Die Coronavirus-Krise stellt den weltweiten Fußball-Transfermarkt auf den Kopf - so sieht die Lage in der Deutschen Bundesliga aus.
Nur wenig ist gewiss in Zeiten der Coronavirus-Pandemie, die auch das globale Fußball-Business in Atem hält und bedroht. Nur eines scheint vorhersagbar: Die schon in normalen Zeiten absurd anmutende Rekordablöse von 222 Millionen Euro, die Paris Saint-Germain 2017 für den Brasilianer Neymar an den FC Barcelona zahlte, dürfte vorerst nicht einmal angetastet werden.
Gladbachs Manager Max Eberl glaubt, dass sich der Markt in der deutschen Bundesliga "enthitzen" könnte. Der Transfermarkt ist in diesen Zeiten ein besonders spekulatives Thema, Entscheidungsträger der Clubs wollen sich zu diesem Thema offiziell nicht äußern. Es steht viel auf dem Spiel, und der Solidargedanke funktioniert im Profigeschäft höchstens punktuell. Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sprach das offen aus: "Ehrlicherweise sind wir auch Konkurrenten."
Bedeutung der Transfergeschäfte
In der Saison 2018/19 übertrafen die 18 deutschen Bundesligisten erstmals die Umsatzmarke von vier Milliarden Euro. Im Wirtschaftsreport der Deutschen Fußball Liga wurde ein Gesamterlös von 4,02 Milliarden Euro ausgewiesen. 675,1 Millionen Euro entfielen auf die Transfererträge, ebenfalls Höchstwert. Bei der 2. Liga waren es 96,3 Millionen Euro. Das zeigt, welche Bedeutung Kaufen und Verkaufen für die Clubs hat.
Geisterspiel-Hoffnung
Die Krise trifft alle großen Ligen in Europa. Die Einbußen werden enorm sein. Geisterspiele sollen sie abmildern. Ein wirtschaftlicher Schaden von 750 Millionen steht für die 36 deutschen Erst- und Zweitligisten im Raum. Fast 400 Millionen Euro machen die TV-Einnahmen aus. Denkverbote gibt es darum nicht mehr. Vielleicht wird die Bundesligasaison irgendwann im Mai oder Juni fortgesetzt, vielleicht auch nur in ein paar Stadien - verteilt über Deutschland. Denn Spieltage kann man zerstückeln. Fußball Tag für Tag und zu verschiedenen Anstoßzeiten. Einen echten Heimvorteil gibt es ohne Zuschauer nicht. Personal- und Materialaufwand könnte man bei übertragenden TV-Sendern, Ordnungspersonal etc. begrenzen.
Liga-Chef Christian Seifert hat den Ausnahmezustand drastisch skizziert: Ohne Geisterspiele müsse man sich "keine Gedanken mehr machen, ob wir künftig mit 18 oder 20 Profi-Clubs spielen".
Szenarien
Läuft der Fußballbetrieb in dieser Saison tatsächlich noch einmal an, wird das Minus bei jedem Club niedriger ausfallen als bei einem Abbruch. Das hätte Einfluss auf die Zukunftsplanung, also auch auf die nächste Transferperiode. Planungssicherheit kehrt zurück.
Großklubs und Topstars
Der deutsche Sportökonom Christoph Breuer erwartet, dass für Spieler der zweiten Kategorie wohl erstmal nicht mehr die (überhöhten) Preise gezahlt werden wie zuletzt. Auch nicht aus England, dem reichsten Fußballmarkt. "Die Preise für die Topspieler werden vermutlich nicht so stark einbrechen", sagte der Sportökonom zugleich der dpa. "Die wenigen Superstars haben weiter einen so großen Wert für die Topclubs, dass die Nachfrage bei den finanzkräftigen Clubs hoch bleiben wird." Im Ausland seien das "häufig Clubs mit Investoren, die womöglich die finanzielle Krise auch ganz gut ausgleichen können", sagte Breuer.
Kaderplanung
Die richtige Kaderplanung wird für etliche Clubs zur Überlebensstrategie. Aufgeblähte Kader müssen abgespeckt werden. Spitzenverdiener dürften zur Kostenverringerung auf dem Markt angeboten werden. Geld bringen aber nur die besten Spieler, was wiederum die sportliche Substanz aushöhlt. Wer finanziell gut durch die Krise kommt, bedient sich beim Ausverkauf der anderen.
Auslaufende Verträge
Eine "dreistellige Anzahl von Verträgen" läuft nach Angaben von Werder-Finanzchef Klaus Filbry in der "Süddeutschen Zeitung" bei den Erst- und Zweitligaclubs zum 30. Juni aus. Sie sind damit ablösefrei zu haben. Das ist normalerweise ein Vorteil für die Profis. Jetzt verschlechtert sich die Verhandlungsposition vieler Profis. Welcher Verein verpflichtet in der Krisenlage Spieler? Es droht Arbeitslosigkeit. Gerade Clubs aus dem finanziellen Mittelbau - und erst recht Zweitligisten - werden sich erstmal auf das vorhandene Personal fokussieren müssen und auf Transfererlöse hoffen.
Leihspieler
Leihspieler können Segen und Fluch zugleich sein. Wer einen Spieler nur ausgeliehen hat, kann ihn am 30. Juni einfach zurückgeben an den Stammverein. Der FC Bayern wird Philippe Coutinho also eher zum FC Barcelona zurückschicken statt die Kaufoption von über 100 Millionen Euro zu ziehen. Fixe Kaufverpflichtungen sind ein Problem: Steigt Werder Bremen nicht ab, müssen die ausgeliehenen Ömer Toprak (5 Mio) und Leonardo Bittencourt (7 Mio) von Dortmund bzw. Hoffenheim fest abgenommen werden, was die beiden Clubs freuen dürfte. Manche Vereine haben aus Leihspielern auch ein - oftmals lohnendes - Geschäftsmodell gemacht. Jetzt müssen sie einkalkulieren, viele im Sommer zurücknehmen zu müssen und erhebliche Kosten zu tragen.
Ausstiegsklauseln
Festpreise, zu denen Profis mit längeren Vertragslaufzeiten von Jahr zu Jahr wechseln können, sind wesentliche Elemente im Management der Clubs. Beispiel: 60 Millionen Euro für Abwehrspieler Dayot Upamecano (21) waren eine Summe, die Topclubs in ganz Europa anlockte. Aber wer zahlt den Sachsen jetzt noch so viel für den Franzosen, der in einem Jahr ablösefrei auf dem Markt zu haben sein wird?