Deutsche Staatsanwaltschaft und Ullrich einigen sich "außergerichtlich": Nach Millionenspende Ullrichs keine weiteren Erhebungen.
Die Bonner Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen den ehemaligen deutschen Radprofi Jan Ullrich wegen Betrugs zum Nachteil seines ehemaligen Arbeitgebers T-Mobile eingestellt. Dies teilte die Behörde am Montag mit. Gegen die Zahlung "eines Gesamtbetrages in sechsstelliger Höhe an gemeinnützige Institutionen und die Staatskasse" verzichten die Staatsanwälte auf eine Anklageerhebung und stellen die Ermittlungen gegen den Tour-de-France-Sieger von 1997 nach 21 Monaten ein.
Nach Ansicht der Bonner Staatsanwaltschaft steht allerdings ein Doping-Vergehen des im Februar 2007 zurückgetretenen Ullrichs fest. "Unsere Ermittlungen über 21 Monate haben ergeben: Ullrich hat gedopt", sagte der zuständige Staatsanwalt Fred Apostel.
Gilt jetzt als "unschuldig"
Der illegaler
Leistungssteigerung verdächtigte Ullrich hatte jegliche
Dopingverdächtigungen immer wieder strikt zurückgewiesen. Nach dem Vergleich
gilt Ullrich als unschuldig im Sinne der nunmehr verworfenen
Betrugs-Anklage. Der 34-Jährige muss sich allerdings in anderen Verfahren
weiter verantworten. Der Prozess vor dem Hamburger Oberlandesgericht gegen
den Molekularbiologen Werner Franke wegen angeblicher Falschaussage des
Wissenschaftlers ist ebenso weiter anhängig wie ein Verfahren gegen Ullrichs
früheren Teammanager Günther Dahms. Doping-Experte Franke hat ein
Vergleichsangebot der Ullrich-Anwälte abgelehnt. Olympiasieger Ullrich hatte
am 26. Februar 2007 seinen Rücktritt vom Profisport bekanntgegeben.
Finanzielle Einbußen
Zur Begründung erklärte die
Staatsanwaltschaft unter anderem, Ullrich sei durch die Ermittlungen
gezwungen gewesen, seine Radsportkarriere zu beenden. Neben dem Verlust
seines überwiegenden Lebensinhaltes habe er auch gravierende finanzielle
Einbußen erlitten. Ullrichs Ruf als Sportler sei stark beschädigt, und er
habe einen hohen Ansehensverlust in der Bevölkerung erlitten. Ullrichs
kriminelle Energie sei eher gering zu bewerten, hieß es.
Geringe Hemmschwelle
Im Tatzeitraum sei das Doping im Radsport
offenbar so verbreitet gewesen, dass die Hemmschwelle zur Anwendung
leistungsstärkender Mittel herabgesetzt gewesen sei. Dies hätten die
Erkenntnisse während des Ermittlungsverfahrens ergeben, unter anderem die
Geständnisse zahlreicher anderer Radsportler. Der ehemalige Rad-Profi hat
den Angaben zufolge Unterlagen freigegeben, die 2006 in seinem Haus in der
Schweiz beschlagnahmt wurden. Damit habe er den Ermittlungsbehörden Zugriff
auf wichtige Beweismittel verschafft, die für weitere Ermittlungen im
Bereich Doping "von erheblicher Bedeutung" sein dürften, hieß es.
Nach einem Bericht des "Focus" belegen die Papiere und E-Mails, dass die Team-Leitung des inzwischen aufgelösten T-Mobile-Rennstalls in die Doping-Praktiken verwickelt gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft erklärte zur Verfahrenseinstellung weiter, mit den Geschädigten sei weitreichender Rechtsfrieden in Bezug auf mögliche zivilrechtliche Ansprüche hergestellt. Vom Hauptgeschädigten, dem Sponsor T-Mobile, würden keine Ansprüche mehr geltend gemacht, man habe frühzeitig einen umfassenden Vergleich geschlossen. Gegenüber seinem früheren Rennstall "Team Coast" habe Ullrich auf Forderungen in siebenstelliger Höhe aus einem Fahrervertrag verzichtet.
Ullrich: "Niemanden betrogen"
Jan Ullrich hat sich nach
der Einstellung des gegen ihn angestrengten Ermittlungsverfahren wegen eines
Betrugsverdachts auf seiner Homepage geäußert. "Meine Frau und ich sind
froh, dass endlich der überfällige Schlussstrich unter dieses Verfahren
gezogen wurde. Ich habe lange überlegt, ob ich das Angebot der
Staatsanwaltschaft annehmen soll, denn vor einem Gerichtsverfahren hatte ich
keine Angst. Ausschlaggebend für meine Entscheidung war vor allem der
Wunsch, meine Familie vom öffentlichen Druck des Verfahrens zu befreien",
schrieb Ullrich.