Einfach kompliziert

Voss: "Genies haben Neider"

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Zum 80. Geburtstag von Thomas Bernhard spielt Gert Voss "Einfach kompliziert". 

Gert Voss, für den Thomas Bernhard das Stück Ritter, Dene, Voss geschrieben hatte, gilt nach Bernhard Minetti als der wichtigste Bernhard-Schauspieler. Den Fast-Monolog Einfach kompliziert hatte Bernhard 1985 Minetti zum 80. Geburtstag geschenkt, der ein Jahr später auch die Uraufführung spielte. Zum 80. Geburtstag des Dichters spielt Voss ab Samstag, 19.2. im Akademietheater in einer Koproduktion mit dem Berliner Ensemble den 82-jährigen Schauspieler, der sich an sein Leben erinnert. Regie führt Claus Peymann. Der Ansturm auf Karten für Bernhard/Voss/Peymann ist gigantisch.

ÖSTERREICH: "Einfach kompliziert" ist der Fast-Monolog eines alten Schauspielers. Wie können Sie sich diesen Text merken?
Gert Voss:
Das frage ich mich selbst, ich wiederhole ihn jeden Tag. Es ist eine fantastische Rolle, vielleicht dunkler und stiller als die anderen Bernhard-Stücke. Ein alter, einsamer Schauspieler spricht mit sich selbst, er ist, wie Bernhard sagt, verrückt – wie alle guten Schauspieler. Es ist verblüffend, wie gut Bernhard über die Geheimnisse meines Berufs, das Scheitern und den Größenwahn, Bescheid wusste.

ÖSTERREICH: Zweimal in der Woche besucht ihn ein kleines Mädchen, das ihm die Milch bringt …
Voss:
Dabei mag er gar keine Milch, er schüttet sie immer in den Ausguss. Das Mädchen ist der Höhepunkt seines jetzigen Lebens. Es darf sogar seine Krone aus Shakespeares Richard III. aufsetzen, an dem er in Duisburg und Bochum gescheitert ist. Richard III. ist seine Traumrolle, die Krone hat er noch. Wie alle Bernhard-Figuren, und übrigens auch Richard III., hat dieser alte Mann eine unglaubliche Energie, er ist ein Kämpfer und Überlebenskünstler.

ÖSTERREICH: Zum 80. Geburtstag wird Thomas Bernhard sogar in Österreich gefeiert. Wie schätzen Sie seine Bedeutung ein?
Voss:
Er ist ein ganz großer Autor, der weltweit, auch in Japan oder Paris, gelesen und gespielt wird. Es ist allerdings erstaunlich, dass man in diesem Land immer noch nach seiner Bedeutung fragt. Bei Shakespeare oder Molière fragt auch ­niemand, ob das wichtige Autoren sind. Wie Shakespeare begreift Bernhard ­etwas über den Menschen, das die ganze Welt versteht. Und er wird, wie alle Genies, von mediokren Leuten mit Neid betrachtet.

ÖSTERREICH: Nach 14 Jahren arbeiten Sie erstmals wieder mit Claus Peymann. Wie waren die Proben?
Voss:
Es war eine wunderbare Arbeit, als wäre keine Zeit verstrichen. Peymann ist so frech, explosiv und verrückt wie immer. Bernhard war ja auch fasziniert von Peymann, der wie eine Bernhard-Figur anmutet: extrem, obsessiv, ein Kämpfer voll Furor und Leidenschaft.

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