Exklusiv-Interview

Beckenbauer stellt sich hinter Hickersberger

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Im Exklusiv-Interview für "Österreich" fordert " Kaiser" Beckenbauer: "Alle müssen hinter Hickersberger stehen! "

ÖSTERREICH: Herr Beckenbauer, wie beurteilen Sie unsere Situation?
Beckenbauer: Der Österreicher neigt dazu, seinen Fußball schlechter zu machen, als er ist. Euer Fußball ist in keiner Krise, er hinkt nur ein wenig hinterher.

ÖSTERREICH: Sehr diplomatisch ausgedrückt. Aber bis zum Beginn der Heim-EM sind es nur noch 645 Tage.
Beckenbauer: Stimmt, die Zeit ist sehr kurz. Jetzt kommt es auf die Zielsetzung an. Will man die Vorrunde überstehen oder reicht es den Österreichern als guter Gastgeber schnell auszuscheiden. Österreich muss auf alle Fälle die einmalige Chance nutzen, sich darzustellen, sich international zu präsentieren. Diese Chance hat Deutschland bei der WM genutzt.

ÖSTERREICH: Wie ist das eigentlich möglich?
Beckenbauer: Alles muss funktionieren. Die Organisation und die sportliche Leistung. Wenn das Hand in Hand geht, dann wird das Unternehmen erfolgreich.

ÖSTERREICH: Aber man kann doch Deutschland nicht mit Österreich vergleichen?
Beckenbauer: Die Deutschen waren zwei Jahre vor der WM auch nur Mittelmaß, haben aber die Chance der WM genützt, sind Dritter geworden, hätten sogar den Titel holen können. Aber man muss was tun dafür.

ÖSTERREICH: Bitte konkret.
Beckenbauer: In Deutschland haben die Bundesligaklubs Opfer gebracht. Wann immer Jürgen Klinsmann einen Lehrgang wollte, hat er ihn bekommen. Er hat alles durchgesetzt. Denn die Budesligaklubs wussten, eine WM im eigenen Land bekommt man so schnell nicht. Das müssen die Österreicher genauso machen.

ÖSTERREICH: Kann nur heißen: volle Macht für Josef Hickersberger.
Beckenbauer: Ja. Nur so geht es. Die Vereine müssen den Teamchef in allen Belangen unterstützen und ihm helfen. Der Josef muss auch innerhalb eines Monats mal mehrere Lehrgänge absolvieren, mit Freundschaftsspielen gegen kleinere, ortsansässige Klubs. Damit das Team den Rhythmus für die EM findet. Die Mannschaftsteile müssen fast blind ineinander greifen. Da muss der linke Verteidiger zum Beispiel wissen, wenn der rechte geht, und so weiter. Eure Nationalmannschaft muss sich ab sofort wie eine Vereinsmannschaft vorbereiten. Ein Länderspiel im Monat – das ist zu wenig.

ÖSTERREICH: Ist Josef Hickerberger überhaupt der richtige Teamchef?
Beckenbauer: Josef war ein hervorragender Fußballer, international anerkannt. Er hat sich auch als Trainer einen Namen gemacht. Einen erfahreren und besseren Teamchef gibt es für Österreich nicht.

ÖSTERREICH: Soll Hickersberger jetzt das System Klinsmann kopieren?
Beckenbauer: Nein, ich denke, das wäre übertrieben. Er weiß genau, was zu tun ist. Im Fitness-Bereich gibt es keine Geheimnisse. Vor 40 Jahren haben wir schon mit dem Theuserband gearbeitet, jetzt plötzlich werden die Gummibänder als sensationelle Neuheit beschrieben. Man soll die Kirche schon im Dorf lassen. Vom Ablauf her, habe ich nichts Neues entdeckt.

ÖSTERREICH: Sie waren in Deutschland der WM-Macher, welche Tipps können sie Österreich geben?
Beckenbauer: Ihr habt doch erfahrene Leute wie Friedrich Stickler oder Gigi Ludwig. Das OK der Österreicher und der Schweizer war in Deutschland vor Ort und hat sich sicher einiges abschauen können. Wenn das EM-OK will, bekommt es alle unsere Unterlagen. Wichtig ist die Sicherheits- und Ticketfrage. Nochmals: Die Deutschen haben die WM genutzt, der Weltöffentlichkeit zu zeigen, wie sie wirklich sind. Jetzt haben wir ein ganz anderes Erscheinungsbild. So wie wir wirklich sind. Das sollte Österreich auch schaffen.

ÖSTERREICH: Zurück zum Sportlichen: Am Samstag spielen die Österreicher in der Schweiz gegen Costa Rica, am Mittwoch dann gegen Venezuela. Wie stehen die Chancen?
Beckenbauer: Costa Rica hat in Deutschland gezeigt, dass sie zurecht bei der WM waren. Eine Mannschaft, die man nicht unterschätzen soll. Auch Venezuela hat sich in den letzten zehn Jahren verbessert. Das sind zwei Testspiele, die ich gut finde.

ÖSTERREICH: Warum haben uns die Schweizer so überholt?
Beckenbauer: Man kann mir nicht weismachen, dass der Schweizer Fußballer talentierter ist als der Österreicher. Aber: Der Schweizer hat es geschafft, ein Nachwuchskonzept, das uns allen vor Jahren die Franzosen vorgegeben haben, am schnellsten umzusetzen. Der Österreicher hat wie wir Deutsche den gleichen Fehler gemacht und geschlafen, darum hinkten wir auch den Franzosen hinterher. Wir holen langsam auf, weil wir jetzt auch diese Ausbildungszentren mit Internaten haben.

ÖSTERREICH: Viele meinen, Österreich ist nur ein Land der Skifahrer?
Beckenbauer: Glaube ich nicht. Österreich hat zwar nur acht Millionen Einwohner. Aber: Fußball hat nichts mit Quantität, sondern mit Qualität zu tun. Ein großes Problem in Österreich ist auch, dass man hier ja praktisch zwei Saisonen hat. Man spielt im Herbst und im Frühjahr, dazwischen hat man eine fast drei monatige Pause. Das ist einfach zu lange. In Deutschland konnte man die Winterpause durch die modernen Stadien verkürzt. Das ist der Weg der Zukunft.

ÖSTERREICH: Auch die Einstellung der Österreicher wird kritisiert...
Beckenbauer: Bei den Spielen, die ich gesehen habe, hat es nicht an der Einstellung gefehlt. Das sind andere Kriterien ausschlaggebend. Welcher Österreicher spielt international? Keine Großen wie in der Zeit eines Krankl oder Prohaska. Starke Legionäre machen die Nationalmannschaft auch stark. Da ist bei euch die Situation ähnlich wie in Deutschland. Früher hatten wir Matthäus, Klinsmann, Brehme oder Völler, jetzt nur den Lehmann und seit heuer den Ballack. Das ist auch der Grund der deutschen Erfolglosigkeit der letzten zehn Jahre. Wenn man von Platz drei bei der Heim-WM absieht, waren die letzten großen Siege der EM-Titel 1996 und der Champions-League-Sieg 2001 der Bayern. Seitdem schwimmen auch wir im Niemandsland, werden regelmäßig aus der Champions-League geschossen und auch im UEFA-Pokal kommen wir nicht weit.

ÖSTERREICH: Anderes Thema: Ihr Freund Fedor Radmann soll für Österreich die Olympischen Winterspiele 2014 nach Salzburg holen. Werden Sie ihm helfen?
Beckenbauer: Wenn ich was für Salzburg tun kann, dann mache ich das auf alle Fälle. Ich werde Österreich helfen. Fedor Radmann hat unglaubliche Erfahrung, kennt alle Winkelzüge dieser Welt. Er ist der richtige Mann für diesen Job. Das kann ich beurteilen, er hat mir geholfen, die WM nach Deutschland zu holen.

ÖSTERREICH: Sie sind ja schon Berater von Red Bull Salzburg?
Beckenbauer: Nein, das wurde häufig falsch berichtet. Ich habe nicht einen offiziellen Beraterstatus, sondern bin nur ein Freund von Red-Bull-Chef Didi Mateschitz. Ich habe noch nie mit der Mannschaft gesprochen, noch nie Einfluss genommen. Ich rede nur mit Mateschitz freundschaftlich über Fußball. Österreich kann Mateschitz nur danken, dass er sich in den Fußball verliebt hat, schließlich könnte er sein Geld auch woanders einsetzen.

Von Wolfgang Ruiner/Österreich

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