Steigende Zahl älterer Arbeitnehmer als große Herausforderung.
Am 23. November 2016 trafen sich anerkannte Gesundheitsexperten im Rahmen der Konferenz „HEALTH WORKS“ in Wien: Diskutiert wurden vor allem die Auswirkungen chronischer Erkrankungen, die erhebliche Konsequenzen auf viele gesellschaftliche Bereiche haben und damit weit über das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen hinaus gehen. Gefordert sind hier künftig - neben den Vertretern des Gesundheitssystems - auch jene aus Politik und Wirtschaft.
Größter Handlungsbedarf liegt in der frühzeitigen Diagnose und Intervention
Vor allem die Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit, die nicht nur für Betroffene sondern auch für die Wirtschaft positive Auswirkungen hat, ist eine der größten Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Die steigende Zahl älterer Arbeitnehmer macht das Thema zusätzlich politisch relevant. In den Diskussionen war man sich einig, dass der größte Handlungsbedarf in der frühzeitigen Diagnose und Intervention liegt. Denn, je früher die relevante Therapie beginnt, desto eher ist es möglich, ernstzunehmende Gesundheitsschäden bei den Betroffenen abzuwenden.
Bevölkerung in Europa nimmt ab und wird gleichzeitig älter
Dr. Stefan Koth, Geschäftsführer der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin, präsentierte Auswirkungen, die durch das steigende Durchschnittsalter zu erwarten sind bzw. bereits entstehen und damit auch österreichische Unternehmen zunehmend betreffen: “Die Bevölkerung in Europa nimmt ab und wird gleichzeitig älter: Bereits in wenigen Jahren werden wir mit drei aktiv Arbeitenden zwei Menschen im Ruhestand versorgen müssen.“ Er war einer der hochrangigen Experten aus Arbeitsmedizin, Gesundheitsökonomie, Sozialpartnerschaft, Wissenschaft und Industrie, die bei der Konferenz „HEALTH WORKS“ relevante Aspekte des Faktors Arbeit rund um chronische Erkrankungen betrachteten.
Dr. Karl Hochgatterer, Arbeitsmediziner und Referent der Ärztekammer, betonte die Bedeutung der Arbeitsmediziner bei Gesundheitsfragen am Arbeitsplatz und plädierte für eine stärkere Berücksichtigung der damit verbundenen sozial- und gesundheitspolitischen Fragen an den Universitäten.
Univ.-Prof. Dr. Klaus Machold, Rheumatologe an der Medizinischen Universität Wien unterstrich die oft unzureichende aber notwendige frühzeitige Intervention, die den weiteren Krankheitsverlauf beeinflusst. Weiters betonte er, dass vor allem der niederschwellige Zugang zu Früherkennung, insbesondere am Arbeitsplatz, eine entscheidende Rolle dabei spielt, voranschreitende Erkrankungen früh abzufangen. Das hätte auch positive ökonomische Effekte, wie Dr. Anna Vavrovsky, Gesundheitsökonomin der Academy for Value in Health, untermauerte. Sie zeigte in Beispielen auf, wie neben den direkten auch die indirekten Kosten volkswirtschaftlich ins Gewicht fallen.
Teilarbeitsfähigkeit als Option
Praktische Lösungsansätze und Erfahrungen wurden ebenfalls diskutiert. Dr. Andreas Klipstein, Facharzt für Rheumatologie und Physikalische Medizin/Rehabilitation am Universitätsspital Zürich, berichtete über den Stand der Arbeitsmedizin und die politischen Rahmenbedingungen in der Schweiz. Er unterstrich den wichtigen Aspekt der Teilarbeitsfähigkeit, die in der Schweiz chronisch Kranken ein reduziertes Arbeiten ermöglicht. Neben der ökonomischen Effizienz ist dabei auch ein positiver therapeutischer Effekt zu beobachten. Das Risiko einer Chronifizierung von Gesundheitsproblemen mit hohen direkten und indirekten Kosten wird so deutlich verringert.
Mario Wintschnig, Head of Health and Age der Zumtobel Group AG, und Dr. Eva Höltl, Arbeitsmedizinerin und Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Bank zeigten auf, wie aktives betriebliches Gesundheitsmanagement in österreichischen Unternehmen funktioniert. Eva Höltl: „In Österreich muss man 100 % gesund sein, um arbeiten zu dürfen. Demgegenüber sollte jedoch das Recht für alle gelten, am Arbeitsmarkt teilzuhaben, in dem Ausmaß, wie sie können und wollen.“
Bewusstsein für die Zusammenhänge von Arbeit und Gesundheit stärken
In der zusammenfassenden Diskussion bestätigten Mag. Ingo Raimon, Dr. Martin Gleitsmann und Prof. Dr. Bernhard Rupp die Forderung des Publikums, dass zu diesen Themenstellungen eine weitere intensive Auseinandersetzung notwendig sei, um das Bewusstsein für die Zusammenhänge von Arbeit und Gesundheit zu stärken.
Hon.-Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp, MBA von der Arbeiterkammer Niederösterreich: „Durch die immer höhere Beschäftigungsrate im Dienstleistungssektor nimmt die körperliche Belastung zwar ab, die psychischen Belastungen sind aber eindeutig massiv im Steigen.“
Früherkennung, frühe Intervention und Prävention
Ingo Raimon, General Manager von AbbVie Österreich: „Früherkennung, frühe Intervention und Prävention sind der Schlüssel zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit und zur Vermeidung späterer Kosten. Unternehmen müssen in ihrer Rolle als Arbeitgeber sicherstellen, dass die Arbeitsmedizin, aber auch Fachärzte so nah wie möglich an den Arbeitsplatz kommen.“
Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit der WKÖ, resümiert abschließend: „Nachdem nun die Wiedereingliederung nach langem Krankenstand auf Schiene ist, brauchen wir auch rasche Fortschritte bei der Überarbeitung des Modells „Reha vor Pension“. „Das bisher nicht erfolgreiche System muss endlich den Zweck der Reintegration in den Arbeitsmarkt erfüllen. Insbesondere müssen wir so früh wie möglich intervenieren, um einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben vorzubeugen.“