Mediale Trauer

Presse nimmt Abschied von Marcel Reich-Ranicki

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"Der letzte Kritiker ist tot", so wird der Literaturpapst von vielen Medien verabschiedet.

Deutschlands bekanntester Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 93 Jahren, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" auf ihrer Internet-Seite berichtete. Reich-Ranicki leitete viele Jahre den Literaturteil der Zeitung, wurde aber einem breiten Publikum vor allem durch das "Literarische Quartett" im Fernsehen bekannt. Nun nimmt die deutsche Medienlandschaft Abschied von ihrem größten Kritiker.

Videobeitrag von Society TV

"Bild Zeitung" trauert um Literatur-Legende
Seine Stimme – dieses Beben, wenn er Bücher zerriss. Dieser Akzent, diese wütenden Worte, wenn er den Autoren ihre Werke um die Ohren haute. Auch mit mehr als 90 Jahren war Reich-Ranicki immer noch DIE zentrale Instanz der Literaturszene. Bis zuletzt hatte er eine Kolumne in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”. Er schrieb, er mischte sich ein.  Und mehr noch: Er war auch ein „begnadeter Entertainer”, wie ihn Thomas Gottschalk an seinem 90. Geburtstag in der Frankfurter Paulskirche bewundernd nannte. Wie kein anderer deutscher Intellektueller schaffte er es, das spröde Medium Buch im Fernsehen populär zu machen", würdigte ihn die "Bild Zeitung" in einem Nachruf.

Zitate von und zu Reich-Ranicki 1/20
Über Literatur
"Viele Autoren und Kritiker hegen ein Misstrauen gegen unterhaltsame Literatur. Ich sage stattdessen: Literatur darf nicht nur unterhaltsam sein, sie muss es sogar!" (im "Focus", 2010)

"Süddeutsche Zeitung" ehrt Literatur-Papst
"In den letzten Jahrzehnten seines Lebens besaß alles, was er sagte, die Aura des Unangreifbaren, ganz so, als gäbe es in der Literatur und in der literarischen Kritik noch einen herrschenden Aristokraten.  'Gibt's was Neues?', war eine seiner stehenden Redewendungen. Sie bedeutete auch: Gibt es hier Widerstand? Ist einer da, mit dem man sich streiten kann, und sei es im Scherz, als mutwilliges Geplänkel. Man durfte ihn nicht zu milde anfassen. Er brauchte den Widerstand. Womöglich war dies die einzige Form der Anerkennung, die er wirklich respektierte. Und jetzt, nach seinem Tod, wird man ihn am meisten dadurch ehren, dass man ihn als Kritiker im Gedächtnis behält“, so hält das Blatt eine letzte Lobeshymne auf Reich-Ranicki.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" trauert um großen Literaten
"Natürlich würden ihn Superlative in diesem Nachruf nicht stören: der Größte, Wichtigste, Witzigste, Gefährlichste – und der Witz ist ja, das würde auch alles stimmen.  Sein Humor und seine Schlagfertigkeit waren atemberaubend, auch seine Respektlosigkeit. (...) Natürlich hätte er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verdient: Wenn einer Frieden gestiftet hat, in der verwundeten oder korrumpierten deutschen Literatur der Nachkriegszeit, dann war es Marcel Reich-Ranicki. (...) Einen wie ihn werden wir nicht wiedersehen. Es stimmt nicht, dass jeder ersetzbar ist. Manche werden im Tod zur dauernden Abwesenheit, und er ist nun eine solche", trauert die Zeitung um den Literatur-Papst.

"Frankfurter Rundschau" nimmt Abschied
"Für ein Fernsehporträt zu seinem 85. Geburtstag lief Marcel Reich-Ranicki durch Frankfurter Innenstadtstraßen. Man brauchte noch ein paar Füllselbilder. Auf der Zeil, der Fußgängerzone, trafen der Kritiker und das Kamerateam auf Fußballfans von Eintracht Frankfurt. Als diese den Kritiker erkannten, schwenkten sie begeistert ihre Bierflaschen und skandierten „Reich-Ra-nitz-ki, Reich Ra-nitz-ki“. Wieder und wieder. Huldigungen zu empfangen von Fußballfans – kein Kritiker hat es je so weit gebracht. Und kein Intellektueller wird ihm so tief ins Herz des Publikums nachfolgen. 1,2 Millionen Mal wurde seine Autobiografie verkauft, vermutlich ist er bekannter als der berühmteste deutsche Gegenwartsschriftsteller, der Nobelpreisträger Günter Grass. Für einen Kritiker, der vorgibt, die Literatur sei sein Lebensgefühl, ist das ein fast unanständiger Triumph der Kritik über ihren Gegenstand“, würdigt ihn die "Frankfurter Rundschau".

"Die Welt" trauert
"Energisch wies der zeitlebens ungläubige Jude jegliches Ansinnen von sich, er könnte als Deutscher gelten. Auch als Pole wollte er sich keinesfalls definieren. Stolz und ganz altmodisch begnügte er sich damit, der erste Bürger im Reich der deutschen Dichtung zu sein. (...) Marcel Reich-Ranicki war ohne Zweifel Deutschlands mächtigster Kritiker. Aber nicht nur das. Er wurde, eine Folge seiner Spätkarriere, der berühmteste Literaturkritiker aller Zeiten" streut ihm "Die Welt" zum letzten Mal Rosen.

"Hamburger Abendblatt" würdigt Reich-Ranicki
"Marcel Reich-Ranicki war in all seiner Leidenschaft ein begnadeter Schauspieler und trat stets in der Rolle seines Lebens auf: der des unermüdlichen Kämpfers für eine seriöse und deshalb oft schwierige Literatur, die er einem breiteren Publikum nahezubringen hoffte. So wurde er als Literaturkritiker fast ein Pop-Star“, schreibt das "Hamburger Abendblatt" über den großen Literaten.


 

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