Doping-Geständnis

Rennstall feuert Bernhard Kohl

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Kohl gesteht bei PK: "Bin der Versuchung erlegen". Sein neuer Rennstall "Silence-Lotto" kündigte Vertrag umgehend auf.

Siegfried Fröhlich, der deutsche Vertragsberater und Anwalt von Bernhard Kohl, ist sich bewusst, dass er dieses Jahr unentgeltlich für seinen Schützling arbeiten wird. Denn der Dreijahresvertrag mit dem Rennstall Silence-Lotto, den der 33-jährige Jurist ab der Saison 2009 ausgehandelt hat, wird nach dem Geständnis des im Dopingsumpf versunkenen Bergkönigs der Tour de France aufgekündigt, der noch bis Jahresende laufende Kontrakt mit dem aktuellen Team Gerolsteiner wird in den nächsten Tagen aufgehoben. Prämien von der Tour, bei der er als Gesamt-Dritter deklassiert werden wird, hat Kohl ohnehin noch nicht bekommen.

"Fühlen uns betrogen"
Das belgische Team Silence-Lotto wird den am 8. September in großem Rahmen präsentierten Dreijahresvertrag mit Bernhard Kohl nach dessen Dopinggeständnis aufkündigen. "Wir hatten so ein gutes Gefühl, aber jetzt fühlen wir uns betrogen, für uns ist das zu Ende", erklärte Team-Manager Geert Coeman. Er hoffe, dass Kohl Hintermänner nenne. Dadurch könnte die Strafe geringer ausfallen. "Vielleicht findet er wieder eine neue Mannschaft, aber es wird nicht bei uns sein."

Alle getäuscht
Coeman hatte bei der WM in Varese Gerüchte über eine mögliche Verwicklung von Kohl vernommen. Er habe daraufhin mit Gerolsteiner-Manager Hans-Michael Holczer gesprochen, sei aber beruhigt worden. Kohl sei ein guter Junge. "Jetzt sind wir enttäuscht. Wir wollten einen langsamen Aufbau mit ihm. Für uns ist es zuerst wichtig, sauber zu fahren, erst danach zählen die Ergebnisse", betonte Coeman.

Schadenersatz
Durch sein Doping mit CERA, das er für nicht nachweisbar hielt, hat Kohl seinen Vertrag mit Gerolsteiner verletzt. Dem Team ist dadurch Schaden entstanden. Für Fröhlich ist klar, dass Kohl die Konsequenzen tragen muss. "Wir werden mit Herren Holczer sprechen, um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden", sagte Fröhlich. Dass die in den Fahrer-Verträgen für den Fall eines Dopingnachweises enthaltene Strafzahlung von 100.000 Euro an den Weltverband UCI fällig werde, glaubt der Anwalt nicht. Diese Forderung sei in früheren Fällen noch nie erhoben worden.

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„Ich habe alle belogen – Österreich, und die ganze Welt!“

Mittwoch Abend, Office Park 3 am Flughafen Wien-Schwechat, kurz nach 19 Uhr. Kohl sitzt auf einem Podium, blaue Jeans, dunkles Sakko, weißes Hemd. Rechts von ihm Rad-Präsident Otto Flum, links sein Manager Stefan Matschiner. Mit roten, verweinten Augen sagt er: „Ich bin der Versuchung erlegen, weil der auf mir lastende Erfolgsdruck unglaublich groß geworden ist. Ich bin nur ein Mensch und wie viele Menschen in einer Ausnahmesituation schwach geworden.“ Mit diesen Worten gesteht Kohl in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz sein Dopingvergehen.

Dann stockt ihm der Atem. Die Pause nützt sein Manager Matschiner, um ein paar Journalisten aus dem Raum zu komplimentieren. Er erklärt: „Nur unsere Partnermedien sind willkommen. Mit ihnen haben wir Deals.“

Keine B-Probe
Erst dann geht es weiter. Der Tour-Dritte und Gewinner der Bergwertung gibt zu, das Blutdopingmittel CERA gespritzt zu haben. Auf die Öffnung der B-Proben wird Kohl verzichten. Der Niederösterreicher war, wie Nachuntersuchungen des Pariser Dopinglabors Chatenay-Malabry ergaben, am 3. und 15. Juli in den A-Proben positiv auf CERA getestet worden.

Erfolgsdruck
Das Jahr 2008 sei für ihn nicht erfolgreich verlaufen, seine Form noch bei der Dauphine Libere im Juni katastrophal gewesen, erklärt Kohl. Doch er habe gewusst, dass er ohne gute Leistungen und Spitzenergebnis bei der nahenden Frankreich-Rundfahrt keinen neuen Vertrag bekommen würde.

Kohl spricht von erstmaligem Dopingmissbrauch , meint aber im gleichen Atemzug: „Wer glaubt schon einem überführten Sportler“. Schon mehrmals in seiner Karriere seien ihm verbotene Mittel angeboten worden, aber zum ersten Mal habe er davon tatsächlich Gebrauch gemacht.

Mentale Belastung zu groß
Auf die Frage, was ihm veranlasste ein umfassendes Geständnis abzulegen, erklärte er, dass ihm seit Bekanntwerden der Nachweisbarkeit von CERA die mentale Belastung unerträglich geworden sei. „Ich will nun endlich wieder der Bernhard Kohl sein, der ich davor war, als den mich meine Freunde und Fans kennen“, beteuert er.

Kronzeuge Kohl
Die Hintermänner wolle er noch nicht nennen. „Ich werde sie zur gegebenen Zeit bekannt geben.“ Das Sportgerichtsverfahren ist nun Sache der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), der Kohl Informationen über die Drahtzieher des internationalen Dopingnetzwerks preisgeben kann.

Hintergrund: Dadurch könnte er eine Reduzierung der drohenden Zweijahressperre durch den Rad-Weltverband (UCI) erwirken. Als dann auch alle geladenen Reporter schon weg waren, tauchte plötzlich Kohls Freundin Tatjana auf. Minutenlang lagen sich beide in den Armen. Kohl: „Sie und unsere Familien sind jetzt meine Stützen.“

Foto: APA/Agentur Diener

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19.56 Uhr: Das war's mit dem Liveticker von der PK. Ohne die Hintermänner des Dopingskandals zu nennen, darf Kohl nicht auf Milderung der drohenden 2 Jahre-Sperre hoffen. Die Karriere dürfte damit wohl vorbei sein.

19.54 Uhr: Kohl gewährt noch einen kurzen Ausblick auf die Zukunft, ohne Details zu verraten: "Ich will jetzt endlich wieder der Bernie Kohl sein, als den mich meine Freunde und Fans kennen."

19.52 Uhr: Zu guter letzt noch einmal das soundso logische: "Ich verzichte auf die Öffnung der B-Probe. Mit dieser Pressekonferenz möchte ich heute reinen Tisch machen".

19.50 Uhr: Die Entschuldigung geht weiter: "Holczer kämpft und kämpfte immer gegen Doping. Es tut mir furchtbar leid, dass ich ihn nun so enttäuscht habe."

19.48 Uhr: Als nächstes folgt eine Entschuldigung gegenüber seinem ehemaligem Teamchef Holczer und dem Rest des Gerolsteiner-Teams: "Nein, es hat dort kein systematisches Doping gegeben. Holczer wusste auch von gar nichts."

19.46 Uhr: Das Gespräch geht nun über zu den Hintermännern. So wie nahezu alle zuvor des Dopings überführten Radfahrer schweigt sich Kohl auch hierzu aus. "Ich werde die Hintermänner zu gegebener Zeit nennen". Darauf kann man sich nun selbst ein Bild machen, ob und wann dies tatsächlich passiert.

19.44 Uhr: Nochmals zurück zu den Gründen. Kohl gibt an, zur Zeit seines Sturzes bei der Dauphine in schrecklicher Form gewesen zu sein: "Der Erfolgsdruck war unglaublich groß. Ich bin nur ein Mensch und in dieser Ausnahmesituation damals schwach geworden."

19.42 Uhr: Kohl liest sein Geständnis übrigens von einem Zettel ab, seine Hände zittern ein wenig, er ist sehr nervös.

19.40 Uhr: "Ich bin der Versuchung erlegen" - so kurz fasst Kohl sein Doping-Geständnis letztlich zusammen.

19.38 Uhr: Die Öffnung der B-Probe ist damit auch hinfällig

19.36 Uhr: Damit ist die Luft jetzt einmal heraußen. Die letzten, die noch auf ein Wunder gehofft haben und daran glaubten, dass Kohl die positive A-Probe erklären könnte, wurden nun auch enttäuscht.

19.34 Uhr: Um seinen Start bei der Tour de France nicht zu gefährden, baute er sich mit Doping wieder auf.

19.33 Uhr: Grund für die Doping-Einnahme: Bei der Dauphine Libere war Kohl schwer gestürzt.

19.31 Uhr: Es ist soweit: Kohl betrifft das Podium. Und platz gleich heraus mit seinem Geständnis.

19.30 Uhr: Der Start verzögert sich noch etwas.

19.25 Uhr: Kohl ist mittlerweile eingetroffen, bald sollte es mit der PK losgehen.

19.23 Uhr: Solange sich hier nicht wirklich viel tut, darf man ein wenig mutmaßen: Wieso hat Kohl die Pressekonferenz so kurzfristig vorverlegt? Wollte der gefallene Radstar das WM-Quali-Match zwischen Österreich und Serbien nutzen, um von sich abzulenken?

19.19 Uhr: Gespannt darf man sein, welche Medien es im nach wie vor starken Abendverkehr so kurzfristig zum Flughafen Wien-Schwechat schaffen. In der Presseaussendung heißt es enigmatisch, dass "ausgewählte Medien" eingeladen sind. Die APA - Austria Presse Agentur ist zum Beispiel nicht dabei.

19.15 Uhr: Inzwischen gibt es wenigstens die offizielle Bestätigung: PK heute Abend, die für Donnerstag Vormittag angesetzte Pressekonferenz entfällt damit.

19 Uhr: Diese soll sich inzwischen im Besitz von Kohl befinden. Das behauptet zumindestens NADA-Chef Schwab, der sich heute mit Kohl getroffen haben soll.

18.59 Uhr: Laut Matschiner wolle man zuerst die Dokumentation der A-Probe abwarten.

18.57 Uhr: Laut Kohl-Manager Matschiner gibt es aber einige Neuigkeiten: So hat Bernhard Kohl die Öffnung der B-Probe bislang noch nicht verlangt.

18.55 Uhr: Derzeit gibt es weder eine Bestätigung noch ein Dementi.

18.51 Uhr: Ganz sicher ist das allerdings noch nicht. Derzeit überschlagen sich die Meldungen. Gibt es eine Pressekonferenz oder doch nur ein Interview?

18.50 Uhr: Statt im Radisson SAS Hotel am Wiener Ring findet die PK nun im "NH" Hotel am Flughafen Schwechat statt.

18.47 Uhr: Überraschend wurde die PK von Bernhard Kohl schon auf Mittwoch Abend vorgezogen.

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ÖSTERREICH berichtete ausführlich über den Sport-Skandal des Jahres: Der Tour-Held Bernhard Kohl war gedopt. Nach und nach packte er aus und offenbarte ein riesiges Doping-Netzwerk.