Von H.U. Obrist

Neues Buch: "Ai Weiwei spricht"

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Das neue Buch zu Kunst, Politik und dem Schreiben eines Blogs.

Just während einer Zeit, in der der Ausnahmekünstler Ai Weiwei aufgrund strikter Auflagen seitens der chinesischen Regierung keine Interviews geben darf, erscheint mit "Ai Weiwei spricht" am heutigen Montag ein Buch, das politische Überzeugungen des 53-Jährigen dokumentiert. In den fünf von Hans Ulrich Obrist geführten und aufgezeichneten Interviews wirkt das Multitalent ausgesprochen optimistisch. Und das trotz der zahlreichen Widrigkeiten, die er und seine Familie am eigenen Leib erfahren mussten. Er spricht über Kunst, Politik, deren Zusammenhänge und seine ganz persönliche Motivation.

Ais Vater drei Jahre in Shanghai im Gefängnis
Ais Vater, der bedeutende Dichter Ai Qing, wurde nach seiner Studienzeit für drei Jahre in Shanghai inhaftiert und später in eine Arbeitslager in der Provinz Xinjiang verbannt, wo auch Ai Weiwei aufwuchs. Auch er selbst war immer wieder Opfer der chinesischen Repression, gegen die er sich mittels seiner Kunst - seiner zahlreichen Texte, Skulpturen und Plastiken - zur Wehr setzt. Ais Blog, der zu Spitzenzeiten über 100.000 Besucher täglich zählte, wurde nach etwa drei Jahren im Mai 2009 von Chinas Regierung gesperrt.

Menschen als Monster
Menschen sind "Monster, sie verhalten sich rücksichtslos", konstatiert Ai. Angesichts seiner Erlebnisse scheint diese Aussage mehr als verständlich. Doch hat sich der Künstler seinen Optimismus bewahrt: Man könne aus Krisen lernen, den "potenziellen möglichen Schaden" erkennen und in eine "neue Welt" eintreten.

So viel Dummheit
"Hier ist soviel Dummheit am Werk, und keiner schreibt darüber", erklärt Ai mit Blick auf die Zeit vor den Olympischen Spiele in Peking (2008) in einem der Interviews seine Beweggründe für seine Arbeit. In seinen Blogeinträgen und mittels unzähligen dort veröffentlichten Fotos machte der Künstler auf Missstände aufmerksam, rebellierte gegen die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung in China.

Produktive Wirklichkeit
Durch seinen Blog könne er seine "komplette Umgebung" zeigen und "neue Wirklichkeiten" schaffen: "Tatsächlich sind wir ein Teil der Wirklichkeit, und wenn wir das nicht erkennen, sind wir völlig verantwortungslos. Wir sind produktive Wirklichkeit. Wir sind Wirklichkeit, aber dieser Teil der Wirklichkeit bedeutet, dass wir eine andere Wirklichkeit erzeugen müssen."

Schreiben ist wundervoll
Schreiben sei für ihn die "wundervollste und effektivste Art", seine Gedanken "deutlich zu machen", sagt Ai. Würde er gut schreiben können, würde er sogar die Kunst aufgeben, gibt der Bildhauer, Architekt, Kurator, Menschen- und Bürgerrechtler offen zu. Als Kind, habe er das nie richtig gelernt, denn sein Vater wusste: "Wer über Wissen verfügte, würde bestraft werden."

Ai immer noch in Peking festgehalten
Vielleicht war es aber gerade das Schreiben per se, das Ai zum Verhängnis wurde. Zwar war die offizielle Begründung für seine Verhaftung im April der Verdacht auf Steuerhinterziehung, doch war seine Kritik am offiziellen China immer offensichtlich. Am 22. Juni wurde Ai auf Kaution und unter strengen Auflagen freigelassen. Der bisher letzte Eintrag auf seiner Twitter-Seite am 28. Juni lautet: "Er kann sich nicht wegbewegen, er kann nicht weg aus Peking, er hat keinen Zugang zu Medien."

Kein Kontakt zur Öffentlichkeit
Schreiben und damit das öffentliche Kundtun seiner (politischen) Meinung - ist Ai derzeit also offenbar untersagt. Es bleibt zu hoffen, dass diese für ihn so wichtige Tätigkeit bald wieder Teil seines Lebens sein kann. Aber wer kann schon die Zukunft vorhersagen - "das Wundervollste in meinem Leben ist immer durch Zufall und nie qua Plan passiert", sagt Ai.

Hans Ulrich Obrist traf Ai Weiwei seit den Neunzigern
Zur Entstehung des Buches: Hans Ulrich Obrist, 1968 in der Schweiz geboren, traf Ai Weiwei zum ersten Mal während der 1990er Jahre in Peking. Es folgten zahlreiche Treffen und Gespräche. Die Interviews in dem nun im Hanser Verlag erscheinendem Buch wurden zwischen 2006 und 2010 durchgeführt, und wurden großteils auch schon in anderen Büchern und Zeitschriften veröffentlicht.

"Ai Weiwei spricht. Interviews mit Hans Ulrich Obrist", Hanser Verlag, 142 Seiten mit Abbildungen, 15,40 Euro; ISBN 978-3-446-23846-6

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