Grenzgang. In 'Das jüngste Gericht' spielt Tobias Moretti einen Gescheiterten. Im Talk spricht er über Erfolg, Familienleben in der Toskana & Kinderziehung. Lukas Beck
Privat hat Kriminalkommissar Thomas Dorn mit Tobias Moretti wenig zu tun. Dorn hat mit dem Leben abgeschlossen, ist müde und desillusioniert. Gescheiterter. Traurig und apathisch. Im ORF-Zweiteiler „Das jüngste Gericht“ (Infos siehe Kasten) spielt Tobias Moretti (48) den kaputten Polizisten bedrohlich wahrhaftig. Als auch noch sein Sohn Opfer des brutalen Serienmörders wird, gerät er an die äußerste Grenze seiner Belastbarkeit
Toskanische Auszeit
Zwei Monate ist Moretti für den Thriller in Wien vor der Kamera gestanden. Am Ende des Drehs verletzte sich der passionierte Biker bei einem Motorradunfall derart am Knie, dass er drei Monate mit Krücken gehen musste. Tempi passati. Mittlerweile sitzt der Charakter-Mime mit Hang zum Abenteuer wieder auf seiner KTM. Ein Umstand, mit dem sich Ehefrau Julia abfinden muss. Mit ihr und den Kindern Antonia (10) und Lenz Valentin (8) lebte Diplom-Landwirt Moretti – auf seinem Bergbauernhof in der Nähe von Innsbruck betreibt er Rinderzucht – monatelang in der Toskana. Viel Stoff für ein Interview mit MADONNA über kaputte Typen, Auszeit mit der Familie und ewige Pubertät.
Wie ist es eigentlich für Sie, wenn Sie sich nach anstrengenden Dreharbeiten selbst auf der Leinwand sehen?
TOBIAS MORETTI: Meistens ist das alles schon wieder weit weg, weil die Filme in der Regel ein halbes Jahr nach dem Dreh erst fertig geschnitten sind. Und in der Zwischenzeit hat man wieder andere Projekte gemacht. Zum Beispiel Theater gespielt. Dann kommt einem das eher absurd vor. Aber als ich „Das jüngste Gericht“ bei der Premiere Anfang April gesehen habe, war ich erstaunt, weil ich völlig vergessen habe, dass der auf der Leinwand – dass ich das bin! Für mich war das ein anderer. Das gelingt einem Regisseur äußerst selten.
Thomas Dorn ist ein kaputter Kriminalkommissar
Moretti: Ja, und er ist unorthodox und macht seinen Job politisch unkorrekt, weil er überfordert ist. In allem. Er ist mit seinem Leben gescheitert.
Sie spielen den Dorn wie in Trance, als hätten Sie einen Mikrokosmos um sich gebaut. Wie gelingt es Ihnen, sich derart in die Figur zu versetzen?
Moretti: Ich denke, wenn die Arbeit vorher konzeptionell richtig überlegt ist, ist das Sprungbrett für den Schauspieler schon geschaffen. Dann muss ich nur noch meinen Beruf wahrnehmen. Aber was noch geholfen hat, sind die Bedingungen, die der Regisseur Urs Egger geschaffen hat. Eine hermetische Konzentration. Wir haben viel in der Nacht gearbeitet. Mit ständiger Übermüdung kommt die Aggression automatisch. Mir hat das geholfen, weil es auch über so lange Zeit ging.
„Das jüngste Gericht“ erinnert an „Seven“ mit Brad Pitt
Moretti: Als ich den zum ersten Mal gesehen habe, habe ich gedacht, da möchte ich jetzt nicht zu Fuß unterwegs sein, wenn ich eine Autopanne habe. Das muss einem Thriller gelingen. Dann gibt es auch keine Vergleiche mehr; dann hat der Film Eigendynamik.
Ein Vergleich mit Brad Pitt würde Ihnen nicht schmeicheln?
Moretti: Ach Gott!
Im Film wird Ihr Sohn bestialisch getötet. Sie sind zweifacher Vater. Denken Sie in einer solchen Szene an Ihre Kinder?
Moretti: Das ist eine Sache, die in ihrer Vorstellung so voyeuristisch krank wäre, dass ich sie mir verbiete. Das würde ich nie tun – mir etwas aus einer privaten Situation vorstellen. Es wäre unprofessionell.
Rein technische Frage: Im Film weinen Sie sehr glaubhaft
Moretti: Das Schwere ist nicht das Weinen, wie viele meinen, sondern es zu steuern.
Können Sie sich vorstellen, wie Sie reagieren würden, wenn Ihre Kinder bedroht werden?
Moretti: Das kann sich kein Mensch vorstellen, der es nicht erlebt hat. Wenn ich solche Träume habe, wache ich auf und mache sie weg. Ich lese was, gehe spazieren, verdränge. Alles andere wäre kaputt.
Gott sei Dank leben Antonia und Lenz Valentin behütet auf Ihrem Bergbauernhof
Moretti: Das ist nicht behütet. Das ist mitten im Leben.
Sie haben die letzten Monate mit Ihrer Familie in der Toskana gelebt. Welch ein Privileg!
Moretti: Privileg? Nun ja, ich habe gearbeitet. Ich habe zu tun gehabt, und wollte meine Familie dabei haben. Meine Kinder können jetzt Italienisch (lacht). Freunde von uns haben auf unseren Hof aufgepasst, und ich habe mich auf ein musikalisches und zwei Filmprojekte vorbereitet.
Sie sind bei Dreharbeiten oft von Ihrer Familie getrennt?
Moretti: Ich bemühe mich, dass das nie mehr als zwei, drei Wochen am Stück sind. Und ich versuche Hotelzimmer zu meiden, wohne lieber privat.
Ihre Frau ist erfolgreiche Oboistin. Gründerin des Kammerorchesters „Moderntimes 1800“. Gibt es eine Arbeitsteilung im Hause Moretti?
Moretti: Ja, sowieso. Bei uns funktioniert das mit großem Selbstverständnis und aus organisatorischer Notwendigkeit. Julia ist meist im Winter daheim, macht Arbeit am Hof und ich im Sommer, in der vegetativen Jahreszeit.
Derzeit wird heftig über Österreichs Schulen und das System diskutiert. Welche Schule besuchen Ihre Kinder?
Moretti: Eine öffentliche.
Warum keine Privatschule?
Moretti: Weil man die Kinder damit in einer Welt beheimatet, die sie dann draußen nicht mehr vorfinden. Wichtig ist, dass man sie vorher mit viel Wärme und Selbstbewusstsein ausstattet, damit sie „ready to fight“ sind. Denn letztlich reift man nur in der Auseinandersetzung. So geht es auch bei den Kindern. Versucht man das zu verhindern, kommt es später. Das ist wie mit der Pubertät.
Wie war das mit Ihrer?
Moretti: Ich bin jetzt im 25. Pubertätsjahr (lacht). Bei mir dauert es einfach länger.
Toskanische Auszeit
Zwei Monate ist Moretti für den Thriller in Wien vor der Kamera gestanden. Am Ende des Drehs verletzte sich der passionierte Biker bei einem Motorradunfall derart am Knie, dass er drei Monate mit Krücken gehen musste. Tempi passati. Mittlerweile sitzt der Charakter-Mime mit Hang zum Abenteuer wieder auf seiner KTM. Ein Umstand, mit dem sich Ehefrau Julia abfinden muss. Mit ihr und den Kindern Antonia (10) und Lenz Valentin (8) lebte Diplom-Landwirt Moretti – auf seinem Bergbauernhof in der Nähe von Innsbruck betreibt er Rinderzucht – monatelang in der Toskana. Viel Stoff für ein Interview mit MADONNA über kaputte Typen, Auszeit mit der Familie und ewige Pubertät.
Wie ist es eigentlich für Sie, wenn Sie sich nach anstrengenden Dreharbeiten selbst auf der Leinwand sehen?
TOBIAS MORETTI: Meistens ist das alles schon wieder weit weg, weil die Filme in der Regel ein halbes Jahr nach dem Dreh erst fertig geschnitten sind. Und in der Zwischenzeit hat man wieder andere Projekte gemacht. Zum Beispiel Theater gespielt. Dann kommt einem das eher absurd vor. Aber als ich „Das jüngste Gericht“ bei der Premiere Anfang April gesehen habe, war ich erstaunt, weil ich völlig vergessen habe, dass der auf der Leinwand – dass ich das bin! Für mich war das ein anderer. Das gelingt einem Regisseur äußerst selten.
Thomas Dorn ist ein kaputter Kriminalkommissar
Moretti: Ja, und er ist unorthodox und macht seinen Job politisch unkorrekt, weil er überfordert ist. In allem. Er ist mit seinem Leben gescheitert.
Sie spielen den Dorn wie in Trance, als hätten Sie einen Mikrokosmos um sich gebaut. Wie gelingt es Ihnen, sich derart in die Figur zu versetzen?
Moretti: Ich denke, wenn die Arbeit vorher konzeptionell richtig überlegt ist, ist das Sprungbrett für den Schauspieler schon geschaffen. Dann muss ich nur noch meinen Beruf wahrnehmen. Aber was noch geholfen hat, sind die Bedingungen, die der Regisseur Urs Egger geschaffen hat. Eine hermetische Konzentration. Wir haben viel in der Nacht gearbeitet. Mit ständiger Übermüdung kommt die Aggression automatisch. Mir hat das geholfen, weil es auch über so lange Zeit ging.
„Das jüngste Gericht“ erinnert an „Seven“ mit Brad Pitt
Moretti: Als ich den zum ersten Mal gesehen habe, habe ich gedacht, da möchte ich jetzt nicht zu Fuß unterwegs sein, wenn ich eine Autopanne habe. Das muss einem Thriller gelingen. Dann gibt es auch keine Vergleiche mehr; dann hat der Film Eigendynamik.
Ein Vergleich mit Brad Pitt würde Ihnen nicht schmeicheln?
Moretti: Ach Gott!
Im Film wird Ihr Sohn bestialisch getötet. Sie sind zweifacher Vater. Denken Sie in einer solchen Szene an Ihre Kinder?
Moretti: Das ist eine Sache, die in ihrer Vorstellung so voyeuristisch krank wäre, dass ich sie mir verbiete. Das würde ich nie tun – mir etwas aus einer privaten Situation vorstellen. Es wäre unprofessionell.
Rein technische Frage: Im Film weinen Sie sehr glaubhaft
Moretti: Das Schwere ist nicht das Weinen, wie viele meinen, sondern es zu steuern.
Können Sie sich vorstellen, wie Sie reagieren würden, wenn Ihre Kinder bedroht werden?
Moretti: Das kann sich kein Mensch vorstellen, der es nicht erlebt hat. Wenn ich solche Träume habe, wache ich auf und mache sie weg. Ich lese was, gehe spazieren, verdränge. Alles andere wäre kaputt.
Gott sei Dank leben Antonia und Lenz Valentin behütet auf Ihrem Bergbauernhof
Moretti: Das ist nicht behütet. Das ist mitten im Leben.
Sie haben die letzten Monate mit Ihrer Familie in der Toskana gelebt. Welch ein Privileg!
Moretti: Privileg? Nun ja, ich habe gearbeitet. Ich habe zu tun gehabt, und wollte meine Familie dabei haben. Meine Kinder können jetzt Italienisch (lacht). Freunde von uns haben auf unseren Hof aufgepasst, und ich habe mich auf ein musikalisches und zwei Filmprojekte vorbereitet.
Sie sind bei Dreharbeiten oft von Ihrer Familie getrennt?
Moretti: Ich bemühe mich, dass das nie mehr als zwei, drei Wochen am Stück sind. Und ich versuche Hotelzimmer zu meiden, wohne lieber privat.
Ihre Frau ist erfolgreiche Oboistin. Gründerin des Kammerorchesters „Moderntimes 1800“. Gibt es eine Arbeitsteilung im Hause Moretti?
Moretti: Ja, sowieso. Bei uns funktioniert das mit großem Selbstverständnis und aus organisatorischer Notwendigkeit. Julia ist meist im Winter daheim, macht Arbeit am Hof und ich im Sommer, in der vegetativen Jahreszeit.
Derzeit wird heftig über Österreichs Schulen und das System diskutiert. Welche Schule besuchen Ihre Kinder?
Moretti: Eine öffentliche.
Warum keine Privatschule?
Moretti: Weil man die Kinder damit in einer Welt beheimatet, die sie dann draußen nicht mehr vorfinden. Wichtig ist, dass man sie vorher mit viel Wärme und Selbstbewusstsein ausstattet, damit sie „ready to fight“ sind. Denn letztlich reift man nur in der Auseinandersetzung. So geht es auch bei den Kindern. Versucht man das zu verhindern, kommt es später. Das ist wie mit der Pubertät.
Wie war das mit Ihrer?
Moretti: Ich bin jetzt im 25. Pubertätsjahr (lacht). Bei mir dauert es einfach länger.