In seinem Statement beschreibt er den DFB-Präsidenten Grindel als "inkompetent und unfähig".
Mesut Özil hat am Sonntag via Twitter seinen Rücktritt aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bekannt gegeben. Der 29-jährige Weltmeister von 2014 zog damit die Konsequenzen aus der öffentlichen Kritik und den Attacken wegen seiner Fotos mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor der WM. "Nach langen Überlegungen und mit schwerem Herzen werde ich aufgrund der letzten Vorfälle und dem Gefühl von Rassismus und fehlendem Respekt, der mir entgegengebracht wurde, nicht mehr für Deutschland spielen", sagt Özil.
Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen. Er trug sein Nationaltrikot immer mit Stolz und Freude, aber dies sei jetzt vorbei. "Wenn hochrangige DFB-Funktionäre mich so behandeln, wie sie es getan haben, meine türkischen Wurzeln untergraben und mich für politische Propaganda missbrauchen, dann: 'Genug ist genug'", wehrt sich der Mittelfeldspieler, der 2014 mit der deutschen Nationalmannschaft den Weltmeistertitel holte.
In einem öffentlichen Statement attackiert er vor allem den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel. "Ich werde nicht länger ein Sündenbock für seine Inkompetenz und Unfähigkeit, seinem Job gerecht zu werden, sein", so Özil auf Twitter. "Ich wusste, dass er mich nach dem Foto aus dem Team haben wollte, aber Joachim Löw und Oliver Bierhoff stärkten mir den Rücken. In den Augen von Grindel bin ich ein Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Ausländer, wenn wir verlieren", attackiert der 29-Jährige weiter.
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— Mesut Özil (@MesutOzil1088) 22. Juli 2018
In seinem Statement nennt er das voreingenommene Verhalten von Grindel und Co. als den Hauptgrund. "Mein Freund Lukas Podolski und Miroslav Klose werden nie als Deutsch-Polen bezeichnet, also warum ich als Deutsch-Türke? (...) Ich wurde in Deutschland geboren und aufgezogen, warum können Menschen nicht akzeptieren, dass ich deutsch bin", schreibt er weiter. Er wurde von Politikern, Prominenten und Fans rassistisch beschimpft. "Diese Menschen haben mein Foto mit Präsident Erdogan als Möglichkeit genutzt, um ihre versteckten rassistischen Tendenzen auszudrücken, und das ist für unsere Gesellschaft gefährlich."
Später adressiert er seine Worte auch noch direkt an Grindel: "Ich bin zwar enttäuscht, aber nicht überrascht von deinem Verhalten. 2004, als du noch ein Abgeordneter im Deutschen Bundestag warst, hast du behauptet, dass Multikulturalität ein 'Mythos und eine Lebenslüge' sei. Außerdem hast du gesagt, dass die islamische Kultur schon zu verwurzelt in Deutschlands Städten sei. Das ist unverzeihlich und das kann man nicht vergessen", wettert Özil gegen den DFB-Präsidenten.
Özil: Würde Erdogan-Foto wieder machen
Ebenfalls am Sonntag hatte der Ex-Nationalspieler erstmals in der Öffentlichkeit Stellung zu seinem umstrittenen Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan genommen. Er würde das Foto wieder machen, schrieb Özil am Sonntag in einem auf Twitter veröffentlichten Statement auf Englisch. Demnach entstand es "aus Respekt vor dem höchsten Amt des Landes meiner Familie."
Die umstrittenen Bilder zeigten Özil und seinen DFB-Teamkollegen Ilkay Gündogan und Erdogan bei einem Treffen in London wenige Wochen vor der WM. Özil verwies in seiner Erklärung auf seine türkischen Wurzeln. Sich nicht mit Erdogan zu treffen, hätte bedeutet, diese Wurzeln nicht zu respektieren - unabhängig davon, wer Präsident sei. Im Gespräch mit Erdogan sei es um Fußball gegangen, nicht um Politik.
Die Affäre um die Fotos hatte seit ihrer Entstehung zu Unruhe geführt. Die Debatte ging weit über den Fußball hinaus. Die Diskussion um die Integration der Nachkommen von Migranten und um Fremdenhass wurde immer schärfer. Gündogan und Özil waren in der Angelegenheit sogar zu einem Gespräch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Gast.
Debatte weiter angefacht
Nach dem erstmaligen Scheitern in einer WM-Gruppenphase hatten Teammanager Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Reinhard Grindel die Debatte weiter befeuert. Bierhoff stellte sogar die Frage in den Raum, ob es womöglich besser gewesen wäre, auf Özil zu verzichten. Später ruderte der 50-Jährige zurück und entschuldigte sich für seine "missverständlichen Aussagen".
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel befasste sich mit dem Thema. Sie hatte bei einem Besuch im Trainingslager von Joachim Löws Auswahl im Mai in Südtirol mit Özil und Gündogan gesprochen. "Ich glaube, die beiden Spieler haben nicht bedacht, was das Foto auslöst", sagte Merkel am 10. Juni in der ARD. Gündogan hatte sich wenige Tage zuvor öffentlich geäußert. Seine Aussagen ähneln denen, die Özil nun veröffentlichte. Er hatte auf ihre "türkischen Wurzeln" verwiesen und betont, dass es nie ein Thema gewesen sei, "ein politisches Statement zu setzen".
Özil hat Erdogan schon viele Male getroffen
Özil betonte in seiner Erklärung, dass es für ihn "nicht von Bedeutung gewesen ist, wer Präsident war, es war von Bedeutung, dass es der Präsident war". Er habe Erdogan, dem von Gegnern eine zunehmend autokratische Staatsführung vorgeworfen wird, erstmals 2010 getroffen und ihn seither "viele Male rund um den Globus" getroffen und mit ihm dabei stets nur über Fußball gesprochen.
In einem zweiten Statement kritisierte der Arsenal-Profi die Medien scharf. Er warf "bestimmten deutschen Zeitungen" rechte Propaganda vor, "um ihre politischen Interessen voranzutreiben". Er sei enttäuscht über die "Doppelmoral" in der Berichterstattung.