Knastliebe. Mit Jack Unterweger verband Anwältin Astrid Wagner eine Amour fou. Der Talk über die Faszination des Bösen.
Weil er sich mit der Kordel seiner Jogginghose im Gefängnis erhängte (29. 6. 1994), wurde das Urteil für weitere neun Morde nicht rechtskräftig. Jack Unterweger, eine der schillerndsten Täterpersönlichkeiten Österreichs, Serienmörder, Sexualstraftäter, aber auch Knastpoet, Szenetyp, Zuhälter und Womanizer. Astrid Wagner (heute 50) war damals frischgebackene Juristin und vom Chamäleon Unterweger fasziniert. Sie besucht ihn regelmäßig im Gefängnis, glaubt an seine Unschuld, eine spezielle Amour fou beginnt. Im offenen MADONNA-Interview spricht Wagner, heute Top-Anwältin in Wien, über die Faszination Verbrecher. Und darüber, warum viele Frauen das Böse lieben...
Was hat für Sie die Faszination Jack Unterweger ausgemacht? Immerhin galt er als Serienmörder und Vergewaltiger...
Astrid Wagner: Jack Unterweger hatte auf sehr viele Menschen eine sehr starke Wirkung. Er hatte ein starkes Charisma. Viele Prominente und Künstler haben sich für ihn mit Unterschriftenaktionen eingesetzt und keine Frage, dieses Charisma war auch für mich sehr stark spürbar. Ich stamme aus bürgerlichen Verhältnissen, war damals gerade mit dem Studium fertig. Damals war ein abgeschlossenes Studium noch ein Ticket in eine erfolgreiche Zukunft. Alles in meinem Leben war verplant. Ich hatte eine Beziehung, und es kam auch die Frage der Familiengründung auf... Ich dachte damals, das kann es doch noch nicht gewesen sein. Wobei mich immer schon das Verruchte interessiert hat. Ich hatte schon immer eine Faszination übrig für das Fremde, das Andersartige.
Wie und warum haben Sie damals zu Jack Unterweger Kontakt aufgenommen?
Wagner: Das war nach seinem Selbstmordversuch. Ich habe ihm einen Brief geschrieben, weil ich dachte, dass jemand Jack Unterweger Mut machen muss. Er hat dann vorgeschlagen, dass ich ihn im Gefängnis in Graz besuche.
Hatten Sie keine Angst?
Wagner: Es war ein Besuch zwischen Glas und Gitter. Was mich interessiert hat, war nicht die Tatsache, dass er damals nachweislich wirklich eine Frau umgebracht hat, sondern das Verwegene, seine Vergangenheit auf der Reeperbahn, als Zuhälter...
Wie würden Sie Ihre Beziehung beschreiben? Man hat Ihnen eine Affäre unterstellt...
Wagner: Die Erotik war unterschwellig. Es gab zu keinem Zeitpunkt mehr als Blicke, dezente Anspielungen, irgendwie alles offen lassend. Er war immer einer, der flirtet, und ich lasse mich auch gerne darauf ein, jede Frau mag das schließlich. Er war nie irgendwie ungut. Durch ein psychologisches Gutachten habe ich später erfahren, dass er sich vorstellen kann, mit mir eine Familie zu gründen. Ich wäre wohl schwach geworden, wenn es dazu gekommen wäre.
Sie waren verliebt in Jack Unterweger?
Wagner: Es war eine Schwärmerei. Ich habe mich zurückgehalten und er hat sich auch zurückgehalten. So würde ich unsere Beziehung beschreiben. Es waren immerhin zwei Jahre.
Warum verlieben sich Frauen in Männer, die im Gefängnis sitzen, die Mörder und Vergewaltiger sind?
Wagner: Da gibt es natürlich verschiedenste Gründe. Am Anfang ist es vielleicht das Faszinosum, das sehr bald, wenn man den Menschen besser kennt, dem Mitleid weicht und auch ein bisschen Bemutterung ist dabei. Der Autor Bandelow nennt das AMIGA-Syndrom (Akronym: Aber Meiner Ist Ganz Anders). Das habe ich auch bei Jacks Freundinnen bemerkt. Irgendwie war jede der Meinung, wenn er bei mir geblieben wäre und nicht geheiratet hätte, wäre alles ganz anders gewesen. Dann spielt auch das Unerreichbare mit. Dazu kommt, dass Häftlinge nicht fremdgehen können, nicht davonlaufen, nicht betrunken nach Hause kommen...
Ihre Beziehung ist damals wegen Unterweger gescheitert. Wie geht es Ihnen heute? Haben Sie Familie gegründet?
Wagner: Ich habe einen tollen Lebensgefährten, drei Katzen und einen großartigen Job.