genommen und noch vor der Flut vieles ins Trockene gerettet“, so die Mutter zweier erwachsener Töchter (im Bild mit dem Kind einer Kundin). Inzwischen konnte Elisabeth Haider den Notbetrieb aufnehmen. „Die Aufräumungsarbeiten halten einen wenigstens vom Nachdenken ab. Wenn man dann das erste Mal zur Ruhe kommt, spürt man schon die Verzweiflung.“

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