Ein Jahr nach der Razzia im ÖSV-Biathleten-Quartier will das IOC den offiziellen Bericht unter die Lupe nehmen.
In die Affäre um österreichische Skilangläufer und Biathleten bei den Olympischen Winterspielen in Turin kommt Bewegung. Fast ein Jahr nach der Razzia der italienischen Behörden in den Quartieren der ÖSV-Athleten in San Sicario bzw. Pragelato am 18. Februar 2006 hat das Gericht in Turin nun den offiziellen Bericht über die Ergebnisse an die Disziplinarkommission des Internationalen Olympischen Comites (IOC) weitergeleitet.
"Informativer Bericht"
Das hat das Schweizer
Kommissionsmitglied Denis Oswald am Montag mitgeteilt. Das Gremium werde den
"sehr informativen Bericht" am 6. oder 7. Februar prüfen und über das
weitere Vorgehen diskutieren, kündigte der Sportfunktionär an.
IOC-Präsident Jacques Rogge hatte Anfang Dezember von den italienischen Behörden endlich eine Klärung der Vorfälle verlangt. Der zuständige Richter reagierte prompt. "Er hat den Bericht an Thomas Bach, den Vorsitzenden der Kommission zugestellt, und ich habe ihn gerade bekommen. Jetzt müssen wir ihn studieren", sagte der Jurist Oswald der APA.
Keine Einzelheiten vorab
Vor dem Treffen des dreiköpfigen
Gremiums, dem auch noch der Ukrainer Sergej Bubka angehört, wollte Oswald
nicht auf Einzelheiten des Berichts eingehen. "Er ist sehr informativ. Wir
müssen nun abklären, ob rechtswidrige Handlungen vorliegen", erklärte das
Mitglied der Juristischen IOC-Kommission. Wenn nötig werde man zur
Entscheidungsfindung ein Mitglied der Medizinischen Kommission des IOC
beiziehen.
Bei der jüngsten Sitzung des IOC-Vorstandes in Kuwait war der Disziplinarkommission ein vertraulicher Bericht der italienischen Behörden vorgelegen. Diesen habe man jedoch nicht für Beschlüsse verwenden dürfen, meinte Oswald. "Jetzt ist es offiziell und es scheint, dass im Vergleich zur ersten Fassung weitere Fakten enthalten sind."
Auslöser Walter Mayer
Die Affäre war durch die Anwesenheit
des auf Grund der so genannten "Blutbeutel-Affäre" von Salt Lake City 2002
für Winterspiele bis 2010 gesperrten ÖSV-Langlauf- und Biathlontrainers
Walter Mayer am Olympia-Schauplatz ausgelöst worden. Mayer hat inzwischen
den IOC-Chef Rogge ("Für mich ist Walter Mayer der Mann, der Doping in
Österreich organisiert") wegen Rufschädigung und übler Nachrede geklagt. Das
Verfahren vor dem Straflandesgericht Wien soll im März beginnen.
Die Disziplinarkommission des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) hat ihre Untersuchung des Falles bereits abgeschlossen. Der Langläufer Johannes Eder wurde für ein Jahr gesperrt, weil er sich eine Infusion mit Kochsalzlösung verabreicht hatte. Genau zu dem Zeitpunkt, als die Carabinieri am Vorabend des Langlauf-Staffelbewerbs die Razzia durchführten.
Rottmann und Perner in "Pension"
Die Biathleten
Wolfgang Rottmann und Wolfgang Perner, die nach der Razzia in die Heimat
abgereist waren und deren am gleichen Abend genommenen Dopingproben wie die
ihrer Kollegen negativ waren, haben ihre Karrieren beendet. Als Grund
führten beide die ihrer Meinung nach ungerechtfertigten Dopingvorwürfe und
die Behandlung in Italien an. Von Langlauf-Trainer Emil Hoch hat sich der
ÖSV getrennt, weil dieser den Olympia-Schauplatz in dieser Nacht ebenfalls
verlassen hat.