Partystimmung

"Killing Carmen" an der Volksoper: Oper 2.0 für Aficionados in spe

Erfolgsduo Nils Strunk und Lukas Schrenk erzählt Bizets Kassenschlager gekürzt und aufgepeppt für Operneinsteiger nach

Partystimmung am Gürtel. Ein allabendliches Bild, nicht aber unbedingt in der Volksoper. Anders am Mittwoch, hat das Erfolgsduo Nils Strunk und Lukas Schrenk mit "Killing Carmen" doch seine nächste Klassikeradaption nach der "Zauberflöte" an der Burg vorgelegt. Und fest steht: Der Femizid für Einsteiger funktioniert. Wer "Carmen" noch nicht kennt, kann sich dem Werk barrierefrei nähern. Wer die Bizet-Oper hingegen schon gesehen hat, hat kleinere Barrieren zu überwinden.

"Killing Carmen"

© Jenni Koller/Volksoper Wien

Die Exekution steht bevor

Angesiedelt ist "Killing Carmen" 13 Jahre, nachdem der enttäuschte Liebhaber Don José Carmen erstochen hat. Der Mörder sitzt im Gefängnis und wartet nun endlich auf die Hinrichtung. Offenbar arbeitet auch die Justiz im Carmen-Land an der Belastungsgrenze. Und vermutlich hat irgendein schmieriger Winkeladvokat über die Jahre hinweg auch noch die letzte Chance zur Berufung genutzt und den Fall immer wieder verzögert.

"Killing Carmen"

© Jenni Koller/Volksoper Wien

Aber wie dem auch sei. Eigentlich spielt der Täter von damals keine Rolle, die Überlebenden stehen im Fokus. Carmens Zigarettenfabrik ist geschlossen, das Regiment von Don José aufgelöst. Was aber immer noch steht, ist die altbekannte Bar von Lillas Pastia. Lokalsterben ist im Carmen-Land offenbar kein Thema. In der reduziert möblierten Spelunke ertränkt der einstige Toreador Escamillo jeden Abend seinen Kummer, während nun auch die übrigen Proponenten am Tag der Hinrichtung eintreffen.

Der Blick nach vorne lediglich Staffage

Diese an sich reizvolle Ausgangslage entpuppt sich allerdings bald als lediglich überleitender Rahmen und Staffage, ist die "Killing Carmen" am Ende doch ein weit weniger eigenständiges Werk, als man hätte erwarten können. Die Rückblenden übernehmen letztlich, und so entfaltet sich eine leicht verkürzte "Carmen" in Bandversion. Die auch in der "Carmen"-Vollversion engagierte Katia Ledoux interpretiert ihren Part auch in dieser aufgepeppten Variante, für die der französische Musiker Gabriel Cazes eine sechsköpfige Band arrangiert, in der sich unter anderen Indie-Tausendsassa Hans Wagner (Neuschnee) findet.

"Killing Carmen"

© Jenni Koller/Volksoper Wien

Ein wenig zwischen Tiger Lillies und Christoph Marthaler im Beschleunigungsmodus changierend, interpretiert man die Bizet'schen Gassenhauer neu, mixt hie und da Jazz oder auch schiere Musicalklänge mit ein, hat man mit Genrestar Anton Zetterholm als Don José doch einen Experten bei der Hand. Erzkomödiantin Julia Edtmeier kann als mittlerweile freche-selbstbewusste Micaëla und Schmuggler-Hauptmann Dancaïro brillieren, Stefan Cerny als trunkener Toreador.

Nicht jeder Schuss ein Treffer

"Killing Carmen"

© Jenni Koller/Volksoper Wien

Am Ende steht ein Abend, bei dem nicht jeder Schuss ein Treffer ist, der aber das Potenzial hat, Menschen zur "Carmen" zu bringen, die alleine das Wort "Oper" abschrecken würde. Und damit hat die "Killing Carmen" zweifelsohne ihre Berechtigung, was sich nicht zuletzt an der Stimmung des volksopernuntypischen Premierenpublikums zeigte.

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