US-Behörde erteilte Flibanserin im dritten Anlauf die Zulassung
Nach zwei gescheiterten Anläufen kommt nun erstmals eine Lustpille für Frauen auf den Markt: Die US-Arzneimittelbehörde FDA genehmigte am Dienstag in Washington die Zulassung des Medikaments Flibanserin, das den weiblichen Sexualtrieb steigern soll. 2010 und 2013 war das "Viagra für Frauen", das unter dem Namen Addyi vermarktet wird, noch durchgefallen.
Wegen möglicher schwerer Nebenwirkung wurde die Zulassung nun an Auflagen geknüpft. "Die heutige Zulassung gibt Frauen, die über ihr geringes sexuelles Verlangen unglücklich sind, eine anerkannte Behandlungsoption", erklärte die Leiterin des FDA-Zentrums für Medikamentenprüfung, Janet Woodcock. Das Medikament wird demnach speziell zur Behandlung einer allgemeinen Hypoaktiven Sexualtriebsstörung (hypoactive sexual desire disorder, kurz HSDD) bei Frauen vor der Menopause zugelassen.
Einnahme vor dem Sex
Das Medikament wird täglich und nicht nur vor dem Sexualverkehr eingenommen. Es ist laut FDA ausdrücklich nicht anzuwenden, wenn der verminderte Sexualtrieb auf psychische oder körperliche Beschwerden, Beziehungsprobleme oder den Einfluss von Medikamenten oder anderen Drogen zurückzuführen ist.
Die FDA hob in ihrer Entscheidung außerdem hervor, dass Flibanserin nicht mit Alkohol eingenommen werden darf. Im Zusammenspiel mit Alkohol könne das Medikament ernsthafte Beschwerden wie Ohnmacht oder gefährlich niedrigen Blutdruck auslösen. Daher solle es nur auf Rezept in geprüften Apotheken erhältlich sein. "Patienten und Verschreiber sollten die Risiken im Zusammenhang mit der Einnahme von Addyi vollständig verstehen, bevor sie die Behandlung in Betracht ziehen", mahnte Woodcock.
Mit ihrer Entscheidung für die Zulassung folgte die FDA der Empfehlung eines Expertengremiums von Anfang Juni. Bei Prüfungen in den Jahren 2010 und 2013 hatte Flibanserin die Fachleute noch nicht überzeugt.
Daraufhin gab es heftige Kontroversen zwischen Frauenrechtsgruppen. Die einen warfen der FDA Sexismus vor, weil sie Viagra zugelassen habe, nicht aber Flibanserin. Andere behaupteten, das Unternehmen missbrauche die Aktivistinnen, um ein noch nicht als sicher bewiesenes Präparat durchzudrücken.
Wirkungsweise
Flibanserin wirkt über das Hirn der Frauen und soll den Spiegel des lusthemmenden Hormons Serotonin absenken. Im Gegenzug hebt das Medikament, bei dem es sich ursprünglich um ein Antidepressivum handelte, die Konzentration des Glückshormons Dopamin und des anregenden Hormons Noradrenalin im Blut an; beide können die weibliche Libido steigern. Laut FDA-Unterlagen hatten Frauen, die Flibanserin einnahmen, im Schnitt 4,4 Mal im Monat befriedigenden Sex. Bei der Vergleichsgruppe, die Placebos bekam, waren es 3,7 Mal, vor der Behandlung waren es nur 2,7 Mal im Monat.
Flibanserin war vom deutschen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim entwickelt worden, der das Patent nach der ersten gescheiterten Zulassung an die US-Firma Sprout Pharmaceuticals verkaufte. Sprout-Chefin Cindy Whitehead nannte die FDA-Zulassung einen "Durchbruch". "Heute feiern wir, was diese Zulassung für alle Frauen bedeutet, die lange auf eine medizinische Behandlung dieser lebensverändernden Beschwerde gewartet haben", erklärte sie. Sprout Pharmaceuticals hofft auf einen ähnlichen Erfolg wie beim Potenzmittel Viagra für Männer, das 1998 erlaubt wurde und sich zu einem Kassenschlager entwickelte.
Skepsis
Einige Experten, darunter der deutsche Berufsverband der Frauenärzte (BVF), äußern sich skeptisch über die Wirksamkeit des Mittels. Außerdem warnen sie vor Nebenwirkungen wie Müdigkeit, niedrigem Blutdruck und Schwindelanfällen, die durch Alkoholkonsum verstärkt werden. Auch ein erhöhtes Brustkrebsrisiko wird befürchtet. Eine von zwei Studien an Labortieren mit Flibanserin deutete darauf hin.
Medizinischen Studien zufolge klagen mindestens 40 Prozent der Frauen über mangelnde sexuelle Lust. Pharmahersteller weltweit haben diesen Markt daher schon seit Jahren im Blick, bisher ist aber noch keine Lustpille für Frauen erhältlich.