Button feierte - nicht zuletzt dank eigenartiger Boxen-Taktik bei Barrichello - vierten Sieg. Teamchef Brawn will von Stallorder aber nichts wissen.
Die Sensation nimmt schön langsam konkrete Formen an. Jenson Button vom neuen Brawn-GP-Team hat am Sonntag in Spanien auch den ersten Europa-Grand-Prix des Jahres gewonnen und strebt nach dem vierten Sieg im fünften Rennen scheinbar unaufhaltsam dem Formel-1-WM-Titel entgegen. "Ich fühle mich momentan, als wäre ich am Gipfel der Welt", beschrieb der 29-jährige Brite seine aktuelle Gefühlslage.
Klare Rollenverteilung
Buttons Vorsprung in der WM-Wertung auf
seinen zweitplatzierten Teamgefährten Rubens Barrichello beträgt bereits 14
Punkte. Barrichello ist WM-Zweiter, aber auch die klare Nummer zwei bei
Brawn. Eine Rolle, die der mittlerweile 36-jährige Brasilianer aus seinen
Tagen als Ferrari-Kollege von Rekordweltmeister Michael Schumacher nur zu
gut kennt.
Die Tatsache, dass die Button-Crew in Spanien im letzten Moment eine Strategie mit zwei Boxenstopps wählte und dies im Endeffekt den entscheidenden Vorteil gegenüber Barrichello (drei Stopps) brachte, heizte in Montmelo bei Barcelona die Diskussionen an, wonach es bei Brawn bereits eine Stallorder geben könnte.
"Keine Stallorder"
Teambesitzer Ross Brawn, dessen
Truppe in der Konstrukteurswertung mit 68 Punkten überlegen vor Red Bull
Racing (38,5) führt, schloss dies kategorisch aus. "Ich glaube,
man hat in der ersten Kurve gesehen, dass es keine Stallorder gibt", so
Brawn. Barrichello hatte am Start Button überholt und die Führung
übernommen.
"Ich würde es liebend gerne sehen, wenn Rubens und seine Crew einen Sieg feiern würden. Das wäre fantastisch fürs Team", stellte Brawn klar. Der Wechsel von drei auf zwei Stopps bei Button sei aufgrund der Rennentwicklung kurzerhand während des Grand Prix entschieden worden.
Enttäuschter Brasilianer
Barrichello, seit 2004 ohne
Grand-Prix-Sieg, war auf jeden Fall mit seinem zweiten Rang alles andere als
glücklich. "Ich kann es nicht glauben, dass ich dieses Rennen
verloren habe. Ich bin enttäuscht, weil ich dachte, dass ich den Sieg in der
Tasche habe", so Barrichello.
Drohung
Die Möglichkeit, dass er wie damals bei Schumacher die
Rolle eines braven Wasserträgers einnehmen würde, kommt für Barrichello
nicht infrage. Sollte er den leisesten Verdacht eine teaminternen Ordner zu
seinen Ungunsten haben, würde er sofort "den Helm an den Nagel
hängen", also seine Karriere beenden.
Die Einhaltung einer eventuellen Teamorder hatte Barrichello, der im Rahmen des Monaco-Grand-Prix Ende Mai 37 Jahre alt wird, bereits direkt nach dem Rennen auf der offiziellen Pressekonferenz ausgeschlossen. "Ich habe damit viel Erfahrung. Ich würde keinen Teamordern folgen. Das stelle ich hiermit klar, damit es jeder weiß."
"Fange nicht an zu weinen"
Barrichello stellte aber
auch klar, dass er keinerlei Anschuldigungen aussprechen wolle. "Die
Lage jetzt bei Brawn ist ganz anders als damals bei Ferrari. Wir haben ein
viel freundschaftlicheres Verhältnis. Ich setze mich jetzt sicher nicht hin
und fange an zu weinen."
Viel mehr sei er dankbar, dass er noch einmal die Chance erhalten habe, in so einem schnellen Auto um die WM zu fahren. "Ich danke dem Himmel. Denn es ist noch nicht lange her, dass die Leute Blumen auf mein Grab gestellt haben und 'Danke für deine Arbeit' gesagt haben. Ich bin hier, ich bin am Leben und ich werde hart weiter arbeiten."
Verboten
Eine Stallorder ist in der Formel 1 verboten. 2002
hatte es beim Grand Prix von Österreich einen handfesten Skandal in dieser
Hinsicht gegeben, als Barrichello Schumacher vorbei lassen musste und ihm so
quasi den Sieg schenkte. Der Technische Direktor von Ferrari hieß damals
übrigens Ross Brawn.