And just like that gibt es ein Wiedersehen mit „Sex & the City“. Die Aufregung ist riesengroß. Nur leider fehlt eine Figur im phänomenalen Freundschaftsquartett.
And just like that…
Sie sind wieder da. Einfach so. Die Frauen von New York, die Freundinnen fürs Leben, mit denen so manche von uns erwachsen geworden ist. Zum einen Carrie, deren Stimme uns durch die Episoden leitet, die Schreiberin mit dem verwuschelten Lockenkopf, die Weinglas-haltend bedeutungsschwangere Sätze über die Liebe in ihren Laptop tippt. Ihre Freundin Miranda, eine zynische Anwältin, die ihre Freundinnen von der rosaroten Wolke wieder auf den Boden der Tatsachen holt und die perfekte Charlotte, die einfach, endlich gerne Mr. Perfect finden würde, um endlich Mrs. Perfect zu werden. Vier Freundinnen, die auf Cocktailpartys und beim wöchentlichen Brunch Männer, Sex und die Liebe diskutierten.
Keine Samantha
Moment, vier? Da fehlt doch eine. Ganz richtig, die vierte im Bunde. Samantha Jones. Die blonde PR-Beraterin, die personifizierte Sex-Bombe. Samantha war allzeit, immerzu und überall bereit. Ob in der Yogastunde oder in einer Bar, ihrer Firma oder einer Cocktailparty. Samantha Jones senkte den Blick, öffnete zwei weitere Knöpfe in ihrer ohnehin schon sehr offenherzigen Bluse, ließ einen anzüglichen Spruch verlauten und zack – sie hatte sie. Alle Männer waren ihr verfallen. Aber Samantha war aber nicht nur diejenige, die sich genüsslich durch die New Yorker Männerwelt kostete, sie gab auch gute Ratschläge. Ratschläge, an die sich Frauen – damals wie heute – klammerten. „Der perfekte Mann ist eine Illusion. Leb dein Leben“, sagt sie beispielsweise flapsig. Und: „Wenn es mich kümmern würde, was jede Frau New Yorks über mich sagt, würde ich niemals das Haus verlassen.“ Ja, Samantha war vielen Frauen ein Vorbild. In sechs Staffeln der Kult-Serie und zwei Kinofilmen flanierten Samantha (Kim Cattrall) und Carrie (Sarah Jessica Parker) Arm in Arm durch die Straßen Manhattans. Privat sieht es allerdings ganz anders aus. Die beiden „Freundinnen“ können sich so gar nicht leiden. Weshalb Kim Cattrall auch eine Rückkehr von Samantha Jones ausschlug.
Unvorstellbar?
Reisende soll man nicht aufhalten. Kim Cattrall hat bereits im Vorfeld mehrmals verlauten lassen, dass sie keinesfalls für ein Wiedersehen mit den vier Freundinnen zu haben ist. Den "Sex and the City"- Fans brach das Herz. Eine ganze Staffel ohne Samantha, ohne ihre anzüglichen Anmachsprüche, die keinen Raum für Interpretation lassen und ihre Lebensweisheiten, die sie ihren Freundinnen wahlweise zum Spiegelei oder Cosmopolitan-Cocktail serviert. „Richard, ich liebe dich, aber ich liebe mich sehr“, sagte Samantha eines Tages vollkommen atemlos, streifte den Ring vom Finger und ging. Und wir hielten vor den Bildschirmen versammelt den Atem an. Wow, was für eine starke Frau.
Eine Kurzgeschichte
„Manche Liebesgeschichten sind keine epischen Romane. Manche sind Kurzgeschichten. Aber deswegen sind sie nicht weniger erfüllt mit Liebe“, tippt Carrie eines Abends – im Lotussitz an ihrem Fenster sitzend – verwegen in ihren Laptop, den sie auf den Knien balanciert. Ja, "Sex & the City" war eine Kurzgeschichte. Auch wenn sie sich über sechs Staffeln zieht. Vier Frauen, die in New York ihr Leben leben und dabei über gute und schlechte, wunderbare und ganz unmögliche Männer stolpern. Für die weibliche Revolution und die sexuelle Befreiung der Frau, war Samantha Jones in den beginnenden 2000er-Jahren unabdingbar. Samantha, die – nachdem sie betrogen wurde – ganz New York mit Plakaten tapezierte, die jenen Betrüger zeigten. Samantha Jones lässt sich von nichts und niemandem etwas gefallen. Abseits ihrer sexuellen Offenheit, ist sie die personifizierte Power-Woman, die nicht nur mit ihren knalligen und schrillen Outfits Schwung und Pep in die Serie brachte.
Und wenn sie nicht gestorben sind…?
Es ist immer dasselbe Lied. Der heißersehnte Kuss, das endlich eingegangene Commitment, die Hochzeit, der Antrag, der positive Schwangerschaftstest. Dann läuft der Abspann über die glücklichen Gesichter und wir bleiben verwundert zurück. Und jetzt? Die End-Szene aus "Sex and the City" ist wohl jedem bekannt. Obwohl Mr. Big keinesfalls der Richtige für Carrie war, obwohl er eigentlich ein Fuck-Boy par excellence war, ruft er am Ende an. Und Carrie ist selig. Wie aber ging es weiter? Aus den Filmen wissen wir, dass Carrie Mr. Big – der John heißt – geheiratet hat, dass sie ihre zweite große Liebe Aiden am anderen Ende der Welt wieder getroffen hat, dass Charlotte und Miranda Mütter und Samantha immer noch Single ist.
Was jetzt?
Dinge verändern sich. Die Welt verändert sich. Darüber, dass „Sex and the City“ nicht mehr zeitgemäß ist, müssen wir wohl nicht diskutieren. Zu weiß, zu reich, zu kapitalistisch, alle vier Frauen sind ungeheuer erfolgreich und welchen Goldbarren bekam Carrie denn eigentlich bitte für eine tägliche Kolumne, wenn sie sich damit ein hippes Appartement und tonnenweise Schuhe leisten konnte? Auch in unseren Köpfen hat sich so einiges getan. In den vergangenen Jahren entstand der Hashtag #wokecharlotte, eine gewissermaßen aufgeklärte Charlotte, die ihren Freundinnen Paroli bietet und nicht mehr nur nach einem passenden Monogramm und einer Teilzeitstelle strebt. Immer mehr hat sich die zynisch und pragmatische Miranda zu unserem Vorbild entwickelt. Die auch einmal von einem Brunch mit ihren Freundinnen resolut aufsteht, sich die Mütze über die Ohren zieht und sagt: "Ruft mich an, wenn ihr über etwas anderes reden wollt als Männer." Ganz genau, denn Männer sind wahrlich nicht das Zentrum unseres Lebens, auch wenn sie das selbst gerne hätten...
Erwachsen werden
„Sex and City“ muss erwachsen werden. Das ist der Anspruch. Dann braucht es keine Samantha Jones, die als stereotypische Sex-Bombe, ein selbstbestimmtes Leben führt. Erwachsen waren die vier Frauen schon damals. Keine Mitzwanziger mehr, die sich zwischen College und Studentenjobs über Wasser halten, die in miesen Heimen auf noch mieseren durchgelegenen Matratzen schlafen und beim Sex eine Socke an die Tür hängen. Nein, Carrie und ihre Freundinnen standen mitten im Leben. Jetzt sind die New Yorkerinnen Mitte 50. Vieles hat sich in den letzten Jahren verändert: Technologie und Social Media – in unserer Zeit wäre Carrie längst schon Fashion-Bloggerin und könnte sich als Influencerin wirklich ihr Luxusleben leisten. Aber auch andere Ereignisse und Bewegungen haben die letzten 20 Jahre geprägt. Politisches Desinteresse, wie es Samantha noch lebte und praktizierte, ist heutzutage wohl nicht so charmant. „Ich glaube nicht an die republikanische oder die demokratische Partei. Ich glaube einfach nur an Parties.“ Nun ja…
Ein bisschen Samantha
Dass Samantha Jones bei den neuen Folgen nicht dabei sein wird, haben wir immer noch nicht ganz verdaut. Auch Sarah Jessica Parker bedauert dies auf Instagram. Umso wichtiger ist es, dass der Samantha- Funken jetzt in allen drei Ladies steckt. Dass alle drei den Samantha-Spirit so verkörpern, dass ihr Fehlen nicht so augenscheinlich ist. Hoffen wir, dass in all den drei Ladies ein bisschen Samantha steckt und dass es sogar Miss Perfect Charlotte verstanden hat: „Der perfekte Mann ist eine Illusion. Lebt euer Leben.“
Fragen über Fragen.
Wir sind gespannt. Und erwarten mit Vorfreude die zehn neuen Folgen „Sex and the City.“ Hat Charlotte Karriere gemacht? Die taffe Miranda ihren Anwaltsposten an den Nagel gehängt und kocht jetzt in mit geblümter Schürze Marmelade? (Bitte nicht!) Wurden Designerklamotten jemals unwichtig und hat Carrie es endlich geschafft, sich gesund zu ernähren? Die alles überstrahlende Frage aber, die auch die Autorin der Original-Kolumne, Candace Bushnell stellt, lautet: „Is there still sex in the City?“ Um dies zu beantworten heißt es erstmals: Abwarten. Und uns – aus nostalgischen Gründen – einen Cosmopolitan Drink zu mixen...