Interview

Mavie Hörbiger als deutsche Kanzlerin im Kino

Was passiert, wenn Frauen die Macht übernehmen? Das zeigt Mavie Hörbiger in der Satire „Die geschützten Männer“. Im Interview spricht die Schauspielerin über den Film, Feminismus und Macht. 

Als Oppositionspolitikerinnen der feminis­tischen Partei FEM haben Sarah Bedford (Mavie Hörbiger) und Anita Martinelli (Britta Hammelstein) große Ziele und ebenso große Ideale. Ihre Chance ist gekommen, als während des Wahlkampfs ein neuartiges Virus ausbricht, das nur Männer befällt. Die Symptome: sexuelle Raserei, Übergriffe auf Frauen und schließlich der Tod. Auch der Bundeskanzler wird vom Virus dahingerafft und die Frauen kapern, angeführt von Sarah, die Regierung. Schnell zeigt sich, dass nicht alle Frauen an einer Rettung der Männer interessiert sind und mit der neuen Macht in ihren Händen umgehen können ...

Romanvorlage

Das Drehbuch für den Film, der in den deutschen Kinos bereits 2024 gelaufen ist und beim Tallinn Black Nights Film Festival ausgezeichnet wurde, stammt von der Filmschaffenden Irene von Alberti (62), die auch Regie geführt hat. Die Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Roman von Robert Merle aus dem Jahr 1974. Schauspielerin Mavie Hörbiger (45) war von dem Projekt sofort begeistert. Im MADONNA-Interview spricht sie über den Film, die Gefahren der Macht und über den Feminismus damals und heute.

Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie das Drehbuch bekommen haben?
Mavie Hörbiger:
Ich fand es wahnsinnig lustig und außergewöhnlich. Ich wusste auch, dass die Filmgalerie 451 den Film macht. Ich bin ein großer Fan von denen, weil sie nur tolle Filme machen und für ihren Verleih auswählen. Als ich erfuhr, dass Irene von Alberti den Stoff selber umsetzt, war für mich klar, dass ich unbedingt dabei sein möchte.

Der Film heißt „Die geschützten Männer“ – wovor muss man Männer schützen?
Hörbiger:
Wahrscheinlich vor sich selber. Vor ihren kruden Meinungen und Ansichten.

Die Geschichte erzählt von einer Umkehr der Rollen von Mann und Frau. Die Frauen machen es dann in dem Film aber auch nicht besser. Denken Sie, das wäre in der Realität
auch so?
Hörbiger:
Der Film ist eine Satire. Es ist alles sehr überzogen. Im wahren Leben denke ich natürlich ganz anders darüber. Da dürfte so etwas nicht passieren, wenn man schon die Chance bekommen würde, endlich am großen Hebel zu sitzen.

Sarah gehört einer sehr idealistischen Partei mit großen Hoffnungen an. Wir haben schon erlebt, dass auch die idealistischen Parteien viel über Bord geworfen haben, als sie am Zug waren.
Hörbiger:
Macht ist Macht, das zeigt auch der Film. Mit Macht umzugehen, scheint wahnsinnig schwierig zu sein, weil die meisten scheitern. Die feministische Partei in dem Film ist in sich schon gespalten, weil es verschiedene Ansichten gibt. Es gibt die ältere Fraktion, die mehr mit der Natur verbunden ist. Dann gibt es Sarah, meine Figur, die durchaus Radikale, und natürlich auch die Gemäßigten. Die verschiedenen Strömungen des Feminismus werden in dieser Partei gezeigt, die den Namen FEM hat.

"Die geschützten Männer" mit Mavie Hörbiger

Denken Sie, Macht verdirbt die Menschen?
Hörbiger:
Wahrscheinlich. Das ist schon in vielen Märchen so und zieht sich durch die Weltgeschichte. Von „Des Kaisers neue Kleider“ bis „Lady Macbeth“ scheint Macht etwas zu sein, das korrumpierbar macht. Ich bin – Gott sei Dank – in keiner Machtposition. Deswegen habe ich mir die Frage noch nicht so gestellt.

Sie werden dann unverhofft zur Bundeskanzlerin.
Hörbiger:
Ja, eine Österreicherin als Bundeskanzlerin in Deutschland. Auch undenkbar, eigentlich.

Haben Sie darüber nachgedacht, wo Sie anfangen würden, wenn Sie so viel verändern könnten?
Hörbiger:
Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich bin auch weit davon entfernt, Bundeskanzlerin der Republik Deutschland zu werden oder werden zu wollen. Es gibt viel zu verändern und ich habe großen Respekt vor den Frauen in der Politik. Wie Veronika Kaup-Hasler, die so viel Gutes für die Kunst und Kultur macht.

Was war für Sie das Spannende an Ihrer ­Figur Sarah?
Hörbiger:
Ich glaube, dass ich so ein richtiges Arschloch spielen konnte. Es sind meistens die Figuren der Männer, die solche Entgleisungen hinlegen dürfen wie ich mit der Figur. Deshalb war es für mich eine sehr spannende und sehr männliche Figur, was mir großen Spaß gemacht hat.

Der Film basiert auf einem Buch aus dem Jahr 1974. Wie hat sich der Feminismus seither verändert?
Hörbiger:
Ich glaube, er hat sich sehr verändert, weil er viel mehr Frauen miteinbezieht. Was damals auch der Versuch der Feministinnen in den 60er- und 70er-Jahren war. Sie sind aber auf ­härteren Widerstand gestoßen als wir heute. Daher habe ich auch großen ­Respekt davor. Meine ganze feministische Literatur und meine feministische Erziehung kommt über meine Schwiegermutter, die eine in den 60ern geprägte Feministin ist und mir peu à peu ihre gesamte Literatur vererbt. Das ist ein herrlicher Schatz verschiedensten Wissens. Es gibt schöne Gespräche zwischen mir und ihr.

Ist der Feminismus heute vielfältiger?
Hörbiger:
Es war schon immer vielfältig. Es wird nur mehr erkannt oder gesehen. Es gibt so viele verschiedene Strömungen, auch schon seit den 60er-Jahren. Ich glaube, im Denken und im Wissen der Normalfrau ist mehr angekommen, dass es angenehm wäre, wenn wir gleiche Rahmenbedingungen, gleiche Rechte und auch gleiche Verdienste hätten wie Männer.

Der Film endet mit einer Utopie. Wie stellen Sie sich die Utopie vor?
Hörbiger:
Ich stelle mir immer die Utopie des Theaters vor, in der der Kanon der alten Weltliteratur gleichauf läuft mit neuen Stimmen, was jetzt langsam funktioniert, und alle ein Mitspracherecht hätten. In der egal ist, welches Geschlecht oder welche Hautfarbe du hast und trotzdem alles spielen kannst. Aber die Utopie der Welt – ich glaube, wir befinden uns gerade mehr in einer Dystopie. Deswegen ist es schwierig, an eine Utopie zu denken. Ich versuche, erst einmal die Dystopie zu verarbeiten.

Sie drehen wenige Filme. Überlegen Sie sehr genau, was Sie annehmen?
Hörbiger:
Ich kriege als Frau in meinem Alter gar nicht so viele Angebote. Ich drehe unheimlich gerne und würde wahrscheinlich auch mehr drehen. Ich suche es mir schon aus. Aber die Angebote werden für eine Frau in meinem Alter immer dünner. Das ist ein Fakt.

Wird es besser?
Hörbiger:
Ich finde nicht. Ich sehe es an mir, da geht es gerade los. Es ist krass, wie hart um ein paar kleine Rollen, die es gibt, gekämpft wird. Ich würde mich freuen, wenn man mehr Geschichten aus der Sicht einer mittelalten Frau erzählen würde.

Neu im Kino:
© Filmgalerie 451

„Die geschützten Männer“ ist in Deutschland schon gelaufen. Was kamen für Reaktionen?
Hörbiger:
Ganz verschiedene. Auch von Frauen, von älteren Feministinnen, die sagen: „So kann man das nicht machen“ oder „So ist das super“. Die Meinungen gehen auseinander. Das macht es spannend. Ich bin sehr, sehr gespannt auf Österreich und ich freue mich darauf. Ich glaube, es kann in einer Stadt wie Wien gut funktionieren und ich hoffe, dass sich viele diesen kleinen Arthouse-Film anschauen und vielleicht mit uns dar­über lachen werden.

Wie reagieren Männer auf den Film?

Hörbiger: Erstaunlich gut. Besser als so manche Frauen, die sehr verärgert waren. Wir haben auch eine kleine Kinotour gemacht, wo im Anschluss Gespräche angeboten wurden. Es gab die verschiedensten Reaktionen von Frauen und Männern, die in unterschiedliche Richtungen geknallt sind.

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