Warum unseren Körpern mehr Indifferenz besser täte.
Britney Spears scheint es nicht leicht zu haben. Nachdem die Sängerin, die erst kürzlich aus ihrer Behandlung wegen mentaler Erschöpfung aus einer psychiatrischen Einrichtung entlassen wurde, gibt es wieder Ärger. Diesmal sind die Probleme den amerikanischen Paparazzi zuzuschreiben. So wurde Britney bei ihrem Urlaub in Miami von ihnen – höchst unvorteilhaft – abgelichtet. Auf Instagram kommentierte sie kurz nach Veröffentlichung der Bilder: „Gestern war ich schwimmen und habe 40 Pfund (18 Kilogramm) schwerer ausgesehen, als ich es bin. So sehe ich jetzt aus und ich bin dünn wie eine Nadel.“ In selbigem Video posierte die Sängerin im selben Bikini, in dem sie zuvor von Paparazzi abgebildet worden war. Spears mutmaßte daraufhin, dass die Fotografen die Bilder zu ihrem Nachteil manipuliert hätten. „Viele Fans kritisieren, dass gepostete Fotos und Videos nicht aktuell oder sogar manipuliert seien. Aber niemand fragt, ob die Paparazzi-Fotos manipuliert sind und was die Paparazzi mit den Fotos machen“, stellte die Sängerin verärgert fest. „Das ist eine Verschwörungstheorie, die mich sehr interessiert“, erklärte sie weiter.
Die Fotoagentur, die die Bilder veröffentlichte, äußerte sich daraufhin gegenüber dem US-Magazin „Page Six“ zu den Vorwürfen und bestritt diese als lächerlich: „Wir finden, Britney sieht großartig aus, und es ist lächerlich uns vorzuwerfen, dass die Fotos oder Videos in irgendeiner Weise verändert wurden.“
Selbstbild/Fremdbild
Verschwörung hin oder her, Fotos haben – ob posiert oder als Schnappschuss – zumeist wenig mit der tatsächlichen körperlichen Realität zu tun. Als öffentliche Person sieht sich Britney Spears im Gegensatz zu einer Durchschnittsbürgerin wohl häufiger mit Bildern konfrontiert, die nicht zu 100 Prozent ihrem Gefallen entsprechen, doch die eigenen vermeintlichen Problemzonen aufgezeigt zu sehen, ist vielen Frauen, wie auch Männern nicht unbekannt. In diesen Unsicherheiten gründet die „Body Positivity“-Bewegung, die in den vergangenen Jahren mit großem Elan proklamierte, dass jeder Körper schön sei und man sich einfach selbst lieben müsse. Doch setzt es nicht auch einen ungesunden Standard, wenn alle schön divers, schön besonders, schön schön sind? Muss man sich und seinen Körper wirklich ständig abfeiern? Und weiter: Will man sich überhaupt über seinen Körper – wie auch immer er geformt sein mag – definieren? Das Thema brachte die Diskussion weiter ins Rollen, was einen fruchtbaren Boden für eine weitere Einstellung rund um diese Problematik bot: Body Neutrality.
Positive Indifferenz
Diesen Begriff erstmals aufgebracht hat die US-Amerikanerin Melissa Fabello 2015 in einem Blogpost. Ein Beispiel: „Body Neutrality heißt, sich morgens nach dem Aufwachen einfach als Erstes zu fragen: ,Wie fühle ich mich in meinem Körper?‘ Es geht darum, herauszufinden, was du brauchst, um dich gut zu fühlen, seien es Pancakes oder Oatmeal zum Frühstück, Wasser gegen Kopfschmerzen oder einfach noch eine Runde Schlaf.“ Body Neutrality heißt, dass man sich Komplimente für das Aussehen macht, weil das Gegenüber von innen heraus strahlt, glücklich und zufrieden wirkt – und eben nicht dafür, dass die physische Erscheinung hübsch ist. Body Neutrality heißt, dass man Sport macht, weil es sich gut anfühlt, man sich bewegen will, und nicht primär, weil man fitter aussehen will. In dem Buch „Beyond Beautiful“ schreibt Autorin Anuschka Rees, dass die Gesellschaft sich davon trennen muss, Aussehen als etwas Ausschlaggebendes zu empfinden. „Ich glaube nicht, dass es die Lösung aller Body-Image-Probleme ist, Frauen einfach immer zu sagen: ‚Ihr seht alle ganz toll aus‘“, so Rees.
„Aussehen bestimmt nicht den Wert eines Menschen. Man muss nicht das eigene Spiegelbild toll finden, um im Leben zufrieden zu sein.“ Und es ist nicht nur die Gefallsucht oder Selbstdarstellung auf Social Media, die den Schönheitswahn prägen, sondern auch bloße Gespräche mit anderen. „Frauen sollen nicht arrogant sein, also sollen sie negativ über den eigenen Körper reden. Das wird uns so beigebracht“, sagt Rees. Und tatsächlich werfe doch bitte diejenige den ersten Stein, die noch nicht gemeinsam mit Freundinnen die eigenen Makel inspiziert hat. „Wir halten uns selber fest in diesem Strudel von negativen Gedanken. Indem wir andere einladen, schlecht über ihren Körper zu reden, verfestigen wir das Ritual auch noch“, findet Rees. Ihr Tipp klingt einfach, verlangt aber Konsequenz: nicht mitmachen. Klar lässt sich nicht von heute auf morgen ein Schalter im Kopf umlegen, dennoch ist die neutrale Einstellung dem eigenen Körper gegenüber immer mehr im Kommen. Eine Entwicklung, die man ruhig super finden kann.