Interview

Miriam Höller: "Das Leben ist ungerecht..."

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Das Leben ist ungerecht - und das ist gut so, schreibt  Miriam Höller in ihrem Buch über ihren Unfall und den Tod ihres Partners Hannes Arch. Mit MADONNA sprach sie auch über die Liebe, die man sich auch nach einem solchen Verlust gewähren sollte.   

Aus purer Lebensfreude, Energie und so vielen Träumen bestand ihr Leben. Bis zum Juli 2016, als sich die erfolgreiche und schöne deutsche Stuntfrau bei einem Arbeitsunfall beide Füße brach. Doch nicht nur unfassbare körperliche Schmerzen sollten zur Lebensprüfung für Miriam Höller werden – nur zwei Monate später, sie sitzt noch im Rollstuhl, stirbt ihre große Liebe, der steirische Air Race-Held Hannes Arch († 48) bei einem Helikopter-Absturz. Über ihren Weg aus tiefster Verzweiflung erzählt die 37-Jährige nun in einem Buch, das für sie Therapie war, und auf großen Bühnen als Keynotespeakerin. Weil Miriam Höller, die jetzt auch ihre neue Liebe outete, heute anderen Menschen Antworten auf jene Fragen geben will, die sie selbst beinahe in den Suizid getrieben haben.

Air Race-Pilot Hannes Arch verunglückte 2016 tödlich.

Air Race-Pilot Hannes Arch verunglückte 2016 tödlich.

© Wolfgang Lienbacher
× Air Race-Pilot Hannes Arch verunglückte 2016 tödlich.

"Man kann auch Schönheit in der Zerstörung finden" 

Sie haben acht Jahre lang an diesem Buch gearbeitet – wie geht es Ihnen jetzt, wo es endlich erschienen ist?
Miriam Höller: Das ist ein unglaubliches Gefühl – ein sehr kraftvolles. Zum einen, weil die Arbeit daran eben so lange gedauert hat und so intensiv war, aber auch weil ich in diesem Buch sehr intime Einblicke gebe und – wie ich glaube – dem Leser sehr wertvolle Lehren mitgebe. Das war mein Ziel: dass es so gut ist, dass wirklich jeder Leser für sich etwas mitnehmen kann.

Hat die Arbeit daran nicht wieder viele Wunden aufgerissen?
Höller: Ich habe zu therapeutischen Zwecken – bereits als ich im Krankenhaus mit den gebrochenen Füßen lag – zu schreiben begonnen. Diese alten Texte von besonderen Lebenssituationen habe ich überarbeitet und wichtigen Themen zugeteilt. Am Ende jedes Kapitels schreibt die Miriam, wie sie heute auf die Situation blickt und welche Lehren sie daraus gezogen hat. Ich habe viel geweint, und auch gezweifelt, ob ich den Leser so tief in mein Herz schauen lassen möchte. Letztlich war mir aber immer klar, warum ich dieses Buch schreibe: Um Menschen zu ermutigen, Herausforderungen als Chance zu nutzen.

Und um auch nun alles loslassen zu können, wie Sie schreiben. Können Sie das?
Höller: Ja, irgendwann kam dieser Moment – in dem ich von dem Titel meines Buches überzeugt war, weil ich Frieden mit dem Leben geschlossen hatte. Irgendwann, wenn wir unsere Hausaufgaben gemacht und den anstrengenden Weg der Heilung gegangen sind, schauen wir auf unsere Vergangenheit und sagen: Es war schmerzhaft, aber ich habe vielleicht sogar auch die Schönheit in der Zerstörung gefunden.

Das neue Buch von Miriam Höller (Econ, 20,60 Euro)

Das neue Buch von Miriam Höller (Econ, 20,60 Euro)

© Verlag Econ
× Das neue Buch von Miriam Höller (Econ, 20,60 Euro)

"Meine suizidalen Gedanken haben mich selbst erschrocken"

Sie erzählen auch, dass Sie an einem Punkt darüber nachdachten, Ihrem Leben ein Ende zu setzen. Was hat Sie davor gerettet?
Höller: Die suizidalen Gedanken, die ich damals hatte, haben mich selbst erschrocken, weil ich so fassungslos davon war, wie ein Mensch, der so viel Lebensfreude, so viel Energie und Träume hatte, derart abstürzen kann und nicht nur sich selbst, sondern das gesamte Leben in Frage stellt. Dadurch, dass ich immer viel gesprochen und auch gefragt habe, ist mir schließlich aufgefallen: Ich bin gar nicht alleine mit diesen schlimmen Gedanken und den Herausforderungen des Lebens. Das ist auch genau der Grund, warum ich das Buch geschrieben habe und Vorträge halte. Weil ich heute wieder so kraftvoll bin – und nun anderen Menschen Halt und Orientierung mit meinen Antworten geben kann.

Ihr Unfall ist passiert, weil Sie Grenzen überschritten und nicht Nein gesagt haben – wissen Sie heute genau, wo Ihre Grenzen sind und artikulieren Sie diese?
Höller: Als Stuntfrau bin ich häufig über Grenzen gegangen, die nur in meinem Kopf waren. Das waren Grenzen, die ich ganz leicht verschieben konnte, weil ich zu so viel fähig war. Aber dann gibt es einfach Grenzen, die wir übersehen – oder sie sogar sehenden Auges überschreiten. Und dann passiert natürlich etwas. Ich war damals schon zehn Jahre als Stuntfrau im Einsatz – unfallfrei. Passiert ist der Unfall dann, als ich den Job schon gar nicht mehr als Priorität gesehen habe, sondern Mama werden wollte. Mit dem Fokus bei ganz anderen Themen habe ich meine Grenzen nicht eingehalten. Weswegen dieser Unfall auch so an meinem Ego genagt und mich zum Reflektieren gezwungen hat.

Ihren Job als Stuntfrau musste sie nach dem Unfall aufgeben. 

Ihren Job als Stuntfrau musste sie nach dem Unfall aufgeben. 

© Instagram/Miriam Höller
× Ihren Job als Stuntfrau musste sie nach dem Unfall aufgeben. 

Nach ihrem Unfall saß Miriam lange Zeit im Rollstuhl. 

Nach ihrem Unfall saß Miriam lange Zeit im Rollstuhl. 

© Instagram/Miriam Höller
× Nach ihrem Unfall saß Miriam lange Zeit im Rollstuhl. 

Denken Sie, ist es Ihrem damaligen Lebensgefährten, Hannes Arch, ähnlich ergangen. Hat er auch Grenzen überschritten, die zu dem tödlichen Unfall führten?
Höller: Die Konsequenzen in unserem Beruf sind sehr, sehr groß. Das hat mein Unfall gezeigt – und das hat auch das tödliche Ende von Hannes gezeigt. Dennoch: was da in dem Cocktail passiert ist, wissen wir alle nicht. Hat er Grenzen überschritten? Gab es technische Probleme? Es ist so viel spekuliert worden und ich habe mich jahrelang damit beschäftigt – aber auch das habe ich irgendwann losgelassen, weil die Konsequenz die gleiche bleibt.

Haben Sie durch diese Schicksalsschläge das Vertrauen ins Leben verloren?
Höller: Ich hatte komplett das Vertrauen ins Leben verloren. Davor gab es für mich die einfache Regel: Sei ein guter Mensch und arbeite immer fleißig, dann wird das Leben dich beschenken. Das sind aber nicht die Spielregeln des Lebens. Es ist völlig unkontrollierbar, was hier passiert. Wir können ja immer nur mit dem umgehen, was uns im Leben vor die Füße fällt. Vertrauen kommt erst wieder, wenn du merkst, okay, es liegt doch irgendwo ein Geschenk in der Zerstörung. Ich kann doch irgendwo dem Schlimmsten etwas Gutes abgewinnen – und etwas Neues formen, mich neu erfinden. Das habe ich getan.

Sie thematisieren auch die neue Liebe, die Sie nicht allzu lange nach Hannes‘ Tod gefunden haben. Wie schwer war es, sich diese selbst zu erlauben?
Höller: Ich war fasziniert davon, wie sehr wir uns doch zurückhalten, weil wir vor den Beurteilungen der Gesellschaft Angst haben. Ich wollte lange nicht zugeben, dass ich mich relativ schnell wieder verliebt habe. Bis ich irgendwann zu dem Punkt kam, mich nicht mehr dafür schämen zu wollen, was für mich lebensnotwendig war. Eine Partnerschaft, Liebe, Genuss und Leidenschaft waren für mich wichtig – und so stand mein Lebensinstinkt über der Meinung der Gesellschaft.

Letzte Woche haben Sie Ihre Beziehung mit Roland Trettl öffentlich gemacht. Wie präsent ist Ihre Vergangenheit in dieser Partnerschaft?
Höller:
Wir leben die Werte, die für uns in einer Beziehung sehr wichtig sind: offene Kommunikation, die das Fundament für ein vertrauensvolles Miteinander bildet. Unser Vorteil ist, dass wir uns schon seit 14 Jahren kennen. Roland war mit Hannes befreundet, ich kannte auch Rolands damalige Ehefrau und seinen Sohn. Wir haben beide unsere Vergangenheit – und sind keine Teenager mehr, die ohne Gepäck aufeinandertreffen. Wir kennen unsere Geschichten und sind sehr klar in unsere Beziehung gestartet, weil es da nichts auszuräumen gab. Wir haben beide Liebe erfahren und auch erlebt, dass Liebe enden kann. Jetzt lieben wir uns und gehen gemeinsam durchs Leben. Und das mit keiner jugendlichen Naivität, sondern mit einem Bewusstsein für das Leben, mit einem Bewusstsein für uns, für die Endlichkeit und als dementsprechend wertvoll betrachten wir das auch.

Miriam Höller und Star-Koch Roland Trettl sind verliebt. 

Miriam Höller und Star-Koch Roland Trettl sind verliebt. 

© Instagram/Miriam Höller
× Miriam Höller und Star-Koch Roland Trettl sind verliebt. 

Ist das nun Ihr Happy End?

Höller: Gewiss nicht. Es zeigt nur, dass uns das Leben negativ wie auch positiv immer wieder überraschen kann. Eine neue Beziehung, ein Kind, ein Haus, Geld.. wird nie ein Happy End sein. Das größte Happy End werde immer ich selbst sein, weil ich immer weiter gekämpft habe.

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