Er darf bleiben, aber der ÖFB stellt ihm die Rute ins Fenster. Nach der Chile-Pleite wird es einsam um Teamchef Hickersberger.
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ÖFB-Chef Friedrich Stickler macht Druck: "So schnell wie möglich", auf jeden Fall noch vor den kommenden Partien gegen die Schweiz (13. Oktober) und die Elfenbeinküste (17. Oktober) müsse "Hicke" eine Analyse und Verbesserungsvorschläge abliefern, so Stickler Mittwochnachmittag nach der Sitzung des ÖFB-Führungsgremiums. Die Position des Teamchefs stehe aber nicht in Frage, so Stickler.
"Können nicht zum Tagesgeschäft übergehen"
Bei
dem Treffen des ÖFB-Präsidiums handelte es sich laut ÖFB-Boss um eine "routinemäßige
Sitzung", an der alle neun Landespräsidenten teilnahmen. Bei den
Länderchefs gab es nach den Angaben von Stickler weniger ein Murren als
vielmehr "allgemeines Entsetzen" nach den zuletzt gezeigten
Leistungen.
Deshalb wurde ein Beschluss gefasst, durch den der Teamchef aufgefordert wird, "uns eine fundierte Analyse über die Entwicklung der Nationalmannschaft vorzulegen", so Stickler. "Es ist völlig klar, dass wir nicht zum Tagesgeschäft übergehen können. Noch vor einem Jahr nach dem Schweiz-Spiel waren wir zuversichtlich, dass eine positive Entwicklung eingesetzt hat, in den letzten zwei Spielen sind wir aber auf den Boden zurückgekommen."
Überlegungen "in alle Richtingen"
Der Teamchef
solle nun "Überlegungen in alle Richtungen" anstellen, die
durchaus weitereichend sein könnten. An den bisher festgelegten
Länderspiel-Gegnern bis zur EURO gebe es zwar nichts zu rütteln, dafür
könnte laut Stickler unter anderem die Art und Weise der Vorbereitungen auf
Testmatches oder auch das Zurückgreifen auf den einen oder anderen
arrivierten, zuletzt aber enttäuschenden Spieler hinterfragt werden.
Auch Vastic ist ein Thema
Sollte sich Hickersberger von dem
einen oder anderen Kicker trennen wollen, habe er auf jeden Fall die volle
Rückendeckung des ÖFB. "Jeder, der diese zwei Spiele gesehen
hat, hat den Eindruck, dass nicht alle Spieler verstanden haben, worum es
geht. Das kann nicht sein." Der Verband würde sich auch hinter den
Teamchef stellen, wenn der wieder auf Routiniers a la Ivica Vastic
zurückgreifen sollte, auch wenn Stickler zu bedenken gab: "Vielleicht
ist der Schnitt sogar zwei Jahre zu spät gemacht worden."
Teamchefposten wackelt nicht
Stickler selbst würde nach eigenen
Angaben alle Entscheidungen, die er in den vergangenen zwei Jahren im
Hinblick auf die EURO getätigt hat, wieder so treffen. Kein Wunder also,
dass für den Lotterien-Boss der Teamchef (noch) nicht zur Diskussion steht. "Es
gibt keine Überlegungen in dieser Hinsicht", sagte Stickler,
ergänzte jedoch: "Wenn wir aber zum Beispiel in der Schweiz 0:15
verlieren, wird dieses Thema auf dem Tisch sein." Die kommende
ÖFB-Präsidiumssitzung steigt übrigens einen Tag nach dem Spiel gegen die
Elfenbeinküste.
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Hicke wischt Rücktritts-Gerüchte vom Tisch
Österreichs
Fußball-Teamchef Josef Hickersberger hat am Tag nach der 0:2-Schlappe in
Wien gegen Chile alle Rückzugs-Gerüchte vom Tisch gewischt. "Durch
das ORF-Interview nach dem Spiel ist leider der Eindruck entstanden, ich
wäre bereit, zurückzutreten. Dem ist nicht so", betonte der
Niederösterreicher am Mittwoch.
Rücktritt "kein Thema"
"Hicke" ließ
trotz der schlechten Leistungen in den jüngsten beiden Testspielen im Rahmen
des "Turniers der Kontinente" keinen Zweifel daran, die
ÖFB-Auswahl zur Heim-Europameisterschaft 2008 führen zu wollen. "Ich
bin schon durch stürmischere Gewässer gesegelt und weiß, wo es langgeht. Für
mich ist dieses Thema kein Thema", sagte der 59-Jährige und wies im
Hinblick auf die "Hicke raus"-Sprechchöre darauf hin, dass ihm
bereits in seiner Anfangszeit als Rapid-Trainer große Skepsis entgegen
gebracht worden war.
Verständnis für pfeifende Fans
Für das Verhalten der
Zuschauer zeigte Hickersberger ("Solche Spiele gehen auf meinen
Gesundheitszustand, aber ich überprüfe ständig meinen Blutdruck")
Verständnis. "Die Unterstützung des Publikums war wirklich gut.
Dass es nach 70, 80 Minuten, wenn sich die Niederlage abzeichnet, zu Pfiffen
und 'Hicke raus'-Rufen kommt, ist normal."
Dabei seien die ersten Minuten gegen die Südamerikaner vielversprechend verlaufen. "Da wollte die Mannschaft das umsetzen, was wir uns vorgenommen hatten, nämlich aggressiv in die Zweikämpfe zu gehen, den Gegner in der Defensive zu beschäftigen und mehr Initiative in Ballbesitz zu zeigen. Nach der ersten Chance für die Chilenen ist aber wieder Verunsicherung eingetreten." Lesen Sie hier den Matchbericht.
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Ärger über Prager
Für das Verhalten von Prager nach
dessen Auswechslung hatte Hickersberger schon weniger Verständnis, weil der
Heerenveen-Reservist sofort in die Kabine marschierte. "Das macht nicht
einmal ein Ronaldinho", vermutete der Niederösterreicher.
EURO vorm Fernseher
Von seinen eigenen Spielern fühlt sich der
Coach nicht im Stich gelassen. "Ich bin ein Mensch, der viel Geduld
besitzt, aber ich lasse mich auch nicht ausnützen." Dies sei aber
bisher auch nicht der Fall gewesen, so Hickersberger. Dennoch stellte er
einigen seiner Akteure die Rute ins Fenster. "Wenn der eine oder andere
glaubt, er ist sicher bei der EURO dabei, dann ist es nicht so, dass dies
der Fall sein muss."
Diesbezüglich deutlichere Worte fand Herzog. "Jetzt ist die Frage, wer will besser werden oder wer glaubt, dass er ohnehin schon gut ist. Da werden sich sicher einige wundern, wenn sie bei der EM vor dem Fernseher sitzen."
Verzicht auf Vastic & Co.
Allzu viele personelle
Alternativen bleiben Hickersberger mit Ausnahme der verletzten Spieler
freilich nicht, zumal er auch nach wie vor nicht auf arrivierte Kicker
zurückgreifen will. "Jetzt ältere Spieler einzuberufen, wäre eine
Änderung des eingeschlagenen Weges. Es wäre besser, Harnik einzuberufen als
jetzt zum Beispiel Vastic und Mayrleb zu bringen. Es bringt den
österreichischen Fußball nicht weiter, schon neun Monate vor der EM auf
Notlösungen zu setzen", sagte der Niederösterreicher.
Für das kommende ÖFB-Camp ab 7. Oktober in Schruns/Tschagguns und die Partien gegen die Schweiz (Zürich, 13. Oktober) und die Elfenbeinküste (Innsbruck, 17. Oktober) sind also keine gravierende Änderungen zu erwarten. Neuerungen wird es aber insofern geben, als ab sofort bei Team-Zusammenkünften zusätzliche Testspiele etwa gegen Regional-Auswahlen eingeschoben werden, um laut "Hicke" mit möglicherweise deutlichen Siegen mehr Selbstvertrauen zu tanken.
Kondi-Jubiläum
Im Oktober jährt sich auch die Aufnahme von
Conditioning Coach Roger Spry und Mental-Trainer Günter Amesberger zum
ersten Mal. Hickersberger beurteilt die bisherige Arbeit des Duos positiv,
gab aber auch zu bedenken: "Auch mit bestem Training und bestem Willen
kann man über gewisse Grenzen ohne Doping nicht hinwegkommen."