Vor 30 Jahren

Ich flog mit Musters Boarding-Pass aus Paris zurück

Vor 30 Jahren schrieb Thomas Muster mit seinem French-Open-Sieg Tennis-Geschichte. oe24-Redakteur Knut Okresek war damals als Reporter einer längst eingestellten Tageszeitung live dabei.

Paris, 11. Juni 1995, 17.22 Uhr. Muster lässt sich in den roten Sand von Roland Garros fallen. Mit dem 7:5, 6:2, 6:4-Finalsieg über Michael Chang hat unser Tennisstar Sport-Geschichte geschrieben. 1,323 Millionen Zuschauer im ORF verfolgen live mit, wie Muster zu seinem Coach und Manager Ronald Leitgeb († 62) in die Loge klettert und wenig später den berühmten French-Open-Pokal in die Höhe stemmt.

Dann wird es hektisch. Fotos, Interviews, Dopingkontrolle. Im Pressekonferenzraum beantwortet Muster auf Englisch die Fragen der Journalisten von New York Times bis Gazzetta dello Sport. Dann nimmt er die heimischen Reporter auf sein Wechselbad der Gefühle mit, erzählt von Nervosität, als Chang im 1. Satz mit 5:2 davonzog, von der Erleichterung nach dem 35. Sandplatz-Matchsieg in Folge: „Die letzten Stunden davor waren die Schlimmsten. Ich war so angespannt, wollte unbedingt spielen.“ Er wollte sich ablenken, las ein Buch: "Aber überall war Chang." Leitgeb: „Da werden wir auch noch in vielen Jahren was zu erzählen haben.“

Paris, 11. Juni 1995: Thomas Muster mit seinem Manager Roland Leitgeb (✝ 62).

Paris, 11. Juni 1995: Thomas Muster mit seinem Manager Roland Leitgeb (✝ 62).

© gepa

Auf meinem Boarding Pass steht: "Thomas Muster"

Dann verrät der Muster-Manager „Jetzt fliegen wir im Privat-Jet heim, das AUA-Ticket lassen wir verfallen.“ Ich, damals Reporter der im Sommer 2000 eingestellten Tageszeitung "täglich ALLES", werde hellhörig: „Damit wäre ja ein Platz für mich frei (in der ausgebuchten Maschine). Kann ich Toms Flug übernehmen?“ Leitgeb: „Uns ist das Wurscht.“

Am Flughafen will ich mein Rückflug-Ticket umbuchen und sage, dass ich statt Muster komme. Die Dame am Schalter streckt mir den Boarding-Pass entgegen. Darauf steht: „Thomas Muster“. Wirklich enttäuscht sind die Stewardessen, die Champagner für den Tennis-Helden vorbereitet hatten ...  

PS: In seiner 1996 erschienenen Autobiografie "Aufschlag" erinnert sich Thomas Muster an seinen Rückflug: "Ich schaue aus dem Fenster des Flugzeugs, blickte runter auf Paris. Es wurde kleiner und immer kleiner. Und ich größer und immer größer. Der schönste Moment seit zwei Wochen, einer der schönsten meines Lebens überhaupt. Ich lächelte, lehnte mich zurück. Auftrag erfüllt. Es war der 11. Juni 1995. Und es dämmerte bereits."

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten