ÖSTERREICH-Interview

Faymann für EU-Sondergipfel Mitte September

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Bundeskanzler fordert einen raschen EU-Sondergipfel zum Flüchtlingsproblem.

ÖSTERREICH: Wie kam es zu diesem Flüchtlings-Ansturm aus Ungarn – und warum hat Österreich die Flüchtlinge jetzt aufgenommen?

Werner Faymann: Ungarn hat bei uns angefragt, was sie mit den Tausenden Flüchtlingen machen sollen, die nach Deutschland und Österreich wollen. Mir war von Beginn an klar, dass die Antwort nur eine gemeinsame Lösung mit Deutschland sein kann, weil diese Flüchtlinge ja weiter nach Deutschland wollen. Und mir war klar, dass wir ein Zeichen der Menschlichkeit setzen müssen, weil man die Vertriebenen ja nicht vor heruntergelassenen Grenzbalken im strömenden Regen stehen lassen kann. Die Antwort war klar: Wir öffnen die Grenze im Zeichen der Menschlichkeit.

ÖSTERREICH: Hatten Sie nicht Angst, dass zu viele kommen?

Faymann: Die entscheidende Frage war: Macht Österreich die Grenzbalken für diese Menschen auf – oder lassen wir sie geschlossen. Und da gilt: Österreich lässt verfolgte Menschen nicht im Stich.

ÖSTERREICH: Wie viele Flüchtlinge sind es wirklich?

Faymann: Orbán hat mir und Merkel gesagt, er garantiert, dass es nicht mehr als 4.000 sind. Ich hab das von Beginn an nicht geglaubt.

ÖSTERREICH: Was passiert, wenn die alle bei uns bleiben wollen?

Faymann: Das wird nicht der Fall sein. Die große Mehrheit will weiter nach Deutschland. Deshalb war die gemeinsame Lösung, dass alle, die wollen, weiterreisen dürfen, so wichtig. Ich habe das die ganze Nacht mit Angela Merkel verhandelt und bin ihr für dieses Zeichen der Menschlichkeit sehr dankbar. In Wahrheit ­haben Deutschland und Österreich erstmals gezeigt, dass man das Flüchtlingsproblem gemeinsam angehen kann.

ÖSTERREICH: Aber wir und Deutschland alleine werden es nicht lösen können.

Faymann: Richtig! Dieses Problem können nicht zwei Länder lösen, da müssen alle mitwirken. Ganz ehrlich: Europa steht vor der größten Krise und damit der größten Herausforderung seiner Geschichte: Ist Europa weiter ein Friedensprojekt? Oder gibt die EU die Hoffnung auf Frieden auf? Dann sollte die EU den Friedens-Nobelpreis zurückgeben!

ÖSTERREICH: Was muss geschehen?

Faymann: Ich kämpfe darum, dass wir zu einer raschen gemeinsamen Lösung mit gerechten Flüchtlingsquoten kommen. Ich bin für eine rasche Sondersitzung des Europäischen Rats, am besten gleich nach dem Treffen der Innenminister, also nach dem 14. September. Das muss jetzt rasch gehen. Rasch gerechte Quoten für alle. Rasch die Sicherung der Außengrenzen und rasch rasch Zentren an den Außengrenzen, wo die Cnbance auf Asyl umgehend geprüft werden kann.

ÖSTERREICH: Wie ist Ihre Reaktion auf das skandalöse Verhalten der Ungarn?

Faymann: Die Bilder sagen mehr als tausend Worte. Es funktioniert nicht, das Flüchtlingsproblem mit Stacheldraht zu lösen.

ÖSTERREICH: Sanktionen?

Faymann: Das gilt für alle: Wer nicht mithilft, das Flüchtlings-Problem zu lösen, wird künftig mit finanziellen Konsequenzen rechnen müssen. Solidarität ist keine Einbahnstraße.



 

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