Die Gäste sitzen im Restaurant und wissen, wo der Koch schläft. Sie wissen auch, wie seine Badewanne aussieht, was für Bücher auf seinem Nachttisch liegen und dass auf der Toilette eine Plastikmadonna blinkt. Die Gäste sitzen in einem Londoner "Untergrund"-Restaurant. Dabei kochen Privatleute bei sich zu Hause für fremde Menschen.
Ganz geheim, ein bisschen am Gesetz vorbei und vor allem ziemlich angesagt ist das. Mehr als zehn dieser "Pop-up"-Restaurants zählt die britische Hauptstadt bereits, und es werden immer mehr. Einer der Guerilla-Köche ist Arno Maasdorp. Der 40-Jährige verwandelt seine Wohnung im Stadtteil Brixton zweimal die Woche in ein Restaurant. Jedes Mal kocht er für 16 Gäste in seiner Mini-Küche ein Fünf-Gänge-Menü. Dabei gibt es aber nicht einfache Kost wie Spaghetti Bolognese, sondern selbst gebackenes Brot, Gnocchi mit Chili-Pilzen, Seebarsch im Muschelsud und Birnen-Grieß-Kuchen mit Salz-Karamell. "Viele Restaurants in London sind teuer und schlecht. Ich wollte meine Lust am Kochen mit anderen teilen", erklärt Maasdorp, der auch als Food-Stylist Essen ins rechte Licht rückt.
25 Pfund, umgerechnet rund 28 Euro, ist der Mindestpreis für das Dinner im "Saltoun Supper Club" - so billig kommt man normalerweise in der britischen Metropole für solche Qualität nirgends weg. Ganz legal ist das Ganze freilich nicht, aber damit er keine Probleme mit den Behörden bekommt, nennt Maasdorp sein Restaurant einen Club, die Bezahlung ist eine "Spende" und Gäste bringen den Alkohol selber mit.
Die Idee ist nicht ganz neu und erinnert an die sogenannten Paladares in Kuba - Privatrestaurants, die nicht vom sozialistischen Staat geführt werden. Auch in Berlin kommen hier und dort immer wieder geheime Örtlichkeiten zum Essen und Trinken auf. Vor allem in der Wirtschaftskrise hat sich das Konzept auch im geldgetriebenen London als Renner erwiesen.
Die Preise pro Dinner variieren dabei jedoch zwischen 20 und mehr als 100 Pfund bei einem ehemaligen Koch des spanischen Super-Restaurants "El Bulli". Und auch andere alternative Bewirtungsmethoden machen Schule. So steht zum Beispiel im Stadtteil Vauxhall in einem ehemaligen besetzten Haus jeden Tag ein anderer Hobby-Koch hinterm Herd und kocht mit Zutaten, die hinterm Haus angebaut werden.
Das Publikum scheint jedenfalls allerorts hellauf begeistert. "Gerade in schweren Zeiten boomt sowas, die Leute haben einfach nicht viel Geld für teure Restaurants. Und hier ist alles viel intimer als in einem charakterlosen Ketten-Restaurant", sagt Carrie-Anne Brackstone, die mit drei Freunden im "Saltoun Supper Club" beim Essen sitzt. Der einzige Nachteil: Ein Abendessen ist nur schwer zu ergattern. Schon Monate im Voraus sind die meisten Plätze im Untergrund ausgebucht.
INFO: Saltoun Supper Club: www.eatwithyoureyes.net