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4. Giro-Etappe ohne Wertung

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Das teilstück wurde nach dem Weylandt-Tod neutralisiert zurückgelegt.

In Gedenken an den am Montag an den Folgen eines Sturzes verstorbenen Belgier Wouter Weylandt ist die vierte Etappe des Giro d'Italia am Dienstag in neutralisierter Fahrt zurückgelegt worden. Nach einer Schweigeminute vor dem Start legte auf dem nicht gewerteten 216 Kilometer langen Teilstück von Quarto dei Mille nach Livorno jedes Team zehn Kilometer an der Spitze des Feldes zurück. In Livorno rollten die acht verbliebenen Fahrer des Teams Leopard-Trek mit dem Österreicher Thomas Rohregger in vorderster Front über den Zielstrich.



Unnötiger Nervenkitzel
In die Trauerstimmung, die am Dienstag am Start überall zu spüren war, mischte sich auch Kritik. Radsport-Veranstaltungen würden mit immer mehr vermeintlichem Nervenkitzel gewürzt, kritisierten Aktive und die Presse in Spanien. "In den letzten Jahren gibt es die Tendenz, für immer mehr Spektakel zu sorgen. Vor 40 Jahren sind die Profis auf normalen Straßen gefahren und nicht wie wir in den Dolomiten über Schotterpisten. Ich habe nichts gegen schwere Etappen, aber die Sicherheit der Fahrer muss gewährleistet sein", sagte der Italiener Marco Pinotti, der Träger des ersten Rosa Trikots.

Dazu äußerte sich auch die spanische Zeitung "Sport" am Dienstag: "Der Radsport ist in der Hand von Veranstaltern, die möglichst spektakuläre Rennen anbieten wollen, damit die TV-Stationen live übertragen. Schmerz, Angst und extreme Leistung verkaufen sich gut. Für die Routen werden immer steilere Anstiege und gefährlichere Abfahrten ausgesucht." Weylandt sei das Opfer "einer brutalen Streckenführung" geworden, befand "El Mundo".

Kritik an Streckenführung
Allerdings gehörte der Unfallort Passo del Bocco nicht zu den gefährlichsten Abfahrten des Giro, der wie die Tour de France und Vuelta nach immer mehr "Extras" in der Streckenführung sucht. "Gestern sind 200 Fahrer mit vollem Tempo eine schmale Straße, die noch dazu durch den harten Winter erhebliche Schäden aufwies, hinuntergefahren. Das ist einfach ein großes Risiko", sagte Pinotti.

Der Teambus der Luxemburger Mannschaft Leopard Trek stand in Genua abseits und war mit einem Zaun vor Schaulustigen abgesperrt worden. Fahrer aus allen Rennställen kondolierten der Teamleitung. "Ich fuhr die Abfahrt im vierten Wagen hinter Weylandt", schilderte Pietro Algeri, Sportlicher Leiter bei Movistar, die tragischen Vorgänge vom Vortag. "Ich sah ihn durch die Luft fliegen. Ich dachte an einen normalen Sturz, wie er in unserem Sport häufig passiert. Dann sah ich ihn im Vorbeifahren in seinem schwarzen Trikot auf dem Asphalt liegen - sein Gesicht war voller Blut. Es war furchtbar."

Schädelbruch
Der 26-jährige Weylandt hatte bei der Abfahrt vom Passo del Bocco etwa bei Tempo 75 mit dem Vorderrad eine Betonmauer touchiert, war mit dem Gesicht auf eine Mauer gestürzt und hatte sich dabei einen Schädelbruch zugezogen. Bis zum Dienstagvormittag habe es auf Weylandts Homepage 44.000 Kondolenz-Einträge gegeben, meldete "Het Laatste Nieuws".

Die Leopard-Profis wollten laut Teamsprecher Tim Vanderjeugd am Abend entscheiden, ob sie zur 5. Etappe in Piombino antreten. Der Teambesitzer Flavio Beccia habe es ihnen freigestellt. Der US-Sprinter Tyler Farrar von Garmin-Cervelo, in Gent Nachbar von Weylandt und Freund der Familie, verlässt den Giro. Zum Etappenabschluss fuhr er eingereiht in die Leopard-Profis nach fast sechs Stunden Fahrzeit Arm in Arm ins Ziel.

Erinnerungen an Tour de France 1995
Das Szenario der neutralisierten Etappe glich am Dienstag der Situation nach dem Unfalltod des italienischen Olympiasiegers Fabio Casartelli bei der Tour de France 1995. Damals ließ das Fahrerfeld am folgenden Tag dem Casartelli-Team Motorola den Vortritt.

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