Schloss Greillenstein: Zwischen den rund 450 Jahre alten Mauern lebt offenbar mehr als man zu wissen glaubt.
Für Touristen lassen die Besitzer des Renaissanceschlosses Greillenstein im Waldviertel künstlich Gespenster auferstehen - doch wenn diese verschwunden sind, erwachen die richtigen Geister offenbar erst zum Leben: Eine weibliche Erscheinung an einem Fenster, eine graue Frauengestalt auf den Gängen und fremde Gesichter in Bildern wollen Gäste der Grafenfamilie Kuefstein schon gesehen haben.
"Die Familie sieht nichts"
"Wir haben eine Zeit
lang hier gewohnt und nichts bemerkt. Aber wie heißt es immer: Die Familie
sieht nichts", meint Gräfin Elisabeth Kuefstein. Der kleine Salon mit
dem rot-goldenen Sofa, dazupassenden Stühlen und einem ovalen Holztisch, das
Bett daneben, wirkt im Licht des Kerzenleuchters unheimlich und anziehend
zugleich. Elektrisches Licht sollte man in alten Gemäuern nicht
voraussetzen. "Am Fenster dort hinter dem Bett, hat eine Seherin
gemeint, steht ständig eine Frau, die wartend hinausschaut und summt",
erklärt die Gräfin. Anna Maria vielleicht, die hier vor langer Zeit an
gebrochenem Herzen starb.
Rundgang mit Taschenlampe
Im Lichterschein einer kleinen
Taschenlampe macht man sich zum Rundgang auf. Im dunklen Gang hinter dem
Salon, zwischen Bad und Toilette, hat sich des öfteren eine schwebende
Frauengestalt gezeigt, von der Familie "die schwarze Anna"
genannt. Einmal soll sich die Erscheinung über ein Bett gebeugt haben, in
dem ein Freund gerade geschlafen hat. "Als würde sie ihn rauszerren
wollen, hat er gemeint", so die Gräfin. "Aber sie war noch
nie ungut."
Geführte Geistertouren
Im Ahnensaal erwacht eine längst
vergangene Zeit mit den lebensgroßen Gemälden von ehemaligen Besitzern und
ihre Frauen. Die Gräfin entzündet eine Kerze, im gleichen Augenblick
springen Schatten an die Wände. Ein weibliches Abbild starrt die Besucher
besonders durchdringend an. "Wenn wir unsere geführten Geistertouren
machen, scheinen sie sich alle zu bewegen. Dann zwinkert der und der wackelt
mit dem Kopf", meint die geborene Prinzessin von Bayern und zeigt auf
die verschiedenen Ahnen.
Keiner will als Letzter gehen
Kerze ausgeblasen, Dunkelheit, zwei
schmale Durchgangszimmer. Keiner der Besucher will als Letzter gehen. Im
Arbeitszimmer von Johann Ferdinand II. macht die Gräfin Halt. "Er
soll in seinem Labor im Keller zehn Humunculi gezüchtet haben",
berichtet die fünffache Mutter. Entsprechende Schriftstücke sowie der
Geheimgang zum Labor seien noch vorhanden. Letzteren habe Franz Ferdinand
II. aber zumauern lassen, als seine künstlichen Menschen flüchten wollten.
Dunkler Raum
Dann findet sich die kleine Gruppe im ehemaligen
Gerichtssaal wieder. Nacheinander gibt der Lichtkegel der Taschenlampe einen
langen Holztisch und schwere Sessel dahinter frei. Der Raum scheint dunkler
als die vorangegangenen, man drängt sich enger zusammen. Nur drei
Todesurteile hat es hier zwischen 1634 und 1848 gegeben. Der Sage nach soll
es ungerechter Weise auch einen Gärtner von Greillenstein getroffen haben,
weil er seine Braut ertränkt haben soll. "Seither wächst das Gras
auf jener Spur, auf der der Ochsenkarren mit ihm zur Hinrichtung übers Feld
gefahren ist, höher als auf dem Rest. Das ist nicht wirklich erklärbar."
Schwarze Anna
Der Große Saal des Schlosses wirkt im Dunkel der
Nacht überraschend freundlich und einladend, der darauffolgende Türkensaal
hingegen fast erdrückend. Dann ein paar Steinstufen hinab: "Und
das ist sie, die 'schwarze Anna'. Zumindest könnte es passen",
meint Elisabeth Kuefstein und weist auf ein überlebensgroßes Gemälde mit der
Frau des zweiten Herren von Greillenstein, Anna von Kirchberg - kinnlange
schwarze Locken, dunkles Hochzeitskleid.
Blick ins Verlies
Um Mitternacht wünscht die Gräfin ihren Gästen
gute Nacht, lässt sie allein zurück. Die richtige Stunde, um sich das
Verlies anzusehen: Steinmauern, Ketten mit Verschlüssen. Überraschend
unspektakulär, keine Hilferufe von Gefangenen aus einer anderen Welt.
Mehr Infos: www.greillenstein.at