Psychische Widerstandsfähigkeit, auch Resilienz genannt, ermöglicht es Menschen, selbst tiefste Krisen und schlimme Traumata zu meistern.
Als Teenager musste Verena S. mit ansehen, wie ihr Vater versucht hat, ihre Mutter mit einem Küchenmesser umzubringen. Die darauf folgenden Termine bei Gericht, Psychologen und beim Jugendamt haben mit Sicherheit Spuren auf der jungen Seele hinterlassen. Und dennoch wurde aus dem Teenager eine junge Frau, die ihr Studium mit Erfolg abgeschlossen hat, mit beiden Beinen im Berufsleben steht und eine liebevolle, gut funktionierende Beziehung führt. Beispiele wie dieses gibt es viele: Kinder und Erwachsene, die traumatisierende Erlebnisse und Krisen bewältigen. Die nicht an ihnen zerbrechen, sondern sie als Anlass für Entwicklung nutzen. Doch woran liegt es, dass diese Menschen nicht aufgeben, sondern vielmehr positiv in die Zukunft blicken?
Resilienz, auch „psychische Widerstandskraft“ oder englisch „resilience“, ist das Schlüsselwort. Als der Begriff in den 1950er-Jahren geprägt wurde, waren damit vor allem Menschen gemeint, die schreckliche persönliche Erfahrungen, wie etwa Krieg, Vergewaltigung, große Armut oder schwere Krankheiten, erfahren hatten. Mittlerweile wird „Resilienz“ aber auch in Bezug auf steigende Anforderungen im Arbeitsleben verwendet.
Einflussfaktoren
Die Resilienzforschung beschäftigt sich eingehend mit den Faktoren, die dazu führen, dass Menschen die „geheime Superkraft“ entwickeln. Meist werden in der Psychologie sieben Faktoren genannt, die zusammengenommen eine hohe psychische Widerstandskraft ergeben. Demnach sind Menschen, die Veränderungen akzeptieren können und Krisen als überwindbare Phasen ansehen, die optimistisch sind, sich selbst positiv wahrnehmen können und davon überzeugt sind, dass sie ihr Schicksal selbst in der Hand haben, besonders resilient. Positiven Einfluss haben auch ein gutes soziales Netzwerk und die Erfahrung früherer Erfolge.
Training
Resilienz ist trainier- und erlernbar, doch bereits Kinder können darüber verfügen. Positiven Einfluss auf deren Resilienzentwicklung hat beispielsweise das Vorlesen. Aber auch von Eltern, die sich nicht isolieren, können Kinder enorm profitieren. Außerdem sollten Kinder die Möglichkeit erhalten, Verantwortung zu übernehmen. Diskutiert wird auch, ob es vielleicht genetische Faktoren gibt, die zur Resilienzentstehung beitragen. Doch auch im Erwachsenenalter ist es nicht zu spät, diese Superkraft zu trainieren.
Praktisch
Nicht nur bei tragischen Ereignissen, wie jüngst in Graz, ist es wichtig, dass Betroffene über hohe Resilienz verfügen, sondern auch, sobald wir – was früher oder später jedem von uns widerfahren wird – mit dem Verlust geliebter Menschen konfrontiert werden, uns mit cholerischen Chefs, mobbenden Kollegen und immer höherer Arbeitsbelastung abfinden müssen. In diesen Momenten entscheidet Resilienz darüber, ob wir aufgeben, in Depression verfallen oder Auswege suchen und finden wollen.
Abschied
Eine, die öffentlich machte, was es bedeutet, nach einer persönlichen Krise dennoch stark in eine positive Zukunft zu blicken, ist Sheryl Sandberg (45). Einen Monat, nachdem ihr Ehemann David Goldberg an einem tragischen Sportunfall verstarb, veröffentlichte die Facebook-Managerin einen bewegenden offenen Brief auf der Social-Media-Plattform. Darin beschreibt sie die Dämonen, mit denen sie zu kämpfen hatte, ihre Trauer, aber auch den Entschluss, weiterzumachen. Sandberg ist eine hochresiliente Person: „So sehr mein Herz auch gebrochen ist – ich sehe jeden Tag meine Kinder an und freue mich, dass sie am Leben sind. Ich weiß jedes Lächeln, jede Umarmung zu schätzen. Ich nehme nicht mehr jeden Tag als gegeben hin.“