Nach dem Geständnis

Kohl will "lückenlose Aussage" machen

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Das tränenreiche Doping-Geständnis von Bernhard Kohl bewegt Österreich. Dennoch drohen Millionenverluste und ein Nachspiel vor Gericht.

Der Tag nach dem Outing: Was machte Bernhard Kohl? Er verkroch sich bei seiner Freundin Tatjana in Wien. Kohl: „Sie gibt mir Kraft, ohne sie würde ich das sicher nicht durchstehen.“ Seit gestern geht es dem gestürzten Radhelden besser. Sein Manager Stefan Matschiner behauptet: „Bernhard ist erleichtert, dass er die Sache hinter sich gebracht hat. Viele aufmunternde Mails bestärken ihn zusätzlich. Toll, dass die Leute jetzt wieder hinter ihm stehen.“

Nachwehen
Aber: Ausgestanden ist die Causa für Kohl noch lange nicht. Der Radprofi hatte bei seinem Geständnis angekündigt, über alle Hintergründe auszupacken. Damit könnte er seine drohende Zweijahressperre auf ein Jahr reduzieren, würde damit aber eine Lawine lostreten. Denn: Seit 1. August 2008 gilt in Österreich ein neues Anti-Doping-Gesetz, laut dem Hintermännern Haftstrafen drohen.

Strafrechtlicher Tatbestand
Unabhängig von einem möglichen Strafverfahren muss der gelernte Rauchfangkehrer vor der Rechtskommission der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) aussagen. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, hatte Kohl bei seinem Outing bewusst auf die Nennung von Namen verzichtet.

Sport-Staatssekretär Reinhold Lopatka rät Kohl jedenfalls, wirklich die Wahrheit zu sagen. Denn: Stellt es sich heraus, dass er vor der Kommission falsche Angaben macht, könnte ihm das später bei einem möglichen Gerichtsverfahren zum Verhängnis werden. Lopatka („Unser Strafsystem ist stark genug, dass man daraus was macht“) fordert jedenfalls ein Strafverfahren gegen unbekannt und erklärt: „Kohl hat Doping gestanden. Also muss es jemanden geben, der Dopingmittel in den Verkehr gebracht hat. Das ist ein strafrechtlicher Tatbestand. Ein Zeuge ist bekannt, nämlich Bernhard Kohl.“

Millionen futsch
In der Zwischenzeit ist Kohls Berater Fröhlich in Deutschland damit beschäftigt, den „Scherbenhaufen“ aufzuräumen. Kohls 3-Millionen-Euro-Vertrag mit Silence-Lotto (Belgien) ist gekündigt. Dazu fallen lukrative PR-Aktionen weg, was Kohl eine weitere Million kostet. Hoffnungsschimmer: Gerolsteiner-Manager Holczer signalisierte, von einer Schadenersatzklage abzusehen. Fröhlich: „Für Kohl spricht, dass er begonnen hat, den entstandenen Schaden zu minimieren.“

Im ÖSTERREICH-Interview kündigt Bernhard Kohl an: "Werde alles sagen, was ich weiß"

ÖSTERREICH: Wie fühlen Sie sich nach Ihrem Outing?

Bernhard Kohl: Mir ist eine Riesenlast runtergefallen, und ich fühle mich einfach gut und befreit. Jetzt kann ich mich in der Öffentlichkeit wieder normal bewegen und so weiterleben, wie ich wirk­lich bin: Als der Berni Kohl, den die Menschen kennen. Mit einer Lüge wollte ich nicht leben.

ÖSTERREICH: Warum haben Sie dann gedopt?

Kohl: Ich bin auch nur ein Mensch. Ich war verletzt und verzweifelt. Und ich wusste, mit dem Mittel würde es einfacher – man hat mir ja versichert, dass es nicht nachweisbar ist. Es ist wie auf der Autobahn, wo du viel schneller fährst, wenn du weißt, dass kein Radar dasteht.

ÖSTERREICH: Wann haben Sie erfahren, dass CERA nachweisbar ist?

Kohl: Während der WM im September sind erste Gerüchte aufgetaucht. Dann ist es von Tag zu Tag kritischer geworden. Ich habe noch gehofft, aber ich wusste, ich habe so viele Menschen belogen, und das hat alles noch schwieriger gemacht.

ÖSTERREICH: Glauben Sie, dass sauberer Sport jemals möglich sein wird?

Kohl: Der Druck – nicht nur bei uns im Radsport – ist riesig. Da steckt ja eine Riesenmacht dahinter, alle wollen Höchstleistungen. Und so lange es Pharmakonzerne gibt, die Präparate anbieten, die man nicht nachweisen kann, wird die Versuchung immer da sein. Ich werde jedenfalls meinen Teil dazu beitragen, dass der Sport sauberer wird. Ich werde komplett auspacken. Das sagen, was ich weiß, und dabei ehrlich sein.

ÖSTERREICH: Wie geht es für Sie weiter?

Kohl: Im Moment bin ich noch ratlos. Wenn’s schön ist, werde ich mich aufs Rad setzten. Und ich hab ja die Tatjana. Sie ist mein Rückhalt – ohne sie wäre alles noch schwieriger.

ÖSTERREICH: Kann es sein, dass Sie wie ursprünglich geplant doch zur Nacht des Sports kommen?

Kohl: Ich fürchte, dass ich keine Einladung mehr bekommen werde.

Knut Okresek

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ÖSTERREICH berichtete ausführlich über den Sport-Skandal des Jahres: Der Tour-Held Bernhard Kohl war gedopt. Nach und nach packte er aus und offenbarte ein riesiges Doping-Netzwerk.