Am "Zauberberg" hat Mikaela Shiffrin eine weitere magische Marke geknackt. Mit nun 80 Weltcupsiegen fehlen dem US-Skistar nur noch zwei auf Landsfrau Lindsey Vonn und sechs auf Allzeit-Leader Ingemar Stenmark.
Dass sich die noch immer erst 27-Jährige recht bald zur Rekordsiegerin aufschwingen wird, steht für Wegbegleiter außer Frage. Die Konkurrenz staunt und der Chef ihrer Skimarke schickt Warnungen aus. "Jetzt ist sie im Flow."
Shiffrin freut sich mehr über Jubiläums-Kuchen
Am Donnerstag machte Shiffrin im Flutlicht-Slalom wie schon 2016 den Hattrick perfekt, nachdem sie am Dienstag und Mittwoch jeweils einen Riesentorlauf auf dem Semmering gewonnen hatte. Wieder einmal zauberte die Ausnahmekönnerin am "Zauberberg", verlor auch angesichts winkender Jubiläen nie den Fokus. "Wenn ich am Start an den 80er gedacht hätte, hätte ich nicht gewonnen. Ich war ganz in mein Skifahren versunken", schilderte Shiffrin nach getaner Arbeit. "Es gibt Momente, da kann ich tagträumen über die Zahlen und Siege und es motiviert mich auch. Aber das ist bedeutungslos in dem Moment, wo gutes Skifahren gefragt ist."
Der Doppelsieg gemeinsam mit ihrer Landsfrau Paula Moltzan bedeutete Shiffrin wesentlich mehr als das runde Jubiläum. "80 ist für mich nur eine Zahl. Ich habe keinen besonderen Bezug dazu", sagte Shiffrin und scherzte mit Blick auf die von Michaela Dorfmeister überreichte Jubiläumstorte: "Aber ich habe einen Kuchen bekommen. Ich liebe Kuchen - das war es wert."
Gemeinsam mit der früheren Slalom-Juniorenweltmeisterin Moltzan auf dem Podest zu stehen - es war der erste US-Doppelsieg im Slalom seit den Geschwistern Marilyn/Barbara Cochran 1971 - machte die Sache für Shiffrin richtig emotional. "Ich weiß, wie hart ich arbeite. Ich weiß, wie hart Paula und das ganze Team arbeitet. Wir sind den ganzen Winter von zuhause weg, wir verzichten auf wirklich viel und ich weiß, wie sehr sie das will. Das gemeinsam mit ihr zu erleben macht den 80. und 50. Sieg noch viel spezieller", sagte Shiffrin, die ihre ein Jahr ältere Teamkollegin seit Ewigkeiten kennt. "Ich und Paula fahren seit Whistler-Cup-Zeiten (Kinderrennen, Anm.) gemeinsam."
Zweites Tripple am Semmering
Vor exakt sechs Jahren hatte Shiffrin schon einmal das Technik-Triple am Semmering geholt. Schon damals - nach ihrem 23. Streich im Slalom - wurde gemutmaßt, dass die damals 21-Jährige sich bald zur erfolgreichsten Ski-Rennläuferin der Geschichte aufsteigen könnte. Bleibt sie gesund und hält sie ihren phänomenalen Schnitt von einem Sieg bei jedem dritten Rennstart aufrecht, ist das Erreichen der historischen 100er-Marke nur eine Frage der Zeit. Schon in Zagreb könnte sie Lindsey Vonn (82) an Siegen einholen, wenn sie beide Slaloms (4. und 5. Jänner) gewinnt.
Vor fast genau zehn Jahren hat Shiffrin in Aare ihren Premierensieg gefeiert. Seither dominiert sie den Weltcup-Zirkus zwar in schier unverwüstlicher, aber extrem menschlicher Manier - kaum eine Athletin spricht so offenherzig über Erfolgsdruck und Selbstzweifel. Der unerwartete Tod ihres Vaters Jeff im Februar 2020 war ein Schicksalsschlag, den es erst zu verdauen galt. Die letzten drei Jahre seien schwierig für sie gewesen, betonte sie am Semmering.
"Jetzt ist sie wieder happy", ist sich Atomic-Rennchef Christian Höflehner sicher. Den Sieg im Super-G von St. Moritz bezeichnete er als Goldes wert, die gemeinsamen Weihnachtstage mit Partner Aleksander Aamodt Kilde dürften für die nötige Lockerheit bei der überlegen im Gesamtweltcup Führenden gesorgt haben. Für Höflehner steht fest: "Jetzt ist sie im Flow." Insbesondere der erste Slalom-Lauf am Donnerstag kam einer Machtdemonstration gleich, als Shiffrin der Konkurrenz um sieben Zehntelsekunden enteilte. "Jetzt hat sie wieder ihre Phase, wo sie uns um die Ohren fährt", sagte Katharina Truppe. "Man muss das akzeptieren und kann nur weiter üben."