76-jähriger Firmengründer erneut vor Gericht wegen gefährlicher Billig-Silikone.
Im Skandal um minderwertige Brustimplantate der französischen Firma PIP hat am Montag in Aix-en-Provence der Berufungsprozess begonnen. PIP-Gründer Jean-Claude Mas wies den Vorwurf des "schweren Betrugs" zurück. Mit ihm nahmen vier weitere PIP-Verantwortliche auf der Anklagebank Platz. Der Prozess soll bis 27. November dauern.
Billiges Industrie-Silikon
Der Skandal um die französische Firma Poly Implant Prothese (PIP) war im Jahr 2010 bekannt geworden: PIP hatte seine Brustimplantate statt mit Spezial-Silikon mit billigerem Industrie-Silikon befüllt, sie reißen leichter und können Entzündungen auslösen. Weltweit wurden zehntausenden Frauen PIP-Implantate eingesetzt. Allein in Deutschland sind Schätzungen zufolge rund 6.000 Frauen betroffen. Für Österreich vertritt der Verein für Konsumenteninformation (VKI) rund 70 Betroffene.
Mas war schon bei einem Strafprozess in Marseille im Dezember 2013 unter anderem des Betrugs schuldig gesprochen worden. Der heute 76-Jährige wurde zu vier Jahren Haft und 75.000 Euro Strafe verurteilt, darf fortan nie wieder im Gesundheitssektor arbeiten und kein Unternehmen mehr gründen. Das Berufungsverfahren hat für seine Strafe aufschiebende Wirkung.
Auf die Frage des Richters nach seinen Beweggründen für eine Berufungsklage antwortete Mas am Montag: "Ich kann nicht akzeptieren, ich akzeptiere nicht, dass der Betrug als schwerer Betrug eingestuft wird." Mas hatte bereits früh eingestanden, betrügerisch gehandelt zu haben, aber stets bestritten, dass das von PIP verwendete Gel schädlich gewesen sei.
Im Dezember 2013 verurteilten die Richter Mas unter anderem wegen Betrugs am TÜV - sie sahen es als erwiesen an, dass der Firmenchef die Kontrolleure bei ihren Besuchen vorsätzlich täuschte. Der TÜV Rheinland hatte das Herstellungsverfahren bei PIP zertifiziert, nicht aber die Silikonkissen selbst kontrolliert.
Einen Monat zuvor hatte das Handelsgericht von Toulon den TÜV zur Zahlung von Schadenersatz an rund 1.700 betroffene Frauen und mehrere Händler verurteilt. Das Gericht hielt dem TÜV vor, gegen seine "Kontroll- und Aufsichtspflichten" verstoßen zu haben. Am 2. Juli wurde das Urteil jedoch aufgehoben: Das Berufungsgericht von Aix-en-Provence erklärte, der TÜV habe seine Kontrollpflichten erfüllt.
Nur drei Wochen später zogen erneut tausende Frauen mit Schadenersatzforderungen gegen den TÜV in Toulon vor Gericht. Eine Entscheidung in diesem Revisionsverfahren wird am 10. Dezember erwartet.
Am Ende der Berufung im Strafverfahren könnten Entschädigungszahlungen aus einem Sozialfonds stehen, außerdem sei den Betroffenen die rechtskräftige Verurteilung der Beschuldigten ein Anliegen, sagte Peter Kolba, Leiter des Bereichs Recht im VKI, am Montag der APA. Weiters geht es nach drei verlorenen Musterprozessen gegen die französische Allianzversicherung, die sich nur für in Frankreich lebende Opfer zuständig fühlt, ebenfalls in die Berufung. Als dritte Schiene verfolgt der VKI die Sammelklage gegen den TÜV Rheinland, der sich die österreichischen Betroffenen angeschlossen haben.