Der Freispruch gegen zehn Burschen schlägt weiter hohe Wellen, in der ZiB2 verteidigt Richterpräsident Gernot Kanduth das Aufreger-Urteil.
Am Freitag sind in Wien zehn Burschen in einem Prozess um geschlechtliche Handlungen mit einer damals Zwölfjährigen nicht rechtskräftig freigesprochen worden. Für das Gericht lagen die Tatbestände der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und der geschlechtlichen Nötigung nicht vor. Für viele war der Freispruch ein klares Skandal-Urtiel. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) griff ein und kündigte schon am Montagvormittag gegenüber oe24 eine "Weiterentwicklung des Sexualstrafrechts" an.
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Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sprach schon am Wochenende von einem "fatalen Signal". Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft auch nach einer Weisung der Ministerin eine Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt, wodurch die Causa ein Fall für den Obersten Gerichtshof wird und das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Richterpräsident Gernot Kanduth zeigt in der ZiB2 bei Armin Wolf nur bedingt Verständnis für die Aufregung. Er schildert dabei den Prozess, wie es zu dem Urteil gekommen ist, das eben in diesem Fall für Aufregung im Land sorgt. Auf den konkreten Fall angesprochen fehlt ihm "die Akteneinsicht" und verwehrt sich gegen einen "von der Öffentlichkeit durchgeführten Prozess".
"Das Gesetz sieht das so vor"
Wolf bohrt nach, ob es nicht aus menschlicher Sicht eine Verfehlung gegeben habe. Kanduth prangert sogar an, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck erstanden ist, dass eine Gruppenvergewaltigung stattgefunden hat, weist er ab, weil es "nicht einmal angeklagt war". "Das Gesetz sieht das so vor. Das Straflandesgericht Wien und die Medienstelle hat eine absolut nachvollziehbare Begründung abgeliefert", verteidigt er das Urteil.
Auf die Frage, warum auch nicht angeklagt wurde, dass der mehrfache Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen trotz Rechtswidrigkeit nicht angeklagt wurde, verteidigte sich Kanduth abermals damit, dass er keine Akteneinsicht hatte und schob den Opferschutz vor. "Das Gesetz sieht vor, dass wir an die Anklage gebunden sind. Wenn hier nicht der sexuelle Missbrauch von Unmündigen angeklagt wird, wird die Staatsanwaltschaft einen Grund gehabt haben, das nicht anzuklagen", möchte der Richterpräsident nicht näher darauf eingehen und hält fest, dass der Freispruch im Sinne der Anklage für ihn richtig erscheint.
Angesprochen auf das Vorhaben des von Ministerin Sporrer angekündigten "Ja ist Ja"-Gesetz, meint Kanduth, dass es "eine Entscheidung, die die Politik treffen muss. Ich werde mich nicht in die Politik einmischen. Genauso wenig erwarte ich mir, dass sich die Politik in die unabhängige Gerichtsbarkeit einmischt."