Nach seinem Abschied aus der Formel 1 erholt sich ein leicht verkühlter Helmut Marko in Graz von den Strapazen der vergangenen 21 Jahre bei Red Bull. Wobei „erholt“ relativ ist.
Der 82-jährige Steirer arbeitet quasi durch – aktuell ist Marko an neuen Hotelprojekten dran. Nebenbei blickt der studierte Jurist noch einmal auf das dramatische Saisonfinale zurück. Dabei lässt er mit einer Aussage über Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz († 2022) aufhorchen.
oe24: Herr Doktor, wobei störe ich Sie gerade?
HELMUT MARKO: Ich sitze seit sieben Uhr in meinem Büro in Graz.
oe24: Das klingt doch, als hätten Sie genug Energie für eine weitere F1-Saison (Vertrag läuft eigentlich bis Ende 2026, d. Red.) ...
MARKO: Energie ja, aber darum geht‘s hier nicht. Es geht darum dass man bei diesem Job die Begeisterung und die Leidenschaft nicht verlieren darf.
oe24: Aber Ihre Leidenschaft ist doch nicht weg, oder?
MARKO: Ich hätte das so geplant für den Fall, dass wir die WM doch noch gewinnen. Nachdem wir nicht gewonnen haben, bin ich zum Umkehrschluss gekommen, dass das eigentlich jetzt genauso gelten sollte. Irgendwann muss man wissen, wann es an der Zeit ist. Schließlich hatte ich die Verantwortung.
oe24: Nächstes Jahr werden die Karten in der F1 mit einem neuen Reglement völlig neu gemischt. Hat Ihr Abschied auch damit zu tun?
MARKO: Das spielt natürlich auch eine Rolle.
oe24: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Max Verstappen den WM-Titel genau um jene zwei Punkte verloren hat, die Norris durch das umstrittene Überholmanöver gegen Antonelli in Katar gewonnen hat?
MARKO: Nein, das hätte letztlich keine Rolle gespielt. Wenn Norris im letzten Rennen mehr Punkte benötigt hätte, hätte Piastri (wurde beim Finale in Abu Dhabi vor Norris Zweiter, d. Red.) mit ihm Platz tauschen müssen. Die Fehler sind vorher passiert.
- Nach Aus bei Red Bull: Helmut Marko hat zwei neue Mega-Projekte
- Ralf Schumacher: „Wir werden ihn vermissen“
- Marko bricht sein Schweigen nach Red-Bull-Aus
oe24: Haben Sie sich eigentlich schon persönlich von Max verabschiedet?
MARKO: Nein, weil er konnte zu dem Abendessen, das geplant war, wegen Flugproblemen nicht kommen. Aber es wird bald ein Treffen geben. Ob sich das vor Weihnachten noch ausgeht, kann ich nicht sagen.
"Max ist inzwischen erwachsen, er braucht keinen mehr ..."
oe24: Verstappen-Manager Raymond Vermeulen meinte noch am Österreich-GP-Wochenende in Spielberg sinngemäß, Max und Sie wollten die Reise bei Red Bull gemeinsam zu Ende bringen ...
MARKO: Ja, aber andere Umstände fordern andere Reaktionen. Es ist ja niemand im Bösen auseinandergegangen. Max ist inzwischen mehr als ein erwachsener Mann, er braucht keinen mehr, der ihm irgendetwas erklärt.
oe24: Trotzdem hat er Sie noch vor kurzem als „zweiten Vater“ bezeichnet ...
MARKO: Noch einmal: Max ist perfekt, der braucht keinen mehr.
oe24: Haben Sie sich inzwischen mit Oliver Mintzlaff (Red-Bull-Sportboss, d. Red.) über Ihre Ausstiegs-Modalitäten unterhalten?
MARKO: Nein, dazu hatten wir noch keine Zeit.
oe24: Mit welchem Gefühl blicken Sie in die Zukunft von Red Bull Racing?
MARKO: Das Team ist gut aufgestellt, ich bin sicher, dass die einen guten Job machen werden.
oe24: Red Bull will Ihre Position nicht nachbesetzen. Trotzdem taucht immer wieder der Name Sebastian Vettel auf. Können Sie sich vorstellen, dass er eine Rolle beim Rennstall, mit dem er viermal Weltmeister wurde, übernimmt?
MARKO: Ich glaube eher nicht. Er hat zu wenig Befürworter. Vor allem mit seiner - sagen wir - Antimobilitäts-Einstellung (Vettel deklarierte sich z. B. als Grün-Wähler, d. Red.) würde er sich schwer tun.
oe24: Vettel könnte an z. B. Bienenhotels zu Grands Prix mitbringen und damit Aufmerksamkeit für seine Projekte erzeugen.
MARKO: Aber das würde nicht die Effizienz der Fahrer steigern.
oe24: Könnte man Sie überreden, im Falle eines Falles in beratender Funktion mitzuhelfen?
MARKO: Was soll das bringen?
oe24: Zum Beispiel, wenn das Red-Bull-Motorprojekt schiefgeht und Sie mit Ihren Kontakten eine Rückkehr zu Honda möglich machen könnten ...
MARKO: Nein, nein. Auch wenn alles ein gewisses Risiko ist: Man muss den eigenen Motor zum Laufen bringen. Die Leute, die daran arbeiten, werden das schaffen.
"Sonst geht's mir wie Franz Tost, der so gescholten wurde ..."
oe24: Wie hat eigentlich Mark Mateschitz (Red-Bull-Erbe, d. Red.) auf Ihren Abschied reagiert?
MARKO: Er hat gesagt: „Schade, aber wenn es so ist, dann muss man es akzeptieren.“
oe24: Wie, glauben Sie, hätte eigentlich Dietrich Mateschitz reagiert?
MARKO: Unter Didi Mateschitz wär alles anders, das kann man nicht vergleichen.
oe24: Sie meinen, da wären Sie eventuell geblieben?
MARKO: Wenn, wenn ... Sie wissen eh ...
oe24: Im ORF-Interview meinten Sie sinngemäß, Sie würden nie wie andere Experten mit einem Mikrofon durchs Fahrerlager laufen. Können Sie sich eine Co-Kommentator-Rolle im TV vorstellen?
MARKO: Nein, das interessiert mich nicht. Sonst geht‘s mir wie Franz Tost, dem Armen, der so gescholten wurde.
"Ich hab nicht vor, vom Gas zu gehen und zu verblöden"
oe24: Wie darf man sich einen Tag im Leben von Pensionist Helmut Marko vorstellen?MARKO: Ich bin ja nicht in Pension. Ich sitz schon wieder seit sieben Uhr im Büro und arbeite. Da sind genug Projekte. Ich hab nicht vor, vom Gas zu gehen und zu verblöden.PS: Neben seinen vier Hotels in Graz plant Marko den Umbau des Palais Herberstorff in Bad Radkersburg. Außerdem hat er einen ehemaligen Gasthof am Grünen See erworben.