16 Frauen wurden im ersten Halbjahr in Österreich ermordet – das ist ein Anstieg gegenüber den Jahren zuvor. Dabei passieren diese und andere Gewaltdelikte meist in den eigenen vier Wänden. Was dahintersteckt.
Eine von drei Frauen weltweit erfährt mindestens einmal in ihrem Leben physische oder sexuelle Gewalt. Und: Zwei von drei Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, haben dies innerhalb der eigenen Familie erlebt. Diese erschreckenden Zahlen veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation WHO. Österreich ist hier keineswegs eine Insel der Seligen – das zeigte erst vor zwei Wochen der brutale Mord an einer 20-jährigen Salzburgerin: Irene P. wurde mit drei Schüssen in ihrer eigenen Wohnung getötet. Noch läuft die Fahndung nach ihrem Mörder auf Hochtouren: Die Vorgangsweise spricht jedenfalls für eine eiskalt geplante Exekution, einen Racheakt gegen die junge Frau und die Spur führt ins Salzburger Drogenmilieu. Doch denkbar ist auch ein Mord aus Eifersucht – wobei zumindest ein verdächtiger Ex-Freund, der in Internetgruppen geoutet worden war, selbst zur Polizei kam, um eine Aussage zu machen und ein Alibi zu präsentieren: „Ich bin das nicht gewesen“, beteuerte er. Statistiken zeigen, dass diese Konstellation durchaus typisch für solche Verbrechen wäre.
Immer mehr Femizide. Insgesamt sind 2018 im ersten Halbjahr 16 Frauen ermordet worden. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Beziehungs- oder Familientaten. Die Familie ist und bleibt somit der gefährlichste Ort für Frauen. Im Jahr davor gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik 54 Tötungsdelikte, davon 36 im Familienkreis – und: In 24 Fällen waren die Opfer Frauen. Die Hälfte der Morde seien angekündigt und passieren oft im Zusammenhang mit Trennungen, so Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie.
Männliche Gewalt. Ähnliches berichtet Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith im Interview mit MADONNA: „Früher geschahen Gewalttaten meist aus niederen Motiven wie Habgier. Heute sind Tatorte oft die eigenen vier Wände. Streitkultur und Kompromissfähigkeit wurden verlernt.“ Zudem würden Männer nicht verkraften, dass sich die Gesellschaftsformen verändert hätten und Frauen heute sehr emanzipiert seien. Partnerinnen würden oft noch „als Besitz“ betrachtet. So käme es häufiger zu aggressivem Verhalten im eigenen Heim, erklärt Roßmanith.
Tatsächlich sei körperliche Gewalt, der Psychiaterin und Psychotherapeutin zufolge, ein Attribut, das eher Männern zugeschrieben wird. Die Zahlen belegen das: 2017 waren von 32 Gewalttätern 31 Männer, laut der Statistik des Verbands der Gewaltschutzzentren. Von den 32 Opfern wiederum waren 24 Frauen. Und wenn Frauen von Gewalt betroffen sind, sind in 95 Prozent der Fälle Männer die Gefährder, und zwar überwiegend Partner und Ex-Partner – das geht aus dem Wiener Gleichstellungsmonitor 2016 hervor.
Konsequent bleiben. Doch: „Jeder schweren Gewalt geht eine Drohung voraus“, meint Roßmanith. Die müsse man ernst nehmen. Deshalb sei es für Opfer von häuslicher Gewalt wichtig, „konsequent zu bleiben“. 9.000 Männern ist in Österreich im letzten Jahr verboten worden, sich ihrer Ex-Partnerin zu nähern, weil sie gewalttätig waren. Viel zu oft würden aber Akte über den Tisch der Gerichtspsychiaterin wandern, aus denen hervorgeht, „dass Männer trotzdem wieder eingelassen werden für eine letzte Aussprache“. Das endet oft fatal.
„Ist ein Ausdruck von Schwäche“
Sigrun Roßmanith, Psychiaterin im InterviewGerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith sprach mit MADONNA über mögliche Gründe für die dramatische Zunahme von Frauenmorden in Österreich und was die Politik in dieser Hinsicht tun kann.
Ist Gewalt männlich?
Kritik gab es jüngst am Innenministerium für die Einstellung eines Projekts zum Gewaltschutz – konkret die regelmäßigen Besprechungen von der Polizei mit den Frauenhäusern bei Wegweisungen ...
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