Das Sozialdrama "Precious" könnte der nächste "Slumdog Millionär" werden.
Die bedrückende wie inspirierende Geschichte einer fettleibigen 16-Jährigen im New Yorker Schwarzenviertel Harlem, die vom Vater geschwängert und von der Mutter geprügelt dem Elend zu entkommen versucht, kann auf Gold hoffen. "'Precious' ist einer der Top-Anwärter für den Oscar als bester Film", prophezeit der Kritiker der Zeitschrift "Rolling Stone". Schon in Cannes wurde das von Oprah Winfrey produzierte und von US-Regisseur Lee Daniels gedrehte Drama mit großem Beifall aufgenommen. Beim Filmfest in Toronto gewann es kürzlich den Publikumspreis. In der Hauptrolle debütiert die junge Schauspielerin Gabourey Sidibe. Die tyrannische Mutter wird von der Komödiantin Mo'Nique gespielt - beide haben Aussicht auf eine Oscar-Nominierung.
Rosige Aussichten bescheinigen Hollywoods Kritiker auch dem düsteren Streifen "The Road", basierend auf dem postapokalyptischen Roman von Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy über den Überlebenskampf eines Vaters und seines Sohnes, gespielt von Viggo Mortensen und Kodi Smit-McPhee. Schließlich hatte auch McCarthys brutaler Westernroman "No Country for Old Men" von den Coen-Brüdern inszeniert 2008 vier Trophäen geholt, darunter als bester Film und für die beste Regie.
Es ist wieder soweit: Schon Monate vor der Oscarverleihung steckt Hollywood im "Oscar-Buzz", es wird getuschelt und es hagelt Vorhersagen. Kritiker und Film-Insider vergeben Tipps und Vorschusslorbeeren für die vermeintlichen Favoriten, die Anfang März Gold holen könnten. Nach den Vorschriften der Oscar-Akademie müssen Filme vor dem Jahresende in US-Kinos angelaufen sein, um sich für eine Nominierung zu qualifizieren. Am 2. Februar werden die Nominierungen für den Filmpreis verkündet, die Vergabe geht dann am 7. März zum 82. Mal über die Bühne.
Sogar der neue Michael-Jackson-Film "This Is It", der den Sänger bei seinen letzten Konzert-Proben in den Monaten vor seinem Tod am 25. Juni zeigt, hat Oscar-Fans. Ebenso wie das Spezialeffekte-Spektakel "2012" des deutschen Hollywood-Regisseurs Roland Emmerich, der mit viel Geschick die Welt untergehen lässt. Dass "2012" an den Kinokassen gewinnen wird, steht außer Frage, doch der Kritiker der "New York Post" sieht ihn auch auf der Liste der Besten Filme, dank eines neuen Wachstumsschubs beim Oscar. Erstmals seit langem lässt die Film-Akademie zehn statt fünf Kandidaten in der Königskategorie "Bester Film" zu.
Der Animationsfilm "Oben" aus der Trickfilmschmiede Pixar gilt nun als Top-Ten-Kandidat, ebenso das futuristische Drama "Avatar" von James Cameron, der vor über zehn Jahren mit der Versenkung des Luxusschiffes "Titanic" 11 Trophäen einsteckte.
Clint Eastwood zieht in diesem Jahr als Regisseur mit "Invictus" ins Feld. Morgan Freeman schlüpfte für den Oscar-Preisträger in die Rolle des südafrikanischen Freiheitskämpfers Nelson Mandela. Peter Jackson, der mit "Herr der Ringe" 2004 auf einen Schlag elf Oscars holte, tritt mit dem Drama "The Lovely Bones" an. Der Film basiert auf dem Bestseller-Roman von Alice Sebold mit dem deutschen Titel "In meinem Himmel". Darin beobachtet ein 14-jähriges Mädchen (Saoirse Ronan) nach seiner Vergewaltigung und Ermordung vom Himmel aus, wie ihre Familie und die Polizei mit der Tat umgehen.
George Clooney erntete mit "Up in the Air" von Regisseur Jason Reitman ("Juno", "Thank You for Smoking") schon in Toronto begeisterten Beifall. Die Komödie, die am Ende mehr als Tragödie anmutet, zeigt Clooney als Vielflieger, der kreuz und quer über den nordamerikanischen Kontinent jettet, um Mitarbeiter zu feuern. Rob Marshall, dessen Musical "Chicago" 2002 sechs Oscar-Trophäen holte, meldet sich rechtzeitig mit dem Filmmusical "Nine" mit Stars wie Nicole Kidman, Penélope Cruz, Kate Hudson und Daniel Day-Lewis zurück.
Beim Filmfestival von Venedig wurde kürzlich der Brite Colin Firth für seine Oscar-verdächtige Rolle als schwuler Professor in dem Erstlingswerk "A Single Man" des früheren Gucci-Topdesigners Tom Ford geehrt. Auch der Österreicher Christoph Waltz kann fest mit einer Nominierung als bester Nebendarsteller für seine Rolle in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" rechnen.
Richtig eng wird es beim Rennen um den Auslands-Oscar. 65 Länder haben ihre Beiträge in der Kategorie "bester nichtenglischsprachiger Film" eingereicht. Der Film "Das weiße Band" des Österreichers Michael Haneke könnte 2010 den begehrten Preis nach Deutschland holen. Eine Goldene Palme aus Cannes hat er bereits. Der Streifen erzählt die Geschichte seltsamer Unfälle in einem norddeutschen Dorf in den Jahren 1913/14, geht den Ursachen von Terror und Gewalt auf den Grund und zeigt autoritäre Strukturen in Familien und der Dorfgemeinschaft. Österreich schickt "Ein Augenblick Freiheit" des österreichisch-iranischen Regisseurs Arash T. Riahi ins Rennen um die Short-List.