Josefstadt

Bloeb überzeugte als Jägerstätter

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Viel Applaus in der Josefstadt für die Uraufführung von Felix Mitterer-Stück.

 Am 9. August 1943 wurde der Innviertler Bauer Franz Jägerstätter als Kriegsdienstverweigerer hingerichtet. Er hinterließ eine Frau und drei kleine Töchter. Am Nationalfeiertag des Jahres 2007 wurde er in Linz seliggesprochen. Auf Bitten des Schauspielers Gregor Bloeb hat der Tiroler Dramatiker Felix Mitterer nun ein Stück über den Widerstandskämpfer geschrieben. "Jägerstätter" ist kein Passionsspiel geworden, keine Heiligenlegende, sondern ein Volksstück, ein Leidensdrama, bei dem vor allem jene leiden, die den Sturkopf, der zum Märtyrer wider Willen wird, lieben und achten. Die Uraufführung am 20. Juni im Theater in der Josefstadt wurde zum heftig akklamierten Erfolg.

Naiver mit Durchblick

Dieser Franz Jägerstätter ist keine einfache Figur. Er wirkt völlig naiv und scheint doch den großen Durchblick zu haben. Er ist armer Bauer, unehelicher Sohn einer Dienstmagd, und liest doch die Bibel und "Mein Kampf". Er gibt nichts auf die allgemeine Meinung, lässt sich nichts einreden und zieht seine eigenen Schlüsse. Er ist ein guter Christ und verweigert doch seinem Bischof und seinem Pfarrer den Gehorsam. Er wirkt weich und verletzlich, und doch ist sein Sturschädel der härteste von allen. Er liebt Frau und Kinder über alles, und doch macht er sie lieber zu Witwe und Waisen, als dass er seine eigenen Überzeugungen verrät.

Bloeb glänzte in der Hauptrolle

Gregor Bloeb legt seine Rolle als herzensguten, doch sturen Querkopf an, den sein purer Glaube zum reinen Tor werden lässt, während alle rundherum sich mit den Machtverhältnissen arrangieren, um ihre eigene Haut zu retten. Man kann ihm nicht böse sein und doch treibt er einen zur Verzweiflung. Seine Nein-Stimme bei der "Anschluss"-Abstimmung sucht er extra heraus, als die Ortsnazis noch alles daran setzen, seinen Stimmzettel verschwinden zu lassen und ihn zu schützen. Viele Male werden ihm Eingaben, Bittgesuche und Widerrufe vorformuliert, die ihm noch das Leben retten könnten - er unterschreibt sie alle nicht. Man mag Bloeb vorwerfen, dass er den Naivling herauskehrt und den Egoisten negiert, man kann gegen Mitterer einwenden, dass er sich zu eindeutig auf die Seite Jägerstätters stellt - und doch lässt der Abend in keiner Sekunde kalt, ist voller Herzblut, aber ohne Pathos.

Gerti Drassl begeisterte
Das liegt auch an Gerti Drassl, die Jägerstätters Frau Franziska (sie starb erst heuer, zwölf Tage nach ihrem 100. Geburtstag) mit großer Schlichtheit als innig Liebende zeichnet, eine starke Frau, die ihrem Mann an Kraft und Festigkeit ebenbürtig ist, die um ihn kämpft und in übermenschlicher Anstrengung akzeptiert, dass ihr Mann lieber in den Tod geht, als sich zu verbiegen. Eine beeindruckende Leistung. Rund um die beiden Hauptfiguren agiert ein geschlossenes Ensemble, aus dem Christian Dolezal als stänkernder Großbauernsohn, Michael Schönborn als schwacher Ortsgruppenleiter und Elfriede Schüsseleder als harte Mutter Jägerstätters hervorstechen.

Mohr  wurde Mitterer-Forderungen gerrecht

  Regisseurin Stephanie Mohr hat sich nicht nur an Felix Mitterer Anweisung "Keine Hakenkreuzfahnen, keine Nazi-Embleme, keine Nazi-Uniformen" strikt gehalten, sondern lässt auch Jägerstätters Töchter wie vom Autor gewünscht von Puppen darstellen. Den Chor der Dorfbewohner, mit dem Distanz geschaffen und das Volksstück einen Anflug von griechischer Tragödie erhalten soll, könnte man sich stilisierter, eindringlicher vorstellen - die Geräusch-Sinfonien, die Mohr in manchen Szenen als Klangteppiche auslegt, sind dagegen fabelhaft gestaltet: Stahlwerkambiente, ein ländliches Tierstimmenkonzert oder stures Exerzieren beim Militär wird von den Schauspielern live mit einfachsten Mitteln erzeugt und steht für den gelungenen Versuch, zwischen Realismus und Parabel einen eigenen Weg zu gehen. Und so wirkt auch der mit einfachsten Mitteln wandelbare, mit Holzwänden verkleidete Einheitsraum von Miriam Busch selbst im Samt- und Stuckambiente des Josefstadt-Theaters nicht deplatziert.

"Jägerstätter" als ungehuere Wucht
Bei der zweieinhalbstündigen Aufführung könnte durchaus auf die Pause verzichtet werden, doch auch so erzeugt "Jägerstätter" eine ungeheure Wucht. Nach Axel Cortis vor über drei Jahrzehnten gedrehtem Dokudrama hat Franz Jägerstätter nun auch auf dem Theater ein würdiges Denkmal bekommen, mit dem nicht Heiligenverehrung betrieben, sondern viel Stoff zum Nachdenken geliefert wird. Während das Stück in der Josefstadt erst wieder ab 14. September zu sehen ist, steht "Jägerstätter" von 3. Juli bis 9. August bei dem von Gregor Bloeb geleiteten Theatersommer der Stadt Haag auf dem Spielplan. Respekt für diese mutige Entscheidung. Das Gewissen kennt keine Sommerpause.

Info

"Jägerstätter" von Felix Mitterer, Uraufführung, Regie: Stephanie Mohr, Bühnenbild: Miriam Busch, Kostüme: Alfred Mayerhofer, Musikalische Leitung: Stefan Lasko, Mit: Gregor Bloeb (Franz Jägerstätter), Gerti Drassl (Franziska, seine Frau), Elfriede Schüsseleder (Rosalia, seine Mutter), Michael Schönborn (Oberlehrer, Ortsgruppenleiter), Matthias Franz Stein (Pfarrer Fürthauer), Stefan Lasko (Bürgermeister), Michaela Schausberger (Therese, Mutter des ledigen Kindes von Franz/Bauernmädchen), Peter Scholz (Bischof von Linz), Peter Drassl (Offizier in Enns), Dominic Oley (Dr. Feldmann, Offizier und Anwalt von Franz in Berlin), Christian Dolezal (Vorsprecher des Chors/Bauer). Weitere Vorstellungen im Theater in der Josefstadt erst wieder ab September: 14., 15., 16., 28., 29. und 30.9.; Aufführungen von 3. Juli bis 9. August in Stadt Haag. Karten: www.josefstadt.org; 2013.theatersommer.at.

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