Neues Buch

Angela Straßburger: Die Aufräum-Expertin im Talk

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Langfristiger Ordnung steht oft Überforderung im Weg. In ihrem neuen Buch erzählt Expertin Angela Straßburger, wie sie es geschafft hat, innere und äußere Ordnung zu schaffen und gibt wertvolle Aufräum-Tipps. 

Man kommt nach Hause, setzt sich kurz auf die Couch, nimmt das Handy in die Hand – und plötzlich sind zwei Stunden vergangen und nichts ist aufgeräumt. Warum uns das immer wieder passiert, hat sich Mentalcoachin Angela Straßburger gefragt und die seideinzuhause-Methode entwickelt, mit der sie über Social Media jedes Monat eine Million Menschen erreicht und sie auf ihrem Weg zu langfristiger Ordnung begleitet. Ihr Wissen hat die deutsche Mutter von drei Söhnen jetzt in dem Buch „Weniger Zeug, mehr Freiheit“ niedergeschrieben und erklärt darin den Zusammenhang von Stress, Überforderung und Chaos. Gleichzeitig liefert sie auch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für ein aufgeräumtes und organisiertes Zuhause

© mvg Verlag
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Sie haben die seideinzuhause-Methode entwickelt. Können Sie das kurz erklären?
Angela Straßburger:
Das ist, was es auch sagt: Sei dein zu Hause. Nicht nur im Außen, sondern auch im Innen. Letztendlich ist es auch dieser Hauch von: Dein Zuhause zeigt dir, was du innen bist und was du innen verkörperst. Daher kommt es, weil ich der Meinung bin, dass wir unser eigenes Zuhause sind und nach außen tragen können, wie wir uns fühlen.

Wie sind Sie zu der Erkenntnis gekommen, dass die Psyche beim Aufräumen eine so große Rolle spielt?
Straßburger:
Ich habe das bei mir selbst gemerkt, als ich damals angefangen habe. Das war ein Chaos. Ich habe mit der Kommode im Schlafzimmer angefangen und alles herausgeholt. Dann saß ich da und habe überlegt: Was behalte ich? Was kommt weg? Wie entscheide ich das und wieso ist das gerade so schwer? Ich habe auch die Zeit, die ich mir dafür vorgenommen habe, komplett falsch eingeschätzt. Die Zeit war abgelaufen, ich saß mit dem Riesenberg da und wusste nicht, was ich mit den Sachen machen soll, die ich nicht behalten will. Es stand eine Woche herum und ich habe gemerkt, das ist nicht der richtige Ansatz. Ich dachte, ich könnte mich mal fragen, was ich eigentlich möchte und warum ich das möchte und was es mit dem zu tun hat, wie ich mich in meinem Leben fühlen möchte. Also nicht nur in meinem Zuhause, sondern auch in mir und so hat es angefangen. Es sind gelebte Erfahrungen gewesen.

Ihr neues Buch heißt „Weniger Zeug, mehr Freiheit“. Warum bringt uns weniger Zeug mehr Freiheit?
Straßburger:
Wenn wir uns anschauen, woher der Wunsch nach Ordnung kommt, wollen wir nicht aufräumen und ausmisten, damit es schön ist, sondern wir wollen immer ein Bedürfnis dahinter befriedigen. Wir wollen ein Gefühl bekommen, von dem wir uns mehr in unserem Leben wünschen. Das ist in den meisten Fällen Wohlbefinden, innere Ruhe und mehr Leichtigkeit.

Wie trägt die äußere Ordnung zu innerer Ruhe bei?
Straßburger:
Die äußere Ordnung mit freien Flächen hat Auswirkungen auf unser Nervensystem. Sie bringt uns Ruhe, sie kann uns unheimlich viel Klarheit zurückgeben und, was ich in den letzten Jahren mit so vielen Menschen, die ich begleiten durfte, immer wieder festgestellt habe: Je mehr ich an materiellen Gegenständen ausmiste, sie in die Hand nehme und schaue, will ich das haben, brauche ich das, desto mehr beschäftigen wir uns mit uns. So lernen wir, nicht nur leichter loszulassen, sondern auch Grenzen für uns zu entdecken. Grenzen, die wir davor vielleicht noch nicht bewusst wahrgenommen haben. Das kann zu unheimlich viel innerer Freiheit führen.

Auszumisten ist wichtig. Aber wie trennt man sich beispielsweise von Erbstücken, die man zwar überhaupt nicht braucht, aber an denen man hängt?
Straßburger:
Nicht jedes Erinnerungsstück muss man ausmisten, man muss nicht alles loslassen, nur weil es alt ist und man es nicht braucht. Ich finde, es gibt kein richtig und falsch. Für jeden bedeutet Ordnung etwas anderes. Wichtig ist, zu schauen: Was belastet mich? Und wenn mich etwas belastet und ich spüre, eigentlich möchte ich das nicht haben, wieso halte ich noch daran fest? Wenn es sich um ein Erbstück handelt, mit dem ich nichts anfangen kann, könnte ich überlegen, welche Erinnerungen es hervorbringt und vielleicht einen wertschätzenden Platz finden.

Was empfehlen Sie als ersten Schritt, wenn man beginnt aufzuräumen?
Straßburger:
Ich habe das Raum-für-Raumsystem ins Leben gerufen, weil ich festgestellt habe, dass die meisten Menschen nicht wissen, wie sie anfangen. Die meisten fangen dann gar nicht oder komplett durcheinander an und bleiben nicht dran, weil es überfordernd ist. Im Raum-für-Raumsystem ist der erste Schritt immer, sich die Frage zu stellen: Was will ich eigentlich? Das machen wir auch, wenn wir irgendwo hinfahren wollen. Wir müssen ja wissen, wohin es geht, um anzukommen. Genau das ist der erste Schritt, zu sagen: Wie möchte ich mich fühlen? Wie sollen meine Schränke aussehen?

Wie geht es dann weiter?
Straßburger:
Wenn wir das festgelegt haben, kommen wir in den Raum. Wir starten links neben der Tür. Was auch immer passiert, was auch immer dort steht, sei es ein Korb oder ein Regal oder ein Schrank, von hier starten wir, weil wir einen Anhaltspunkt brauchen und einen Rahmen brauchen. Es ist in uns drinnen, im Uhrzeigersinn vorzugehen. Das ist organisch für uns, weil wir das in Spielen von Kindheit an so gemacht haben.

Sie beschäftigen sich nicht nur mit dem Vorgang des Aufräumens, sondern auch mit Gründen, die uns aufhalten. Was hindert uns am Aufräumen?
Straßburger:
Wir können es auf zwei Ebenen betrachten. Wie entsteht bei uns die Verhaltensweise, die Situation, durch die wir uns im Chaos wiederfinden? Die eine Ebene ist Prägung, die wir erlebt haben, wie wir aufgewachsen sind. Die andere Prägung ist unsere Persönlichkeit. Es gibt Menschen, denen liegt es eher, für die ist es von Geburt an einfacher. Aber das ist keine Ausrede. Es gibt kein „Ich bin nicht der Typ dafür“.

Stehen uns auch unser Alltag und Stress im Weg?
Straßburger:
Unsere Gesellschaft und was wir leisten, sind riesengroße Faktoren. Also viel Stress, viel Leistungsdruck und Druck auch auf mentaler Ebene führen dazu, dass wir uns müde fühlen, erschöpft, ausgelaugt und überfordert. Wenn wir nicht wissen, wie wir den Stress lösen können, wenn wir für uns keinen Ausgleich in unserem Leben schaffen, geraten wir in eine Stress-Chaos-Spirale. Das kennt jeder: Ich komme nach Hause, ich hatte mal wieder einen supervollen Tag, ich gehe aufs Sofa und dann komme ich nicht mehr hoch. Ich fange an zu scrollen, drehe nebenbei noch eine Serie auf.

Warum kommt man nicht mehr hoch, wenn man mal anfängt zu scrollen und legt das Handy nicht einfach weg?
Straßburger:
Das ist das Freeze-Überlebensmuster. Der Körper versucht zu kompensieren, zu regulieren. Was er eigentlich braucht, ist Energie im Sinne von Erholung. Aber wir merken nicht, dass dieses Scrollen nicht für Erholung sorgt. Eigentlich sorgt für Erholung, zu schauen, womit man Stress lösen kann. In die Ruhe zu gehen.

Wie kommt man aus dieser Spirale wieder heraus?
Straßburger:
Erkennen ist der erste Schritt und dann eine Entscheidung zu treffen. Das hat etwas mit Disziplin zu tun. Aber nicht die Disziplin, die wir vielleicht kennen, sondern eine liebevolle Disziplin, die uns nicht unter Druck setzt. Das ist zu sagen: „Wenn ich jetzt noch eine Stunde weiterscrolle, fühle ich mich richtig schlecht.“ Der Stresspegel bleibt gleich. Der erste Schritt ist, das zu erkennen und dann in die Mobilisierung zu gehen, das Nervensystem zu regulieren. Das bedeutet, ich muss mal anfangen, mich zu bewegen. Was wir da machen, heißt nicht umsonst Freeze. Das kann manchmal einfach sein, ein Glas Wasser vom Tisch zu nehmen. Dann können wir anfangen, uns Raum zu schaffen, das alles mal abzuschütteln. Es gibt viele somatische Übungen, die wir machen können.

Zu Ihnen kommen mehr Frauen als Männer. Liegt es daran, dass Frauen eher erkennen, wann sie Unterstützung brauchen?
Straßburger:
Es liegt auf jeden Fall auch daran. Aber natürlich ist es immer noch so, dass, gerade wenn man Kinder bekommt, die Frauen häufiger zu Hause sind. Sie haben nicht nur die Kinder, die Care-Arbeit, sondern auch den Haushalt und den ganzen Mental Load. All die Aufgaben, die man nicht sieht, die aber trotzdem da sind. Das ist manchmal das Anstrengendste, wenn man alles koordinieren muss, das Gefühl hat, all die Last der Familie liegt auf einem. Einige Studien, allerdings nicht alle, zeigen, dass grundsätzlich das Nervensystem von Frauen mehr auf Unordnung reagiert.

Wie lassen Männer sich davon überzeugen, mitzumachen? Stoßen Sie bei ihnen erst einmal auf viel Widerstand?
Straßburger:
Bei den meisten ist eine große Skepsis da. Ich sage immer, man kann nicht erwarten, dass ich entscheide, es wird aufgeräumt und ausgemistet und der Partner macht es dann, obwohl er gar nicht an diesem Punkt ist. Jeder hat seine eigene Lebensrealität, was ihn gerade beschäftigt, was gerade wichtig ist. Jeder sieht das Leben, auch das Zuhause, durch eine andere Brille. Ich vergleiche das mit zwei Wegen. Ich habe die Entscheidung getroffen, Ordnung zu machen und laufe jetzt auf meinem Weg. Da ist alles grün und es gibt Schmetterlinge am Bach, es duftet so schön. Ich sehe meinen Mann auf der anderen Seite im Industriegebiet. Da ist es dreckig und stinkt. Ich rufe die ganze Zeit, er soll rüberkommen. Er sieht aber kein Industriegebiet und fühlt sich wohl. Ich rate, pragmatisch darüber zu sprechen, was man sich wünscht, statt mit dem Finger darauf zu zeigen, was der andere falsch macht. Man muss dem anderen Raum lassen, um hineinzuwachsen.

Ein Punkt ist auch oft das Kinderzimmer. Wo setzt man da an?

Straßburger: Ich habe drei Kinder und jedes ist anders. Sie befinden sich in verschiedenen Lebensphasen und haben unterschiedliche kognitive Fähigkeiten. Wenn sie jünger sind, kann es beängstigend sein, auszumisten. Mit diesem Endgültigen können sie noch nicht richtig umgehen. Da rate ich, eine Rotationskiste einzuführen. Diese Kiste ist irgendwo, wo das Kind sie nicht sieht. Meistens ist es aus den Augen, aus dem Sinn. Es geht nur darum, in dem Moment, die Angst zu nehmen. Was ich von Anfang an gemacht habe, ist zu erklären, warum wir das machen, welche Vorteile es hat, wenn wir nicht so viel Ballast mit uns herumschleppen. Je nach Alter ist es für die Kinder mal klarer und leichter, und dann gibt es Phasen, in denen sie mehr festhalten. Ich denke mir, ich will ihnen das nicht beibringen, damit es jetzt perfekt läuft, ich will ihnen die Werkzeuge in die Hand geben, mit denen es später klappt.

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