Jürgen Melzer spielt seit Wochen in unglaublicher Form - auch in Wien stürmte der Niederösterreicher ins Viertelfinale. 2009 soll noch besser werden.
Als sich Jürgen Melzer am 19. Mai dieses Jahres im ATP-Ranking auf Platz 103 wiederfand und erstmals seit fast fünf Jahren nicht dem Kreis der Top 100 angehörte, befand sich der Niederösterreicher in einer echten Krise - spielerisch wie mental. Wie schnell es im Tennis gehen kann, beweist der weitere Saisonverlauf, nicht einmal fünf Monate später ist Österreichs Nummer 1 nämlich auf Platz 38 zurückgeklettert und hat eine damals für ihn kaum vorstellbare Erfolgs-Konstanz aufzuweisen.
Aufstieg
Nach dem Viertelfinaleinzug bei der Bank-Austria-Trophy
traute sich der 27-jährige ÖTV-Davis-Cup-Spieler erstmals seit langem wieder
von den Top 20 träumen. Doch nach einer Leistung wie er sie Donnerstagabend
gegen Juan Carlos Ferrero vor rund 5.500 verblüfften Zuschauern in der
Wiener Stadthalle gezeigt hat, und auch mit Blick auf seine Auftritte vor
allem in der zweiten Jahreshälfte, darf man ihm dies auch wieder zutrauen.
Schon jetzt ist Melzer nur noch zehn Plätze von seiner bisherigen
Bestleistung entfernt: Am 5. März 2007 lag der Deutsch Wagramer mit Wohnsitz
in Wien auf Platz 28. Zumindest diese Hürde könnte noch heuer fallen.
Krise ist vergessen
Melzer möchte an die Krise, die auch von
Verletzungsproblemen Anfang 2008 ausgelöst waren, vom vergangenen Mai gar
nicht mehr erinnert werden: "Ich will über die Zeit gar nicht mehr
nachdenken. Ich bin froh wie ich im Moment spiele, und hoffe, dass ich über
den Winter sogar noch besser werde", ist sein Blick entschlossen nach vorne
gerichtet. Diese Entschlossenheit zeigt er seit Wochen auch schon auf dem
Platz, ist hochkonzentriert und macht wenige unerzwungene Fehler.
Ausgeschieden ist er immer gegen Spieler mit klingenden Namen, die auch im
Turnier weit kamen.
Keine Erklärung
So wie man sich in einer Krise oft nicht das
Warum erklären kann, so ist es auch schwierig, in einer Hausse die Ursachen
zu finden. So richtig "Klick" gemacht hat es für Melzer in Kitzbühel,
erinnert er sich: "In Kitz hat es wahrscheinlich angefangen, dort habe ich
wirklich sehr gutes Tennis gespielt. Vorher war ich körperlich noch nicht so
bereit, dann bin ich immer besser geworden. Irgendwann hat man dann so viel
Selbstvertrauen, dass man sich das halt auch gegen die ganz Großen zutraut."
Trainerwechsel wirkt
Der Anteil seines Trainers Joakim Nyström,
mit dem er Ende November 2008 begonnen hat, ist nicht zu unterschätzen. "Er
hat einen sehr hohen Anteil. Das ganze Team auch mit dem Physio, Brigitte
(Haberda - Psychologin-Anm.) und dem Michi Buchleitner hat viel Arbeit
investiert", so Melzer. Mit Nyström musste er auch im fortgeschrittenen
Tennis-Alter noch durch die schwedische Schule und extrem viele Drills
absolvieren. Immer wieder die gleichen Bälle in die gleiche Ecke spielen.
Und darauf kann Melzer nun zurückgreifen.
"Gut wie nie zuvor"
"Im Moment spiele ich so gut wie
noch nie zuvor und habe auch Sicherheit in meinen Schlägen, die ich in der
Vergangenheit einfach vermisst habe. Ich kann mich im Moment einfach auf
mich selber verlassen." So funktioniere der Übergang "vom im Ballwechsel
bleiben in die Offensive" sehr gut. Unabhängig von Wien möchte Melzer heuer
noch so viel Punkte wie möglich holen und dann im Frühjahr 2009 so richtig
angreifen.
Voller Angriff
Denn da hat er aufgrund der angesprochenen
schwachen ersten fünf Monate kaum Punkte zu verteidigen. Doch zuvor galt
seine Konzentration noch ganz Feliciano Lopez am Freitag. Sollte er auch ihn
schlagen, wäre auch die Hürde Carlos Moya oder Philipp Petzschner im
Halbfinale zu bewältigen - und in einem Finale kann alles passieren.
Wenn Melzer so weiterspielt wie er u.a. mit dem Kitzbühel-Finale, dem Olympia-Viertelfinale, der knappen Drittrunden-Niederlage bei den US Open usw. bewiesen hat, ist noch viel drin für Melzer. Der Bursche hat mit 27 noch einmal so richtig Lunte gerochen. "Wenn ich mich so weiterentwickle und verletzungsfrei bleibe, habe ich eine gute Chance, in den Top 20 zu stehen."