Nach elf Jahren Pause tritt die Tennis-Legende bei einem Challenger an.
Er ist nie zurückgetreten und gibt nun mit 42 Jahren doch völlig überraschend sein "Comeback" im Profi-Tennis. Thomas Muster, Paris-Sieger von 1995 und Österreichs einzige Nummer eins im Tennis, tritt in der letzten Juni-Woche beim mit 150.000 Dollar dotierten Challenger-Turnier in Braunschweig (28.6.-4.7.) an. Es ist das erste offizielle Turniermatch des Steirers seit den French Open 1999 in Paris, also seit über elf Jahren.
"Pause" zu Ende
"Ende einer langen Pause" statt
"Comeback" würde laut Musters Einstellung wohl eher beschrieben, was da nun
passiert. "Ich habe nach den French Open 1999 ja nicht meine Karriere
beendet, sondern nur gesagt, dass ich in den Urlaub gehe. Jetzt bin ich halt
aus dem Urlaub zurück, von einem Comeback kann man daher eigentlich nicht
sprechen", erklärte Muster in einem Interview des Turnierveranstalters.
Demontage eines Denkmals?
Der Steirer trainiert derzeit sechs Mal
in der Woche. Nach der "Comeback"-Ankündigung brachen in der Szene
Riesen-Diskussionen um die Rückkehr von "Tom" an. Während Ex-Manager Ronald
Leitgeb nicht viel Sinnhaftes in der Aktion erkenne wollte, befürchten viele
Muster-Fans die Demontage eines Denkmals. 1991 etwa hatte der große Schwede
Björn Borg nach achtjähriger Absenz mit 34 Jahren und antiquiertem
Holzracket sogar beim Klassiker in Monte Carlo ein Comeback gewagt und war
regelrecht vorgeführt worden.
Manager: Kein Comeback
Manager Herwig Straka bemühte sich deshalb
auch zu betonen, dass es sich nicht um ein Comeback im klassischen Sinne
aber auch nicht um einen PR-Gag handle. Nach Trainings mit starken Gegnern
in Paris sei in Muster der Gedanke gereift, sich wieder mit aktiven Akteuren
im Rahmen eines Turniers zu messen. Auch Straka bestätigte aber, dass neben
der Seniors-Tour weitere Muster-Auftritte auf diesem Level nicht
ausgeschlossen sind.
Der zweifache Sportler des Jahres (1990/95) selbst freut sich laut den Organisatoren "riesig" auf Braunschweig. Muster hatte in den 1980er- und 90er-Jahren vor allem mit seinen Serien-Siegen auf Sand und zusammen mit seinen Daviscup-Kollegen Horst Skoff und Alexander Antonitsch für eine wahre Tennis-Euphorie in Österreich gesorgt. Zwölf seiner insgesamt 44 Titel gewann er alleine im Jahr 1995, darunter in Paris. Seine Rückkehr nach schwerer Knieverletzung gehört wie Skistar Hermann Maiers Comeback zu den großen Epen der rot-weiß-roten Sportgeschichte.
Rätselhafter "Rücktritt"
Den Abschied von der
großen Tennisbühne gestaltete der ebenso geradlinige wie hoch professionelle
Sportler vor elf Jahren mit 31 Jahren aber etwas undurchschaubar. "Wenn ich
nicht zurücktrete brauche ich auch kein Comeback zu machen", hatte er
erklärt, ehe er sich aus privaten Gründen in seine damalige Wahlheimat
Australien zurückzog.
Immer dem Tennis verbunden
Doch Tennis blieb seine Welt und die
Steiermark sein echte Heimat. Nach der Rückkehr wurde Muster zunächst
Österreichs Daviscup-Kapitän, spielte jahrelang selbst auf der Senioren-Tour
und gründete mehrere Unternehmen. Erst kürzlich heiratete der mittlerweile
zweifache Vater und Weingut-Besitzer in der Südsteiermark zum zweiten Mal.
Inoffizieller Turnierdirektor
Natürlich ist mit bald 43 Jahren
von einem ernsthaften Comeback a la Formel-1-Fahrer Michael Schumacher nicht
zu reden. Und natürlich half die Beziehung zum deutschen Ex-Profikollegen
und Braunschweig-Turnierdirektor Michael Stich, gegen den Muster am 26. Juni
zunächst einen Schaukampf bestreitet und den er wegen dessen
Wimbledon-Verpflichtungen danach inoffiziell sogar als Turnierdirektor
vertritt, um eine Wild Card für das Einzel und das Doppel der NORD/LB Open
zu erhalten. Das Turnier ist "2nd Level", gilt aber in seiner Kategorie als
das populärste und stärkste der Welt.
Ehrgeiz noch immer da
Muster selbst geht einerseits realistisch
an die Sache heran, lässt aber auch bald den Ehrgeiz durchschimmern, der
seine gesamte Karriere geprägt hat. "Ich spiele einfach gern Tennis, vor
allem auch Wettkampftennis. Ich mache das aus Spaß an der Sache und nicht,
weil ich Weltranglistenpunkte sammeln will. Ich möchte einfach mal wieder
richtige Turnieratmosphäre schnuppern", erklärte der Jungvater.
Und dennoch will Muster wissen, wo er steht. "Ich setze mir keine überhöhten Ziele, werde mein bestes Tennis zeigen und dann sehen, wo die Reise hingeht", so der einstige Sandplatz-König, der seinen Auftritt nicht als Eintagsfliege versteht. "Ich möchte auch nächstes Jahr Challenger oder Bundesliga spielen!"
Beinhartes Training
Muster ist einer von ganz wenigen Sportlern,
dem man nach so langer Pause einen unpeinlichen Auftritt auf der großen
Sportbühne auch gegen einen "jungen Wilden" zutrauen kann. Er trainiert
derzeit sechs Tage in der der Woche mit täglich zwei Einheiten. "Mit ein
paar Wochen Training kann ich die Welt nicht einreißen, aber ich gebe alles.
Mit harter Arbeit und dem nötigen Ehrgeiz ist alles möglich", erklärte
"Tom". Ex-Kollege Antonitsch meinte: "Das ist typisch Tom. Wenn er gegen
einen spielt, der nicht in Ehrfurcht verharrt, darf er eigentlich keine
Chance haben. Aber Thomas ist ein Wettkampftyp und ihm war immer schon
wurscht (egal/Anm.), was wir anderen denken."
Muster selbst ist bewusst, dass er die Meinungen der Öffentlichkeit spaltet. "Einige werden jetzt sagen, der ist ja verrückt, aber damit kann ich gut leben. Denn damit lebe ich ja seit meinem 15. Lebensjahr. Ich werde mein Spiel durchziehen und keinen Respekt zeigen."