Der Red Bull-Pilot geht als WM-Leader in die Sommerpause. Vettel landet auf Platz 3.
Red-Bull-Pilot Mark Webber hat unter bemerkenswerten Umständen den Formel-1-Grand-Prix von Ungarn gewonnen und mit seinem bereits vierten Saisonsieg vor der einmonatigen Sommerpause auch die WM-Führung übernommen. Der 33-jährige Australier schien nach einer völlig verpatzten Anfangsphase schon der große Pechvogel zu sein, siegte am Ende aber klar 17,8 Sekunden vor dem Ferrari von Fernando Alonso sowie seinem von einer Durchfahrtsstrafe zurückgeworfenen Teamkollegen Sebastian Vettel.
Vettel sprachlos
Mit versteinertem Gesicht stand Vettel als
Dritter bei der Siegerehrung, dabei war der Sonntag auf dem Hungaroring ein
besonderer Jubeltag für den 2005 gegründeten, austro-englischen Rennstall.
Nach dem bereits 12. GP Sieg im nach mancher Rechnung 100. Grand Prix für
Red Bull Racing ertönte wieder die österreichische Bundeshymne. Sechs Siege
davon gehen nun auf das Konto von Webber, der bei seinem 150. GP-Start mit
seinem vierten Saisontriumph den vielleicht wertvollsten Sieg seiner
Karriere einfuhr. Denn nun führt der bald 34-Jährige mit 161 Zählern vor dem
mit Getriebeproblemen erstmals in dieser Saison ausgeschiedenen
McLaren-Fahrer Lewis Hamilton (157) und Vettel (151) wieder in der
Fahrer-WM.
Trotz 7 Poles
Das verspricht Höchstspannung für die erst Ende
August in Spa weitergehende WM-Saison. Denn eigentlich hatte man sich den um
zehn Jahre jüngeren Vizeweltmeister Vettel vor der Sommerpause an der
WM-Spitze erwartet, nachdem der 23-jährige Deutsche am Samstag überlegen wie
noch kaum ein Fahrer vor ihm seine bereits siebente Saison-Pole geholt
hatte.
Anfängerfehler
Wieder passierte dem Jungstar aber auch in
Ungarn ein regelrechter "Anfängerfehler". Mit 12 Sekunden
Vorsprung voran liegend räuberte Vettel zunächst in der 15. von 70 Runden
gerade noch über die Curbs zum Blitz-Stopp in die Boxengasse, ließ aber dann
beim Restart nach einer Safety-Car-Phase mehr als die erlaubten zehn
Autolängen zwischen sich und dem Führungsauto. Prompt erhielt der "Wiederholungstäter"
- Ähnliches war ihm schon in Shanghai passiert - eine Durchfahrtstrafe. Mehr
als Platz drei war danach nicht mehr drin.
"Verschlafen"
Vettel, der während des Rennens noch
verzweifelt nach dem "Warum" gefunkt hatte, schimpfte später wie
ein Rohrspatz. Er gab aber bald auch zu, die Situation "verschlafen"
zu haben. "Zu blöd. Ich dachte, das Safety Car bleibt noch eine Runde
draußen", erklärte Vettel und gestand: "Es wäre im
Grunde ein Spaziergang gewesen, deshalb bin ich sehr enttäuscht."
Lauda: "wie blöd du warst"
Niki Lauda schrieb dem
Deutschen prompt ins Stammbuch: "Aus solchen Kapitalfehlern kannst du
nur lernen, wenn du in derselben Sekunde einsichtig bist, wie blöd du warst.
Es gibt nur Besserung, wenn er zugibt, dass er heute absolute Scheiße gebaut
hat. Vor Webber kann man hingegen nur den Hut ziehen."
In der Tat nutzte der Australier die Gunst der Stunde. Am Start hatte er zunächst gegen Alonso verloren und bei der Safety-Car-Phase musste er den führenden Vettel den Vortritt an der Box lassen und draußenbleiben. Als vermeintlich großer Verlierer nutzte Webber dann aber seine freie Fahrt nach vorne und fuhr mit weichen Reifen eine Rekordrunde um die andere.
Red Bull ließ ihn auch ziehen, denn dahinter hatten Alonso und Ferrari natürlich die plötzliche Chance auf den Sieg erkannt. Nach 40 Runden hatte Webber aber genügend Vorsprung auf Alonso und kam nach dem Pflichtstopp problemlos wieder als Erster auf die Piste. Auch mit harten Reifen ließ Webber der Konkurrenz dann keine Chance und holte somit nicht nur den Tagessieg, sondern erstmals auch beide WM-Führungen ins Lager der "Bullen". "Ein unglaublicher Tag für das Team. Nicht schlecht, dein 150. Rennen so zu feiern", freute sich der Australier, der vor kurzem noch geätzt hatte, lediglich Nummer-2-Fahrer bei RBR zu sein.
Der spannende 25. Ungarn-GP wird auch wegen einiger haarsträubender Aktionen in Erinnerung bleiben. Denn als in der Safety-Car-Phase (Liuzzi hatte ein Teil seines Force India verloren) fast alle Fahrer blitzartig an die Box beordert wurden, herrschte dort Chaos pur. Robert Kubica knallte beim Rausfahren mit seinem Renault gegen den Force India von Adrian Sutil und Nico Rosberg wurde im Mercedes so hektisch abgefertigt, dass sich das rechte Hinterrad löste und brandgefährlich durch die Boxengasse flog.
Schumis irre Aktion
Für das irrste Manöver aber sorgte Michael
Schumacher. Der völlig losgelöste Rekord-Weltmeister drängte im Finish mit
seinem Mercedes den überholenden Rubens Barrichello gegen die Boxenmauer,
nur Zentimeter verhinderten bei 260 km/h einen bösen Crash des Brasilianers
im Williams. "Ein Horror, Michael gehört ausgeschlossen",
forderte der einstige Schumacher-Adjudant bei Ferrari.
"Ein Go-Kart-Manöver. Wenn er in den Himmel will, bitte. Aber ich will nicht vor ihm da sein", schimpfte Barrichello während Schumacher trocken wie immer reagierte. "Er ist vorbei gefahren, wir haben uns nicht berührt. Also war genügend Platz", so der 41-jährige Deutsche. Lauda dazu: "Saugefährlich und absolut falsch von Michael."
Strafen für Mercedes, Renault und Schumi
Die Rennställe
Mercedes und Renault müssen für ihre Fehler in der Boxengasse tief in die
Tasche greifen. Die Rennkommissare verhängten gegen beide Teams jeweils eine
Strafe von 50.000 Dollar (38.300 Euro). Michael Schumacher muss wegen seines
Manövers gegen Barrichello beim nächsten Rennen in Spa am 29. August zehn
Plätze weiter hinten starten.
Barrichello droht Schumi mit "Krieg"
Für die FIA war
dieser Akt eine illegale Behinderung. Barrichello hatte sich über seinen
früheren Ferrari-Teamkollegen auch via "Twitter" bitter beschwert und das
Verhalten des Deutschen als "gefährlichstes jemals gegen mich gefahrenes
Manöver" bezeichnet. Er forderte seine 469.000 "Verfolger" deshalb auf, ihre
Gefühle auf "Twitter" darzulegen und erklärte damit dem von ihm zuletzt
immer offener kritisierten Ex-Teamkollegen endgültig den "offenen Krieg".
Schumacher hatte auf Barrichellos Kritik an der Rennstrecke eher arrogant
reagiert.
Mercedes hatte bei Pilot Nico Rosberg den Reifenwechsel verpatzt, der Deutsche verlor in der Boxengasse darauf hin sein rechtes Hinterrad. Renault schickte Robert Kubica zu früh wieder los. Der zum Stopp kommende Adrian Sutil konnte im Force India nicht mehr ausweichen und krachte in das Auto des Polen. Sutil musste das Rennen aufgeben.
Endstand des Formel-1-Grand-Prix von Ungarn:
1. Mark Webber
(AUS) Red Bull 01:41:05,571
2. Fernando Alonso (ESP) Ferrari +17,821
3.
Sebastian Vettel (GER) Red Bull +19,252
4. Felipe Massa (BRA) Ferrari
+24,474
5. Witali Petrow (RUS) Renault +01:13,192
6. Nico Hülkenberg
(GER) Williams +01:16,723
7. Pedro de la Rosa (ESP) Sauber +1 Runde
8.
Jenson Button (GBR) McLaren +1 Runde
9. Kamui Kobayashi (JPN) Sauber +1
Runde
10. Rubens Barrichello (BRA) Williams +1 Runde
11. Michael
Schumacher (GER) Mercedes +1 Runde
12. Sebastien Buemi (SUI) Toro Rosso
+1 Runde
13. Vitantonio Liuzzi (ITA) Force India +1 Runde
14. Heikki
Kovalainen (FIN) Lotus +3 Runden
15. Jarno Trulli (ITA) Lotus +3 Runden
16.
Timo Glock (GER) Virgin +3 Runden
17. Bruno Senna (BRA) Hispania +3
Runden
18. Lucas di Grassi (BRA) Virgin +4 Runden
19. Sakon Yamamoto
(JPN) Hispania +4 Runden
Ausgeschieden: Jaime Alguersuari (ESP) Toro Rosso, Lewis Hamilton (GBR) McLaren, Robert Kubica (POL) Renault, Nico Rosberg (GER) Mercedes, Adrian Sutil (GER) Force India
Schnellste Runde: Sebastian Vettel (GER) Red Bull, 1:22,362 Minuten (Runde 70)
WM-Stand nach 12 von 19 Rennen:
1. Mark Webber (AUS) Red Bull
161
2. Lewis Hamilton (GBR) McLaren 157
3. Sebastian Vettel
(GER) Red Bull 151
4. Jenson Button (GBR) McLaren 147
5. Fernando
Alonso (ESP) Ferrari 141
6. Felipe Massa (BRA) Ferrari 97
7. Nico
Rosberg (GER) Mercedes 94
8. Robert Kubica (POL) Renault 89
9.
Michael Schumacher (GER) Mercedes 38
10. Adrian Sutil (GER) Force India
35
11. Rubens Barrichello (BRA) Williams 30
12. Witali Petrow (RUS)
Renault 17
13. Kamui Kobayashi (JPN) Sauber 17
14. Vitantonio Liuzzi
(ITA) Force India 12
15. Nico Hülkenberg (GER) Williams 10
16.
Sebastien Buemi (SUI) Toro Rosso 7
17. Pedro de la Rosa (ESP) Sauber 6
18.
Jaime Alguersuari (ESP) Toro Rosso 3
Konstrukteurs-WM (nach 12 von 19 Rennen)
1. Red Bull 312
2.
McLaren 304
3. Ferrari 238
4. Mercedes 132
5. Renault 106
6.
Force India 47
7. Williams 40
8. Sauber 23
9. Toro Rosso 10