30 Jahre nach Roger Milla

Afrikaner warten auf großen WM-Coup

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Als Roger Milla an der Corner-Fahne tanzte und Kameruns "unbezähmbaren Löwen" 1990 als Afrikas erster Viertelfinalist in die WM-Annalen eingingen, bescheinigten Experten dem Kontinent eine rosige Zukunft auf der großen Fußballbühne.

Der große Wurf ist auch über 30 Jahre später ausgeblieben. Senegal und Ghana scheiterten 2002 bzw. 2010 hauchdünn am Vorhaben, ins Halbfinale vorzustoßen. Bei der Katar-Ausgabe scheint die Chance auf eine afrikanische Überraschung erneut gering.

Kamerun ist im Emirat wieder dabei, dazu kommen aus Westafrika Ghana und der Senegal sowie aus Nordafrika Tunesien und Marokko. Das Quintett will eine Neuauflage der WM vor vier Jahren in Russland vermeiden. Damals scheiterten alle afrikanischen Mannschaften bereits nach der Gruppenphase. Zu unerfahren, taktisch undiszipliniert und nur auf ihre Stars fixiert lauteten Vorwürfe, die sich über die Jahre wiederholt haben. Dazu kommen unrühmliche Anekdoten wie Nigerias Prämien-Streik wenige Tage vor dem ersten WM-Auftritt 2014 in Brasilien.

FIFA-System für Afrikaner "unfair" und ein Nachteil

Erklärungsversuche für das noch fehlenden afrikanische Highlight gibt es mehrere. Kritiker vom Kontinent sehen das FIFA-System als Grund. 54 Mitglieder hat der afrikanischen Fußballverband CAF, aber nur fünf WM-Startplätze. Europa hat 55 Mitgliederländer, aber 13 Spots. Südamerika hat bei zehn Startern in der Qualifikation 4,5 Startplätze. Für den Kameruner Patrick Mboma, Afrikas Fußballer des Jahres 2000, ist dies "unfair" und führt zu einem Nachteil.

"Die Favoriten bleiben immer die gleichen, weil es jene sind, die mehr Erfahrung in der WM-Geschichte vorweisen können", sagte Mboma kurz vor WM-Beginn dem Sender "Al Jazeera". Aus Afrika blieben heuer mit Nigeria, der Elfenbeinküste, Ägypten oder Algerien Mannschaften mit klingenden Namen wie Mohamed Salah auf der Strecke.

Aaron Mokoena, Südafrikas Kapitän beim Heim-Turnier 2010, sieht es ebenfalls als wichtig an, dass sich gute afrikanische Teams bei Weltmeisterschaften öfter mit den Besten messen. "Aber bevor wir um zusätzliche Startplätze bitten, müssen wir unseren Fußball erst in Ordnung bringen", hielt Mokoena fest. Er nannte fehlende Infrastrukturen in vielen Ländern als großes Thema, aber auch mangelnde Entwicklung. Immerhin, so der ehemalige Ajax- und Leverkusen-Legionär, schaffen immer mehr Spieler den Sprung nach Europa.

Gute Entwicklung von Talenten in Afrika

Ein Paradebeispiel ist Sadio Mane, dessen Stern über Wals-Siezenheim aufging. Senegals Star wechselte mit 19 Jahren nach Frankreich, über Metz und Salzburg ging es zu Liverpool und nun Bayern München weiter. Ob Afrikas Fußballer des Jahres für die WM rechtzeitig fit wird, ist aber offen. Dabei wären gerade die "Löwen der Teranga" ein heißer Kandidat auf eine Überraschung. In der Gruppe mit Gastgeber Katar, Ecuador und den Niederlanden scheint zumindest Platz zwei machbar. Das Auftaktspiel bestreitet Senegal am 21. November gegen Oranje.

Der regierende Afrika-Cup-Sieger ist ein gutes Beispiel für eine positive Entwicklung auf dem Kontinent. Man denkt langfristiger. Teamchef Aliou Cisse ist seit 2015 im Amt, vor der WM wurde sein Vertrag bis 2024 verlängert. Der nationale Verband ist auch bemüht, das Kontingent an verfügbaren Spielern mit in Frankreich geborenen Talenten senegalesischer Eltern zu füllen. Dies trifft auf Torhüter Edouard Mendy (Chelsea), die Verteidiger Kalidou Koulibaly (Chelsea) und Abdou Diallo (RB Leipzig) oder Mittelfeldspieler Pape Gueye (Marseille) zu.

"Wir sind auf die wirklich wichtigen Dinge fokussiert geblieben. Wir rücken mit jedem Turnier näher an unser Ziel heran, und das letzte hat unseren Glauben nur verstärkt. Harte Arbeit zahlt sich immer aus", sagte Trainer Cisse mit Verweis auf den Triumph im Afrika-Cup im Februar. Das erste Ziel in Katar sei der Aufstieg aus der Gruppe. "Danach geht es in ein K.o.-Turnier, und wir haben genug Erfahrung, um da unsere Spuren zu hinterlassen", meinte der 46-jährige Ex-Internationale.

Schwere Aufgabe für afrikanische Teams

Kamerun mit den ehemaligen Altachern Samuel Oum Gouet und Nicolas Moumi Ngamaleu hat es in der Gruppe mit Brasilien, der Schweiz und Serbien nicht einfach. Dasselbe gilt für Ghana gegen Portugal, Südkorea und Uruguay. Marokko hat Belgien, Kroatien und Kanada als Gegner, Tunesien muss im Pool mit Frankreich, Dänemark und Australien bestehen. Die Trauben für Afrikas Quintett scheinen abermals hoch zu hängen.

Eine Premiere durften die Teams schon vor WM-Beginn vermelden. Mit Cisse, Rigobert Song (Kamerun), Otto Addo (Ghana), Walid Regragui (Marokko) und Jalel Kadri (Tunesien) kommen alle fünf Teamchefs aus ihrer Heimat. Seit Dekaden war es so gut wie Usus, dass Europäer oder Südamerikaner den heimischen Trainern vorgezogen wurden.
 

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