Lese-Wettbewerb

Wawerzinek gewinnt Bachmann-Preis

Teilen

Der Deutsche setzte sich im Stechen gegen die Schweizerin Dorothee Elmiger durch.

Mit Peter Wawerzinek haben die 34. Tage der deutschsprachigen Literatur einen Preisträger, der im besten Sinne des Wortes ein Schriftsteller ist. Sein Roman "Rabenliebe" überzeugte sowohl die Jury als auch das Publikum, denn der 55-Jährige erhielt auch den via Internet ermittelten Publikumspreis und ist damit doppelter Gewinner. Jubeln darf endlich wieder einmal auch die Schweiz, mit der bisher weithin unbekannten Dorothee Elmiger als Kelag-Preisträgerin. Judith Zander war als 3sat-Preisträgerin doch eine Überraschung, Aleks Scholz als Ernst-Willner-Preisträger hingegen nicht. Die Österreicher gingen - wieder einmal - leer aus.

"Entblößender" Roman
Wawerzinek arbeitet in seinem im August erscheinenden Roman seine Kindheit in einem Waisenhaus auf, wo er als zurückgeblieben eingestuft und von den anderen wegen seiner Magerkeit als "Weberknecht" tituliert wird. Sprachlich changiert der Autor, der als Kind von seinen nach Westdeutschland geflüchteten Eltern in der DDR zurückgelassen worden ist, gekonnt zwischen geradlinigen Erinnerungen und poetischen Einschüben und erhielt den Preis im zweiten Anlauf.

Dass Wawerzinek keinen Literaturwettbewerb im Sinn hatte, als er sein Buch schrieb, war hör- und lesbar. Er hat literarisch einen weiten Weg zurückgelegt von der Sandlergeschichte, mit der er 1991 beim Klagenfurter Wettlesen ein Stipendium gewann, bis zum diesjährigen Text, dessen Thema ihn "seit Jahrzehnten" beschäftigte und in dem er sich "entblößt", wie er sagt. Er sei überrascht über die freundliche Bewertung durch die Juroren gewesen: "Sie hätten mich ruhig ein bisschen mehr anpieksen können."

Stark schwankende Qualität der Texte
Dorothee Elmiger, im vergangenen Jahr noch als Stipendiatin beim Literaturkurs in Klagenfurt, las einen sperrigen Text, der mit literarischen Versatzstücken arbeitet, vor einem apokalyptischen Hintergrund, und brachte damit laut Jury die "Sprache der Jugend" in den Wettbewerb. Judith Zanders Roman über eine unerwünschte Schwangerschaft ist in der Tonalität völlig entgegengesetzt und strahlt viel Trostlosigkeit aus. Aleks Scholz wiederum brachte eine Distanziertheit ein, die Juror Hubert Winkels dazu verleitete, von der "Erzählperspektive Google Earth" zu sprechen. Vielen war sein Beitrag jedoch zu kalkuliert, genau auf den Wettbewerb hingeschrieben.

Insgesamt war die Qualität der Texte doch stark schwankend, so wurde kaum je ein Beitrag derart verrissen wie die Horrorgeschichte von Iris Schmidt. Ziemlich lau fiel auch die Performance der beiden Österreicher Thomas Ballhausen und Josef Kleindienst aus. Beide vermochten weder Jury noch Publikum zu überzeugen. Der Auftritt von Verena Roßbacher war zwar alles andere als lau, sondern extrem engagiert im Vortrag und auffallend in seiner Andersartigkeit. Manieristisch und hochartifiziell spaltete die Autorin Zuhörer und Jury. Es gab nur vehemente Ablehnung oder euphorisches Lob. "Sie hat Sound reingebracht, ich konnte da richtig körperlich mitgehen", bedauerte Wawerzinek nach dem Wettbewerb die Tatsache, dass es Roßbacher nicht einmal auf die Shortlist geschafft hatte.

Wettbewerb soll so beibehalten werden
Unterschiedlich war auch die Performance der Jury. Fast schon traditionell kamen die Autoren am Donnerstagvormittag im ersten Lesedurchgang schlechter weg als an den anderen Tagen. Der "Neue", Hubert Winkels, fügte sich sehr gut in die Runde ein, Juryvorsitzender Burkhard Spinnen glänzte wie immer sowohl mit Bonmots als auch mit messerscharfen Bewertungen. Meike Feßmann hat - mit der Auswahl von Wawerzinek - alles richtig gemacht. Hildegard Keller wollte niemandem wehtun, entsprechend vorsichtig agierte sie auch bei ihren Beurteilungen. Paul Jandl und Alain Claude Sulzer brachten oft sehr unterschiedliche Sichtweisen ein, aus dem Rahmen fiel hingegen Karin Fleischanderl, die vielen Zuhörern schlicht zu destruktiv erschien.

Spinnen hielt in seinem abschließenden Resümee ein Plädoyer für die Durchführung des Wettbewerbs in seiner derzeitigen Form. Es gebe zahllose "Verbesserer", die ihm ständig Vorschläge machten, viele davon würden meinen, das Vorlesen der Texte durch die Autoren solle abgeschafft werden, man könne die Texte ohnehin im Internet finden. Mit den Lesungen werde aber eine Kulturtechnik gepflegt, die in Gefahr sei, vergessen zu werden. "Ich habe nichts gegen Hör-CDs, aber in 40 Prozent der deutschen Haushalte wird den Kindern nicht mehr vorgelesen." Abschließend dankte Spinnen Moderatorin Clarissa Stadler, die merklich darunter litt, nicht mitdiskutieren zu dürfen, und der Organisatorin des Wettbewerbs, Michaela Monschein.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.