In Sichuan:

Kaninchenköpfe in scharfer Sauce als Snack

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Was anderswo im Mistkübel endet, ist im Südwesten Chinas eine Delikatesse.

Zuerst den Schädel knacken, dann das Hirn schlürfen - die Gäste in dem Restaurant in Sichuan sind mit Hingabe bei der Sache. Auf dem Teller liegen Kaninchenköpfe in scharfer Sauce, mit ihren Augenhöhlen und den vorstehenden Schneidezähnen sind sie gut zu erkennen. Was anderswo im Mistkübel endet, ist im Südwesten Chinas eine Delikatesse und so begehrt, dass sie sogar aus Europa importiert wird.

"Das Beste ist die Zunge - zart und schmackhaft."

"Wenn die Leute in Sichuan nicht täglich scharf essen, sind sie unglücklich", lacht Ma. Die Mittzwanzigerin sitzt im Restaurant "Shuangliu Laoma Tutou" (Kaninchenköpfe nach Mutterns Art) in der Provinzhauptstadt Chengdu und genießt ihr Menü. "Ich esse das mindestens einmal pro Woche. Das Beste ist die Zunge - zart und schmackhaft." Mit Plastikhandschuhen brechen Dutzende Gäste die zarten Schädel auf, knabbern an den Bäckchen, saugen mit Begeisterungsrufen das Hirn aus.

500 Millionen Kaninchenköpfe im Jahr

Nach Angaben des chinesischen Kaninchenzüchter-Verbands verbraucht die Volksrepublik jährlich rund 500 Millionen Kaninchenköpfe, davon allein 200 bis 300 Millionen in Sichuan. "Meine Eltern und Großeltern haben sie geliebt, und auch ich genieße sie seit meiner Kindheit," sagt Restaurantmanagerin Wang Min. Seit Jahrhunderten würden Kaninchenköpfe traditionell in Sichuan verspeist, fügt sie hinzu. "Meine Freunde woanders verstehen nicht, warum wir sie so mögen - sie vertragen die Schärfe nicht!"

Sogar als abendlicher Imbiss auf den Straßen Chengdus sind die feurig gewürzten Schädel allgegenwärtig - zahllose Imbissstände im Zentrum verkaufen sie als Snack zum Bier.

Chefkoch Yin Dingjun erklärt die Zubereitung: Demnach müssen die Kaninchen, bevor sie ausgenommen werden, erst ausbluten. Erst dann werde der Kopf einige Stunden mariniert, sagt er.

Kaninchen, das Haustier der Mondgöttin Chang'e

In der chinesischen Mythologie ist das Kaninchen das Haustier der Mondgöttin Chang'e; insbesondere die jungen Leute mögen es eher als niedliches Kuscheltier im Arm als im Kochtopf. In Sichuan sei das anders, sagt die britische Expertin für Chinas Gastronomie, Fuchsia Dunlop. Die Provinz sei bekannt für kulinarische Herausforderungen: "Es gibt viele scharf gewürzte Gerichte wie etwa Entenköpfe in Chili und Pfeffer".

Zudem sei die Haptik in Sichuan Teil des Vergnügens: "Die Leute reißen die Knochen ab und saugen sie aus, ziehen das Fleisch mit Fingern und Zähnen ab".

Auch aus Europa wird Kaninchenfleisch geliefert

Chinas größter Produzent von Kaninchenfleisch, Hage, verkauft nach Angaben seines stellvertretenden Geschäftsführers Rong Lipeng mehr als acht Millionen Kaninchenköpfe jährlich. Da die chinesischen Züchter die enorme Nachfrage nicht mehr bedienen können, müsse Hage fast 20 Prozent aus Europa einführen, vor allem aus Italien und Frankreich.

Entenschnäbel, Hühnerfüße und Kutteln als Delikatesse

2014 exportierte Frankreich nach offiziellen Angaben 166 Tonnen Kaninchenfleisch und -Schlachtabfälle nach China. Auch Entenschnäbel, Hühnerfüße oder Kutteln gelten in manchen Regionen Chinas als Delikatessen, und allein aus den USA importierte die Volksrepublik im Jahr 2014 Hühnerfüße im Wert von umgerechnet gut 152 Millionen Euro.

Rong zufolge sind die Köpfe der kleinen Kaninchen gesund, weil sie wenig Fleisch enthalten. "Doch viele Leute außerhalb unserer Provinz trauen sich nicht, sie zu probieren", räumt er ein - "sie sehen doch ziemlich furchteinflößend aus."

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