Im Interview

Thomas Muster: Drama um seinen Vater

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Nach dem 
Abschied: Thomas 
Muster über den wahren Grund seiner Tränen.

In einem Foyer der Stadthalle feierte Muster in der Nacht auf Mittwoch in einem kleinen Kreis seinen Abschied ganz pivat. Caroline war da, seine Ehefrau und ein paar wichtige Wegbegleiter. Dann tauchte auch Julian Rachlin auf, der Star-Geiger, setzte sich auf den Boden und packte seine Violine aus. Musters emotionaler Auftritt auf dem Centre-Court zuvor, war allen nahegegangen. Als er sich nach seinem letzten Match in der Stadthalle von den 8.000 Fans verabschiedet hatte, als ihm die Tränen über das Gesicht liefen.

Mit bewegenden Worten hatte sich Muster bei seinen Eltern bedankt: „Ihr habt mir alles ermöglicht.“ Eigentlich hatte die ehemalige Nummer 1 der Welt ihr Comeback bis ins nächste Jahr durchziehen wollen. Doch der Tennismillionär (Karriere-Preisgeld: 12,3 Millionen Dollar), Sieger von 44 ATP-Turnieren erklärte: „Meine Familie braucht mich jetzt mehr als das Tennis.“ Und als Reporter nachhakten, meinte er: „Es gibt einen Krankheitsfall in unserer Familie, der mir sehr nahegeht.“

Thomas Muster nimmt Abschied

Sorge um den Vater
Es geht um den schwer kranken Vater (von Krebs ist die Rede), zu dem Tom immer schon ein sehr enges Verhältnis hatte: „Mein Vater war meine Triebfeder für den Sport.“ In seiner Biografie Aufschlag erzählt er: „Meine Eltern hatten nie viel Geld. Mein Vater Heinz arbeitete beim Bundesheer, meine Mutter in einem Sportgeschäft. Aber unterm Baum ist immer was gelegen, dazu hat es allemal gereicht.“ Eigentlich hätte Muster Fußballer werden sollen: „Mein Vater hat im Bezirk Fußballmannschaften betreut. Er hat mich zum Training mitgenommen, mir einen Ball in die Hände gedrückt und gesagt: Spiel ein bisserl, damit du auch ein guter Fußballer wirst. Und ich kickte auf den Nebenplätzen mit Begeisterung und wurde immer besser.“

Tennis war zu teuer
Doch Muster, schon damals ein Sturschädel, setzte sich durch und bekam einen orangefarbenen Snauwaert-Schläger um 600 Schilling. Die Eltern meldeten ihn beim Tennisklub an. Dort erkannte Heinz Muster schnell das Talent seines Sohnes.
Auch später, als es Tom zum besten Sandplatzspieler der Welt schaffte, tauchte er immer wieder bei Turnieren auf. Aber er hielt sich stets im Hintergrund.

Nur Freunde der Familie wussten, wie eng die Vater-Sohn-Beziehung in Wirklichkeit immer war.

Auszeit in Australien
Auch dann, als Muster nach seinem ersten Rücktritt 1999 ins australische Noosa Heads übersiedelte und die TV-Moderatorin Jo Beth Taylor heiratete. Um die Weihnachtszeit flog Muster seine Eltern regelmäßig ein und spielte mit dem Vater Golf.

Bei einem seiner wenigen Besuche in der Heimat schockte Muster seine Fans mit Bildern, die ihn beim Golfen zeigten – mit 20 Kilo Übergewicht. Auch privat ging’s drunter und drüber. Geburt seines Sohnes Christian 2001, vier Jahre später die Scheidung.

Hochzeit Nr. 2, Comeback
Doch Muster, der Perfektionist, hasst Chaos. Er verlegte seinen Hauptwohnsitz zurück nach Österreich und begann, sein Leben neu zu ordnen. Herwig Straka, der das Management von Ronnie Leitgeb, der ihn zur Nummer 1 der Welt gemacht hatte, übernahm, half ihm dabei.

Vor fünf Jahren lernte Thomas Muster die bodenständige Kauffrau Caroline Ofner kennen. Hochzeit 2009. Kurz später kam Tochter Maxim zur Welt. Obwohl sich Muster rührend um die Kleine kümmert, wollte er sich tennismäßig noch einmal austoben und holte sich von seiner Frau die Erlaubnis für sein Comeback und trainierte wieder sechs Stunden am Tag. „Ein Experiment“, wie er sagt. „Ich wollte wissen, inwiefern ein über 40-Jähriger mit den Jungen noch mithalten kann.“

Auch wenn er in eineinhalb Jahren nur zwei Matches gewann, sagt er: „Es hat sich auf jeden Fall ausgezahlt. Ich bereue überhaupt nichts.“ Tennis-Insider Günter Bresnik, der Trainer des 18-jährigen Dominic Thiem, der Muster in der Stadthalle in Pension geschickt hatte, staunt: „Muster hat sich im letzten Jahr tennismäßig unglaublich verbessert.“

Dennoch hört er jetzt endgültig auf. Weil er für seinen Vater da sein will. „Ich will ihm noch möglichst viel zurückgeben.“
 

"Vielleicht verfilme ich mein Leben"

ÖSTERREICH: Herr Muster, wie war der erste Tag in Tennispension?
Thomas Muster: Der war, sagen wir, ziemlich flau. Denn ich bin erst um vier Uhr aus der Stadthalle heimgekommen. Dass Julian Rachlin bis in der Früh für mich ein Privatkonzert gegeben hat, hat super gepasst. Es war wunderschön.

ÖSTERREICH: Sie hatten das Image des Unnahbaren – warum sind Sie plötzlich so aus sich herausgegangen?
Muster: Dazu war früher kein Platz. Du hast nur eine gewisse Zeit zur Verfügung, die musst du dir einteilen: für Interviews, Sponsoren, Fans und zur Regeneration. Dazu verbringst du bis zu sieben, acht Stunden am Platz. Mein Tag hatte auch nur 24 Stunden. Und wenn du sehr populär bist, musst du eine Schutzmauer aufbauen, denn sonst schaffst du es nicht, dich für die Dinge vorzubereiten, die dich so populär machen. Wenn du jeden Tag ein Stück von dir runterreißt, geht es dir wie einem Baum, der irgendwann einmal keine Blätter mehr hat.

ÖSTERREICH: Haben Sie je unter dem Image der ,Maschine Muster‘ gelitten?
Muster: Als Sportler wird man an seiner Leistung gemessen, da reicht es nicht, wenn man ein netter Kerl ist. Man ist in einem Hamsterradl. Aber irgendwann einmal schafft man es dann doch, dass man auf andere Aspekte auch Rücksicht nimmt, man reift menschlich. Wenn man dann Vater wird und eine eigene Familie hat, hilft einem das natürlich. Für das alles ist in einer aktiven Karriere leider wenig Zeit.

ÖSTERREICH: Bei Ihrem Abschied in der Stadthalle sprachen Sie von einem Krankheitsfall in der Familie, der Ihnen sehr nahe geht …
Muster: Natürlich war auch das ausschlaggebend für meinen Rücktritt. Aber ich will das nicht über die Medien ausbreiten. Es wird aber jeder verstehen, dass meine Familie mich mehr braucht als das Tennis.

ÖSTERREICH: Inzwischen ist bekannt, dass Sie sich um Ihren Vater sorgen.
Muster: Das betrifft meinen Vater, und ich will darüber in der Öffentlichkeit nicht sprechen.

ÖSTERREICH: Welchen Anteil hat Ihr Vater an Ihrem Erfolg?
Muster: Er war meine Triebfeder. Er kommt aus dem Sport und er hat mich dorthin gebracht, er ist jahrelang mit mir herumgefahren. Ich habe ihm alles zu verdanken. Ich hoffe, dass ich ihm etwas zurückgeben kann.

ÖSTERREICH: Ihre erste Tennis-Erinnerung mit ihm?
Muster: Als ich das erste Racket haben wollte, hat er nur gemeint: ,600 Schilling – ob sich das auszahlt für die paarmal Spielen? Nein!‘ Ich hab’s trotzdem bekommen – einen orangefarbenen Snauwaert-Schläger. Damals war ich sieben Jahre alt und ich kann mich noch erinnern, als wäre es gestern. Es sollte sich als gute Investition herausstellen.

ÖSTERREICH: Wie hat Ihre Ehefrau den Rücktritt aufgenommen?
Muster: Wir hatten einen Deal – Caroline hat mir geholfen, meine Midlife-Crises zu bewältigen, sie hätte mich bis 45 spielen lassen. Sie hat sich gefreut, dass ich so viel Gutes für meinen Körper getan habe. Aber die Entscheidung jetzt hat sie völlig mir überlassen. Ich bin ihr dankbar, dass sie in der Stadthalle dabei war und mich unterstützt hat. Letztes Jahr in der Stadthalle hat sie die unglaubliche Stimmung zum ersten Mal mitbekommen – das hat sie ja von früher nicht gekannt, das war eine neue Welt für sie. Sie hat ja den Thomas geheiratet, nicht den Thomas Muster.

ÖSTERREICH: Wie schaut Ihr neues Leben daheim aus?
Muster: Ich werde meiner Tochter öfter in der Früh das Flascherl herrichten – weil ich ja viel mehr daheim sein werde. Ich werde mich auch um meinen Sohn in Australien kümmern. Der wird nächstes Jahr elf Jahre alt – es ist mir sehr wichtig, dass ich auch zu ihm eine gute Beziehung aufbaue. Und ganz ohne Training geht es auch nicht, schließlich will ich noch Seniors-Turniere spielen.

ÖSTERREICH: Sie haben doch sicher auch spannende Projekte im Hinterkopf …
Muster: Ich will eine professionelle Vortragsreihe aufzuziehen. Außerdem ist man an mich herangetreten, mein Leben und meine Karriere zu verfilmen. Ich muss mir aber noch gründlich überlegen, ob ich da mitmache.Knut Okresek


 

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