Das sagt Markus Katzer, Sportlicher Leiter der Vienna, im großen ÖSTERREICH-Interview.
In der Saison 2016/2017 sicherte sich die Vienna den Meistertitel der Regionalliga Ost. Die Finanzsituation legte einen Schatten über den großen sportlichen Erfolg: Der Verein steht vor der Insolvenz, muss in die 2. Landesliga zwangsabsteigen. Mit UNIQUA als neuem Hauptsponsor fand die Vienna zurück in die Spur. Letzte Saison stiegen die Döblinger in die Stadtliga auf. Dort führt das Team von Trainer Peter Hlinka die Tabelle mit sechs Punkten Vorsprung an, stand vor dem Durchmarsch.
Jetzt folgte der nächste Schock: Aufgrund der Coronavirus-Krise werden alle Amateurligen in Österreich abgebrochen. Es gibt keinen Meister, keinen Aufsteiger. Die Vienna bleibt in der Stadtliga. Der nächste Tiefschlag, sportlich und finanziell. Beim ältesten Fußballklub Österreichs zeigt man sich trotzdem solidarisch mit der Entscheidung des Verbandes. Die Gesundheit geht vor. Das Motto: Wir gehen einen Schritt zurück um in Zukunft zwei voran zu schreiten.
ÖSTERREICH: Herr Katzer, das Coronavirus stürzt die ganze Welt in turbulente Zeiten. Deshalb das Wichtigste zuerst: Wie geht es Ihnen?
Markus Katzer: Mir geht es geht gut, danke. Bei der Vienna hat es noch keinen bestätigten Fall gegeben, was das Coronavirus betrifft.
ÖSTERREICH: Der ÖFB halt alle Amateurligen abgebrochen. Es gibt keinen Meister. Die Vienna wird als Tabellenführer der Stadtliga heuer nicht aufsteigen. Wie tief sitzt der Schmerz?
Katzer: Wir haben genug Zeit gehabt um, uns auf gewisse Sachen vorzubereiten. Die Entscheidung kam jetzt nicht völlig überraschend. Das macht es leichter. Natürlich hat man sich etwas Anderes erhofft. Man muss die Dinge jetzt aber so nehmen, wie sie sind. Wir akzeptieren das Urteil zu hundert Prozent. Die ganze Geschichte rund um das Coronavirus ist viel größer als der Fußball. Dass die Situation unter Kontrolle gebracht wird, hat oberste Priorität.
ÖSTERREICH: Welche Folgen hat diese Entscheidung für die Vienna – vor allem finanziell? Muss man sich Sorgen um den Verein machen?
Katzer: Wir hatten in der Vergangenheit natürlich Probleme, ein Insolvenzverfahren. UNIQIA als neuer Hauptsponsor hat den Verein damals gerettet und bleibt auch weiterhin an Board. Stand jetzt auch alle anderen Sponsoren. Die Vienna wird es auch nach der Krise weiterhin geben. Vielleicht mit weniger Budget, wir werden aber nicht in Turbulenzen geraten.
ÖSTERREICH: Welche Schritte hat der Verein in der Coronapause zur Krisenbewältigung gesetzt?
Katzer: Wir haben Kurzarbeit in Anspruch genommen. Bei allen Spielern und Angestellten. Wir haben uns auch immer zeitgerecht an alle Anweisungen der Regierung gehalten. Die Spieler haben Tipps bekommen, wie sie sich zu Hause fit halten können. Die setzen sie zu hundert Prozent um.
ÖSTERREICH: Wie darf man sich Ihren Job als Sportlicher Leiter in dieser Zeit vorstellen?
Katzer: Mit dem normalen Arbeitsalltag ist es derzeit nicht vergleichbar. Es hat sehr lange eine Unsicherheit gegeben ob und wie die Saison fortgesetzt wird. Prinzipiell kommuniziere ich in dieser Zeit viel mit den Spielern, versuche Kontakt zu halten. Auch intern gibt es viele Gespräche. Mittlerweile haben wir Klarheit, dass die Meisterschaft nicht zu Ende gespielt wird. Jetzt gilt es sich auf die neue Saison vorzubereiten. Wir müssen die Liga eben noch einmal gewinnen.
ÖSTERREICH: Wie stehen Sie dem Thema Geisterspiele gegenüber? Ist das auch in den Amateurligen eine mögliche Variante für die Zukunft?
Katzer: Wer kann in die Zukunft sehen? Es kommt immer darauf an, wie sich die Corona-Situation entwickelt. Die Gesundheit geht vor. Bevor gar nicht gespielt wird, stehe ich Geisterspielen aber positiv gegenüber, wenn es die Situation erlaubt. Aber derzeit ist das ohnehin kein Thema in der Amateurliga.
ÖSTERREICH: Und in der Bundesliga? Die soll heuer noch zu Ende gespielt werden …
Katzer: Wenn es die Coronazahlen zulassen, freut es mich, wenn die Spiele stattfinden können. Es wäre ein erster Schritt Richtung Normalität. Der Fußball, Sportereignisse generell, sind natürlich auch für die Gesellschaft unheimlich wichtig. Die Leute wollen Fußballspiele im TV sehen und am Wochenende darüber reden, wie schlecht nicht ein Katzer gespielt hat (lacht).
ÖSTERREICH: Wo will man mit der Vienna hin, wie soll die langfristige Zukunft aussehen?
Katzer: Die Ziele sind nicht anders als vorher. Wir wollen zurück in den Profifußball. Das heißt Bundesliga oder 2. Liga. Wir werden nächste Saison versuchen wieder aufzusteigen. Wir müssen Schritt für Schritt denken.
ÖSTERREICH: Gibt es einen schönen Moment, der Ihnen in Ihrer Zeit bei der Vienna besonders in Erinnerung geblieben ist?
Katzer: Wir sind in der Insolvenzsaison Meister der Regionalliga geworden. Wir haben die letzten zwei Saisonen nur zwei Niederlagen kassiert. Dazu gab es ganz viele schöne Spiele auf der Hohen Warte. Ich denke da an die Partien gegen Union Berlin und Rapid und natürlich die „Derbys of Love“ gegen den Sport-Club. Es gibt ganz viele Dinge, die mich daran erinnern, wie schön Fußball und wie schön es bei der Vienna sein kann.
ÖSTERREICH: Die Spieler halten sich bei der Vienna zu Hause fit. Versuchen Sie auch selber noch in Form zu bleiben?
Katzer: Jeder, der mich gut kennt, weiß, dass ich immer geschaut habe, dass ich fit bin. Natürlich war das auch meinem Job als Fußballprofi geschuldet. Ich habe aber immer versucht, fitter als die Anderen zu sein. Jetzt ist meine Fußballkarriere vorbei. Trotzdem mache ich noch fünf bis sechs Sporteinheiten in der Woche. Ins Büro fahre ich immer mit dem Fahrrad.
ÖSTERREICH: Schon seit einigen Wochen gelten in Österreich Ausgangbeschränkungen – wie sieht ihr Corona-Alltag aus?
Katzer: Man fährt jetzt natürlich nicht mehr so oft in die Arbeit. Ich stehe jeden Tag früh auf und gehe früh schlafen. Zwischen 6 Uhr und 6.30 Uhr läutet mein Wecker. Jeden Tag. Dann drehe ich den Fernseher auf und schaue, was es Neues gibt. Ich verfolge die Coronazahlen sehr intensiv. Danach mache ich mir einen Kaffee und gehe laufen. Außerdem koche ich jeden Tag selber. Ich bin schon zum richtigen Profikoch geworden (lacht).
Am Abend gehe ich gerne spazieren. Zwischendurch fahre ich ins Büro. Und dann ist da noch die Gartenarbeit. So schön wie jetzt war mein Garten schon lange nicht. Ich habe jetzt natürlich auch mehr Zeit um über gewisse Sachen nachzudenken, nehme Dinge viel bewusster wahr. Man lernt in dieser Zeit, wertzuschätzen, was man hat.
ÖSTERREICH: Haben Sie zum Abschluss einen Appell an die Vienna-Fans?
Katzer: Eines ist sicher: Es wird wieder Spiele auf der Hohen Warte geben. Es wird wieder eine erfolgreiche Vienna geben. Wir müssen jetzt alle zusammenhalten und werden gemeinsam wieder aus dieser schwierigen Phase finden.
Interview: Philip Sauer