Wilhelm F. wurde nicht ermordet, sondern starb an einem Herzinfarkt.
Im Fall des 68-jährigen Wilhelm F., der im vergangenen September in Wien-Leopoldstadt nach einem Sturz im Stiegenhaus starb, gibt es eine überraschende Wende. Der 17-jährige Bursch, der ursprünglich gestanden hatte, den ihm unbekannten Pensionisten, der ihm in einer Wohnhausanlage in der Ybbsstraße begegnet war, aus Wut über einen familiäre Auseinandersetzung die Treppe hinuntergetreten zu haben, ist bereits vor einigen Wochen aus der U-Haft entlassen worden.
Herzinfarkt
Mittlerweile steht nämlich fest, dass das Verhalten
des Burschen keinesfalls kausal für den Todeseintritt war. Das bestätigte
Gerhard Jarosch, der Sprecher der Wiener Staatsanwaltschaft, am Dienstag.
Ein Gutachten des renommierten Gerichtsmediziners Christian Reiter hat den
17-Jährigen entlastet. Der 68-Jährige starb demnach an einem Herzinfarkt.
Keine Mordanklage
Diese Expertise hat dem Jugendlichen wohl die
drohende Mordanklage erspart. "Derzeit prüfen wir noch, ob ihm eine
Körperverletzung vorzuwerfen ist", sagte Jarosch. Es erscheint allerdings
eher wahrscheinlich, dass das Verfahren gegen den 17-Jährigen zur Gänze
eingestellt wird: Wie die gerichtliche Obduktion ergab, wies die Leiche
keine äußeren Verletzungsspuren auf, was gegen die Version spricht, die der
Jugendliche den Kriminalisten gegenüber zu Protokoll gegeben hatte.
Hausbewohner hatten am Morgen des 26. September 2009 die Leiche des 68-Jährigen entdeckt. Der 17-Jährige geriet in Verdacht, mit dem Ableben des Mannes etwas zu tun haben zu können, weil er sich am Tatort unter den Schaulustigen aufhielt, sich auffällig benahm und an seinem T-Shirt Blutspuren klebten. Die Polizei nahm den Burschen mit.
Ärger und Party
Im Verhör gab dieser dann an, den
Pensionisten die Stiege hinuntergestoßen zu haben. Er habe sich geärgert,
weil er sich in der unweit gelegenen Wohnung seiner Mutter umziehen habe
wollen, doch habe ihn diese nicht hineingelassen. Also sei er in das Haus in
der Ybbsstraße zurückgekehrt, wo er zuvor mit Freunden Party gefeiert hatte.
Im Stiegenhaus sei er zufällig dem 68-Jährigen begegnet, den er mit einer
Art "Beinfeger" zu Boden befördert habe.
Da sich beim Toten keine blauen Flecken oder sonstigen Anzeichen für eine "Fremdberührung" fanden, dürfte der in der fraglichen Nacht schwer alkoholisierte 68-Jährige jedoch im Stiegenhaus einfach gestolpert und ohne fremdes Zutun gestürzt sein.
Wie die weiteren Ermittlungen erbrachten, stimmten diese Angaben nicht unbedingt mit den Beweisergebnissen überein. So ergab eine DNA-Untersuchung, dass das Blut am Leibchen vom 17-Jährigen selbst und nicht - wie ursprünglich vermutet - vom 68-Jährigen stammte: Der Jugendliche hatte Stunden vor dem Zusammentreffen mit dem Rentner aus der Nase geblutet und sich dabei beschmutzt.
Schließlich fand der Gerichtsmediziner heraus, dass der 68-Jährige bereits während des Sturzes - und nicht erst danach in unmittelbarer Folge der Aufregung darüber - einen Herzinfarkt erlitten hatte. Der Sachverständige stieß weiters auf keine Indizien, die darauf hingedeutet hätten, dass der tödliche Infarkt durch Fremdverschulden ausgelöst wurde, weshalb der 17-Jährige auf freien Fuß gesetzt wurde.