Homeoffice, New Work & „Silver Society“: Was es mit den Megatrends der Arbeitswelt auf sich hat und warum gerade Frauen von der Digitalisierung profitieren können. Ein zukunftsweisender Überblick.
Die 2020er-Dekade wurde von Trend- und Zukunftsforschern noch vor der Corona-Pandemie als Zeit des Umbruchs prophezeit, das Virus scheint gesellschaftliche wie auch berufliche Veränderungen jedoch noch mehr zu beschleunigen. In diesem Zusammenhang wird zwischen Trends und Megatrends unterschieden: Erstere sind Veränderungsbewegungen, die z. B. auch in Mode oder Kulinarik auftauchen und nur kurzfristige Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Megatrends hingegen sind tiefe und nachhaltige Strömungen, die sowohl Gesellschaft als auch Wirtschaft langfristig prägen. Darunter fällt u. a. die Digitalisierung. Mit einer digitalisierten Arbeitswelt konnten bis zur Pandemie vergleichsweise wenige Unternehmen etwas anfangen. Homeoffice-Tage waren eher eine sondergenehmigte Ausnahme und virtuelle Meetings bedurften schon besonderer Umstände, um auf der Agenda zu stehen.
Globale Transformation. Doch mit dem Lockdown und der pandemiebedingten Gesamtsituation mussten viele Firmen rascher als vielleicht gewollt umdisponieren. Es ist also wenig verwunderlich, dass in diesem Jahr die Schlagworte „New Work“ oder „agiles Arbeiten“ boomen. Das in Deutschland angesiedelte Unternehmen New Work SE (zu dem auch die Networking-Plattform Xing gehört) brachte vor wenigen Wochen ein auf Expertengesprächen basierendes Thesenpapier heraus, in dem mehrere Trends zur Neuordnung der Arbeitswelt in den Fokus gerückt wurden.
Notwendiges Umdenken. Allen voran prognostizieren die Forscher rund um „New Work“-Begriffsbegründer Frithjof Bergmann (siehe Kasten oben) ein „Ende der Bullshit-Jobs“. So würde Statistiken zufolge ein Viertel der Arbeitskräfte in Industrieländern keinen Sinn in ihren aktuellen beruflichen Tätigkeiten sehen. Der Stillstand hätte bei ihnen den Wunsch nach neuer Bedeutung nur befeuert, weshalb nun vor allem Unternehmen und Führungskräfte gefordert seien, einen Strukturwandel einzuleiten und für Mitarbeiter neue Anreize zu schaffen. Dieser könne eventuell auch durch den Megatrend „Neo-Ökologie“ (siehe Kasten links) befeuert werden, der mit der Mission des nachhaltigen Wirtschaftens neue Ideen und Businessmodelle erfordert, aber gleichzeitig auch sinnstiftend ist und bisher ungenutzte Märkte erschließen würde. Selbstverständlich spielt das Stichwort Homeoffice im Trendpapier der New-Work-SE-Forscher ebenfalls eine große Rolle. So müsse der Arbeitsplatz flexibler werden, da Menschen unterschiedliche Arbeitsphasen hätten und bevorzugt und auch statistisch bestätigt mehr Leistung in weniger Zeit packen würden.
Potenzial. Der Wandel der Branche ist unaufhaltsam und legt laut Studien auch eine notwendige Requalifizierung vieler Menschen an den Tag. So würden knapp 30 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland neue Kompetenzen brauchen. Dementsprechend müsse auch das Bildungssystem dahin gehend angepasst werden. Doch das Bewusstsein für dieses Bedürfnis bildet eine Chance, von der vor allem Frauen profitieren können. Nicht nur befördern laut einer Studie der Unternehmensberatung Accenture klassische digitale Kompetenzen die Karrierechancen von Frauen viel stärker als jene von Männern, darüber hinaus scheinen die Voraussetzungen der digitalisierten Arbeitswelt in ihrem Bedarf geschlechtlich ausgewogener. So sind aus den zehn vom World Economy Forum gelisteten „Skills for the Future“ mindestens die Hälfte typisch weiblich. Unterhaltsame, aber auch faktisch untermauerte Erkenntnisse aus „Digitalien“ liefert etwa Autorin Michaela Ernst in ihrem Buch „Error 404“ (siehe Kasten unten). Denn die Herausforderungen der schönen neuen Welt sind nicht unüberwindbar, sondern vielmehr sogar beruflich bzw. persönlich bereichernd.
Sieben Tipps für eine Karriere in „Digitalien“
1. Seien Sie sich Ihrer Stärken bewusst!
Die Voraussetzungen sind da. Mädchen haben öfter Matura als Jungs und außerdem bei den Hochschulabschlüssen die Nase vorn. Dieses/Ihres Vorsprungs sollten Sie sich bewusst sein. Laut einer Studie des Technologiedienstleisters Accenture erreichten Frauen in 16 von 31 untersuchten Ländern ein höheres Bildungsniveau als Männer, weil sie es u. a. verstanden, digitale Technologien besser zu nutzen. Aber hallo liebe Männer, wenn das mal keine Bedrohung ist!
2. Setzen Sie aufs neue Wir!
Teamwork Makes The Dream Work. Zusammenarbeit, Vergemeinschaftung, vernetztes Denken, Verbindlichkeit, Verbundenheit und lösungsorientiertes Denken sind die Skills, die in einer digitalen Welt gefragt sind – weil die Komplexität der Dinge dermaßen gestiegen ist, dass man mit
Einzelkämpfertum heute nicht sehr weit kommt. Alles Eigenschaften, die Frauen, aufgrund der ihnen jahrhundertelang zugeschriebenen Rolle, bis zur Perfektion trainieren konnten.
3. Lassen Sie sich nicht entmutigen!
Angebot und Nachfrage. Reden Sie sich bloß nicht ein, dass Sie einen Job im IT- und Technikbereich nicht bekommen würden, weil sie eine Frau sind. Im Gegenteil – kaum eine zweite Branche sucht so händeringend vor allem nach weiblichen Mitarbeitern. Allein in Österreich fehlen (insgesamt) 15.000 Fachkräfte aus dem IT-Bereich, in Deutschland sind es sogar mehr als 120.000. Es gibt also viel Arbeit!
4. Arbeiten Sie an Ihrem Mindset!
Step by step. Oft steht man sich selbst im Weg, weil das Handeln den falschen Lauf nimmt. Vergraben Sie Ihre Ideen und Ihr Wissen nicht, sondern teilen Sie diese mit anderen. Holen Sie sich Mitstreiter an Bord, suchen Sie sich Unterstützer, schließen Sie sich Netzwerken an. Und vergessen Sie nicht: Fehler sind da, um gemacht zu werden, sonst würden wir nicht aus ihnen lernen.
5. Bilden Sie sich weiter!
Der Mensch ist nie ausgelernt. Selbst wenn Sie bereits top-ausgebildet sind, sollten Sie nicht auf der Stelle treten. Das digitale Universum ermöglicht großartige Learning-Methoden, egal, ob es um Sprachen, die Vertiefung spezieller Kompetenzen oder berufsbegleitende Studien geht. Das macht sich nicht nur in ihrem Lebenslauf gut, sondern erweitert generell die Art zu denken. Außerdem hält es die innere Bereitschaft zur Flexibilität am Leben – eine der allerwichtigsten Anforderungen in „Digitalien“.
6. Greifen Sie zu!
Spielerisch zum Erfolg. Zweifeln Sie nicht an Ihren Möglichkeiten und Talenten, wenn Ihnen ein beruflicher Um- oder Aufstieg in Richtung IT nahegelegt wird. Aufgrund Ihres „spielerischen“ Zugangs nehmen
digitale Applikationen viel mehr Menschen durch den beruflichen Wandel mit, als dies bisher der Fall war – Stichwort „Gamification von Arbeit“. Außerdem ist die Zufriedenheit von Frauen in technischen Jobs, laut Studien, erheblich höher als in anderen Sparten (84 %).
7. Denken Sie ans Geld und Ihren guten Ruf!
Das Potenzial einer Branche. Frauen in technischen Berufen verdienen durchschnittlich besser als Frauen in anderen Branchen. Und: Je näher man an der Technik sitzt, desto mehr Prestige genießt man im Unternehmen. Wenn das also keine Argumente sind …
BUCHTIPP: „Error 404 – wie man im digitalen Dschungel die Nerven behält“ von Michaela Ernst, erschienen bei ecowin, um 22 Euro.
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