Rieder "Wikinger" im Jubelrausch. Nur Trainer Gludovatz bremst die Euphorie.
Die Erfolgsgeschichte der SV Ried
ist um ein spannendes Kapitel reicher. Die Oberösterreicher sorgten am Donnerstagabend für das Wunder von Bröndby, nach 180 denkwürdigen Minuten gegen den zehnfachen dänischen Meister stehen die Rieder in den Play-offs der Fußball-Europa-League
. "Bröndby ist eine europäische Topmannschaft. Das ist der mit Abstand renommierteste Name auf unserer Abschussliste", freute sich Manager Stefan Reiter über den bisher prestigeträchtigsten internationalen Erfolg der Vereinsgeschichte.
Gludovatz bremst Euphorie
Dass die Partie mit 2:4 verloren ging, störte nur einen. Ohne eine Miene zu verziehen, drückte Trainer Paul Gludovatz bereits wenige Augenblicke nach Schlusspfiff auf die Euphoriebremse: "Wir haben ja nicht den Europacup gewonnen. Mich ärgern die vier Gegentore." Danach ließ aber auch der Burgenländer Anzeichen von Freude und Stolz erkennen. "Mit einem physischen und psychischen Kraftakt haben wir es noch geschafft. Für solche Dinge lebt man, davon kann man erzählen", meinte Gludovatz.
Ried-Youngsters drehen im Finish auf
Seine im Schnitt nicht einmal 23 Jahre alte Startelf war nach dem 2:0-Erfolg im Hinspiel im Kopenhagener Vorort Bröndby auf dem besten Weg in ein Debakel gewesen. Nach einer knappen Stunde führten die Dänen durch Tore in den Minuten 39, 45, 53 und 55 mit 4:0. Die offensiv bis dahin nicht vorhandenen Rieder schienen mausetot und ausgeschieden, sogar die 200 mitgereisten Fans begannen bereits, ihre Transparente einzurollen.
Doch Trainerfuchs Gludovatz glaubte noch an die Wende, schließlich war er aufgrund der Analysen von Bröndby in den vergangenen Wochen von den körperlichen Vorteilen seiner Mannschaft felsenfest überzeugt gewesen. "Ich habe gewusst, dass wir physisch stärker sind. Bröndby baut ab der 60. Minute stets körperlich ab", berichtete Gludovatz, der deshalb ein Sonderlob an seinen Co-Trainer Gerhard Schweitzer aussprach. "Es imponiert mir, in welchem körperlichen Zustand wir sind. Das haben wir Schweitzer zu verdanken."
Royer leitet Umschwung ein
Im Hinspiel war Tormann Thomas Gebauer
der überragende Rieder gewesen, diesmal waren die Torschützen Daniel Royer und Anel Hadzic die Helden des Abends. "Unglaublich, was sich da für Szenen abgespielt haben", sagte Royer, der mit dem 1:4 (71.) seinem Team wieder Leben eingehaucht hatte. Der ÖFB-Teamspieler glaubt, dass die Rieder auch von der Überheblichkeit des Ex-Vereins von Peter Schmeichel sowie der Laudrup-Brüder Brian und Michael profitiert haben.
"Bröndby hat uns phasenweise vorgeführt, es hat nach einer ganz klaren Angelegenheit ausgeschaut. Sie waren sich dann aber vielleicht zu sicher, dass da nichts mehr passiert. Dann haben wir zum Fußballspielen angefangen", so Royer, für den das kleine Fußball-Märchen "typisch Ried" ist. "Bei Ried werden Kameradschaft und Zusammenhalt immer groß geschrieben. Das hat einmal mehr jeder einzelne bewiesen. Jeder kämpft für jeden, bis zur letzten Minute."
Bangen um Glasner
Royer und Co. haben die Kastanien auch für ihren Kapitän aus dem Feuer geholt. Denn Oliver Glasner
musste vier Tage nach seiner gegen Rapid erlittenen Gehirnerschütterung in einer Akut-Operation in Kopenhagen ein Blutgerinnsel entfernt werden. Die Operation ist laut einer Ried-Aussendung gut verlaufen, der 36-Jährige muss voraussichtlich eine Woche lang in Dänemark im Krankenhaus bleiben. "Wir wollten unseren Kapitän stolz machen, er ist unser wichtigster Spieler", meinte Royer.
Das i-Tüpfelchen hat dem heroischen Comeback Hadzic mit seinem Goldtor in der 88. Minute aufgesetzt. "Ich kann meine Gefühle gar nicht beschreiben. Unglaublich, dass wir so ein Spiel erleben durften", jubelte der 21-Jährige. Manager Reiter war nach dem Krimi fast so gezeichnet wie seine Kicker: "Das war nicht nur für die Spieler, sondern auch für uns auf der Bank sehr anstrengend. Das war die mit Abstand schönste Niederlage, die ich jemals erlebt habe."
Medien zerreißen Bröndby
Die dänischen Medien gingen mit Bröndby hart ins Gericht. "Bröndbyfans geschockt: 'Das ist ein Skandal!" schrieb "Ekstra Bladet". Ähnliches war auf "sporten.dk" zu lesen: "Von Euphorie zum Fiasko in Bröndby. Bröndby war am Abend nur Millimeter von einem tollen Comeback in der EL-Qualifikation gegen Ried entfernt. Gummibeine der völlig schlappen Sorte ließen die Österreicher jedoch in den allerletzten Minuten zwei Tore machen und das bedeutete das Ende des Ausflugs in den europäischen Fußball für Bröndby."