Damit Misshandlung und Missbrauch früher aufgedeckt werden können, setzen sich Österreichs Unfallchirurgen für eine bessere Daten-Vernetzung in den Spitälern ein. Gefordert wird ein Kinderschutz-Register zur raschen Abklärung von Verdachtsfällen, in dem stationäre Krankenhausbehandlungen vermerkt werden sollen. "Meist sind es die Unfallchirurgen, die mit gewaltbetroffenen Kindern zuerst konfrontiert werden", erklärte Richard Maier, Fachgruppenobmann der Österreichischen Ärztekammer, bei einer Pressekonferenz in Wien.
Das Problem: Kommt es innerhalb kurzer Zeit zu mehreren Verletzungen und werden diese in verschiedenen Spitälern behandelt, fällt es niemandem auf. Datenschutz-Bestimmungen würden der notwendigen Vernetzung bisher im Wege stehen, kritisierte die Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie (ÖGU). "Im Verdachtsfall müssen wir auf Knopfdruck feststellen können, ob das verletzte Kind nicht schon mit den gleichen oder ähnlichen Verletzungen woanders behandelt wurde", betonte Richard Kdolsky vom AKH Wien. Sinnvoll wäre beispielsweise ein nur von Kinderschutzgruppen einsehbares Register mit allen Behandlungen.
Schlecht sei derzeit auch die Einseitigkeit des Informationsaustausches mit der Jugendwohlfahrt, so Kdolsky. Während Ärzte Verdachtsfälle melden, bekomme man im Gegenzug keine Auskunft darüber, ob eine Familie mit einem verletzten Kind vom Amt betreut werde oder nicht. In jeder Spital-Kinderschutzgruppe sollte ein Vertreter der Jugendwohlfahrt Mitglied sein. Bei Bundesländergrenzen überschreitenden Betreuungen sei eine massive Datenbarriere das größte Problem, dies habe der Fall "Luca" deutlich gezeigt. Abgeschafft werden sollte diese durch eine bundesweit einheitliche Gesetzgebung im Bereich Jugendschutz und Jugendwohlfahrt, forderte der Mediziner. Ein weiterer Wunsch der Unfallchirurgen: Einen Kinderschutz-Obmann, bei dem alle Drähte zusammenlaufen. Unabhängig und weisungsfrei soll dieser Anliegen zentral koordinieren und auf die Umsetzung der Gesetze achten.
Hohe Dunkelziffer
Von bis zu 180.000 jährlich im Spital behandelten Kindern gelten rund 1.200 laut Statistik als Gewaltopfer, so Maier. Die tatsächlichen Zahlen dürften bedingt durch die hohe Dunkelziffer etwa fünfmal so hoch sein. Jedenfalls würden mindestens 400 Kinder pro Jahr nach körperlichen Misshandlungen ärztlich behandelt, 250 nach sexuellem Missbrauch und ebenso viele nach Vernachlässigung. Rund 300 Minderjährige werden Opfer von Gewalt-Mischformen. Die ÖGU arbeitet derzeit an der Erstellung eines Leitfadens zur "Gesundheitlichen Versorgung gewaltbetroffener Frauen" des Familienministeriums mit und beschäftigt sich dort mit "Kindern als Mitbetroffene häuslicher Gewalt". In 77 Prozent der Fälle, würden diese bei brutalen Auseinandersetzungen involviert, so Maier.
Verletzte Kinder gehören jedenfalls zur täglichen Praxis an unfallchirurgischen Abteilungen, sie machen mehr als 30 Prozent der Patienten aus, betonte ÖGU-Präsident Franklin Genelin. Aus diesem Grund widme sich die 45. Jahresversammlung dem Motto "Trauma im Kindes- und Jugendalter".Vor allem Stolper- und Sturzfallen im Alltag - vom Wickeltisch über Tischkanten bis hin zu Schaukeln - sorgen für Krankenhausaufenthalte.
Folgend eine Auflistung der zehn häufigsten Gefahrenquellen:
1. Wickeltisch 2. Stockbett 3. Hochstuhl 4. Tischkante 5. Glastür 6. Treppe 7. Herd 8. Planschbecken, Pool 9. Schaukel 10. Sprung ins unbekanntes Gewässer