Song Contest-Star

JJ: "Als Kind wurde ich heftig gemobbt"

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Vom gemobbten Schüler zum ESC-Star: Mit seiner seltenen Stimmhöhe will Johannes Pietsch alias JJ den diesjährigen Eurovision Song Contest gewinnen. Die Wettquoten stehen sehr gut – der Druck ist enorm, wie der coole Kontertenor in MADONNA verrät. 

Am Donnerstag, 15. Mai, ist es soweit: Mit seiner außergewöhnlichen Stimme will sich JJ in die Herzen des ESC-Publikums singen. Um den Einzug ins Finale (am 17. Mai) machen sich Experten keine Sorgen. „Wasted Love“ zählt laut Wettquoten sogar zu den Anwärter-Songs für den Sieg. Und so könnte Johannes Pietsch (23) tatsächlich in die Fußstapfen von Conchita Wurst treten – das dazu passende Duett der beiden gibt es bereits. 

Der Hype um JJs Stimme ist gigantisch. 

Der Hype um JJs Stimme ist gigantisch. 

© Chris Singer
× Der Hype um JJs Stimme ist gigantisch. 

JJs Countdown zum Song Contest

Das Erfolgsgeheimnis des österreichisch-philippinischen Sängers ist zweifelsohne die Höhe seiner Stimme, die in der Klassikszene bereits bekannt ist. Nachdem JJ in Dubai aufgewachsen war, kehrte seine Familie 2016 nach Österreich zurück, wo der Kontertenor die Opernschule der Wiener Staatsoper besuchte. Dort tritt JJ regelmäßig auf. Wenn er nicht gerade zu den coolen Klängen seines ESC-Songs singt. MADONNA traf den sympathischen Künstler in der Staatsoper zum Fotoshooting und Talk über den Druck, der derzeit auf ihm lastet, Mobbing in seiner Kindheit und Whitney Houston als großes Vorbild.

Die Wiener Staatsoper ist die Homebase des Song Contest-Stars. 

Die Wiener Staatsoper ist die Homebase des Song Contest-Stars. 

© Chris Singer
× Die Wiener Staatsoper ist die Homebase des Song Contest-Stars. 

"Das letzte Jahr war ein so schweres für mich..." 

Der Countdown läuft. Wie kann man sich Ihren Alltag derzeit vorstellen?
JJ: Stressig! (lacht) Es ist viel zu tun – und ich versuche auch, so viel wie möglich zu trainieren. Nicht nur gesanglich, sondern auch körperlich, damit ich fit bin auf der Bühne in Basel. Also alles hektisch, aber es macht mir viel Spaß.

Ist es für Sie immer noch unrealistisch, dass Sie Österreich beim ESC vertreten?
JJ: Ja, es ist echt verrückt. Das letzte Jahr war ein so schweres für mich – daraus entstand ja auch dieser Song. Ich fand das Lied toll, aber dass unsere Einreichung für den ESC tatsächlich gewinnt, hätte ich nie gedacht. Schließlich war das ja auch der allererste Song, den ich herausgebracht habe. Von daher ging ich völlig ohne Erwartungen in die Produktion.

Privat haben Sie aber schon Pop gesungen?
JJ: Ja! Whitney Houston, Mariah Carey, aber auch Songs der neuen Pop-Girlies liebe ich. Sie haben mich auch sehr inspiriert, was mein musikalisches Ich und meine Kreativität betrifft. In meinem Song hört man ja auch den hauchigen Stil von Mariah Carey oder die Kraft von Whitney Houston... Sie waren immer meine Vorbilder was Pop betrifft.

"Hatte das Gefühl, meine Liebe vergeudet zu haben", so Johannes Pietsch alias JJ. 

© Chris Singer
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"Wir haben unseren Frieden gemacht"

Trotzdem ist der Song ganz JJ. Was ihn ausmacht, ist die wahre Geschichte dahinter...
JJ: Ja, es geht um eine Zeit, in der ich eine gewisse Person gedatet habe, die eines Tages meine Liebe nicht mehr erwidert hat. Ich hatte plötzlich das Gefühl, vier, fünf Monate lang meine Liebe völlig vergeudet zu haben. Da habe ich mich als Person verloren. Den Song zusammen mit Teya zu schreiben, war wie ein Heilungsprozess.

Können Sie es heute so sehen, dass Sie die Liebe investiert und nicht vergeudet haben? Oder ist das immer noch so schmerzhaft?
JJ: Nein, das war eine Phase. Jetzt bin ich wieder in einem normalen Zustand. Und durch meine Teilnahme beim ESC kommt mir auch so viel Liebe entgegen, dass ich jetzt das zurückbekomme, was mir damals genommen wurde.

Wie hat denn die verflossene Liebe auf diesen enormen Erfolg reagiert?   
JJ:
Die Person hat sich sehr gefreut, dass ich eine Inspiration in der Geschichte gefunden habe und es hat ihr natürlich auch leid getan. Wir sind alle Menschen. Jeder macht Fehler. Wir haben unseren Frieden gemacht. 

JJ zwischen Klassik und Pop. 

JJ zwischen Klassik und Pop. 

© Chris Singer
× JJ zwischen Klassik und Pop. 

"Bin gewohnt, perfekt abliefern zu müssen" 

Sie sagen „die Person“. Wollen Sie nicht sagen, ob Mann oder Frau?
JJ: Nein, ich will die Person gar nicht nennen. Das tut ja auch nichts zur Sache.

Die Wettquoten sprechen sehr dafür, dass Sie Platz eins oder zwei erreichen könnten. Was machen derlei Vorhersagen und der Hype mit Ihnen?
JJ: Das baut eine große Vorfreude auf, aber auch einen enormen Druck. Ich will ja auch die vielen Menschen, die mir so viel Vertrauen entgegenbringen, nicht enttäuschen. Aber ich kann gottseidank mit Druck umgehen. Ich bin es durch die Oper gewohnt, perfekt abliefern zu müssen. Es steckt immer viel Druck dahinter, dass man nicht verkackt. (lacht) Genauso ist es eben auch beim Song Contest. Auch hier werde ich den Druck in Energie umwandeln – und alle Emotionen in den Auftritt stecken.

Sind Sie einer jener Künstler, die schlimmes Lampenfieber haben?
JJ: Zum Glück nicht mehr. Früher habe ich echt gezittert, bevor ich auf die Bühne ging, aber jetzt macht es mir so Spaß, dass ich mich nur mehr darauf freue.

In der Opernwelt sind Sie bereits eine Größe. Ihr Vater kommt aus der IT-Branche, Ihre Mutter ist Köchin – wie sind Sie auf den Berufswunsch Opernsänger gekommen?
JJ: Ich bin ja in Dubai aufgewachsen und unsere Eltern haben jede Woche eine Karaokeparty bei uns veranstaltet. Das waren meine ersten Schritte in der Popmusik, aber mein Vater hat uns auch klassische Musik nähergebracht. Nach dem Stimmbruch fragte mich mein Vater eines Tages, ob ich denn die Königin der Nacht singen könnte. Und das konnte ich. Von dem Tag an fand ich es total cool, Sopranistinnen nachzuahmen. Das war auch ein toller Partytrick. (lacht)  

JJ im MADONNA-Talk mit Daniela Schimke.

JJ im MADONNA-Talk mit Daniela Schimke.

© Chris Singer
× JJ im MADONNA-Talk mit Daniela Schimke.

"Anfangs war meine Stimme nur ein cooler Partytrick" 

Aus dem Partytrick wurde eine Kontertenor-Karriere. Als Bub in der Pubertät hat man es aber wahrscheinlich nicht einfach mit einer so weiblichen Stimme...
JJ: Ja, ich wurde teilweise heftig gemobbt. Weil ich einfach anders war als die anderen Burschen. Während die anderen Fußball gespielt haben, war ich musikinteressiert. Das haben die komisch gefunden. Aber es gab zum Glück auch Leute, die mich immer unterstützt und verteidigt haben. Mit denen bin ich auch bis heute eng befreundet.

Soll auch das Ihre Message beim Song Contest sein: dass es gut ist, anders zu sein?
JJ: Absolut! Vor allem, dass man nie aufgeben soll – egal, was die Leute sagen. Im Endeffekt bist nur du selbst es, der weiß, was dir guttut. Es muss ja auch nicht jeder an dich glauben.

Ein solches Selbstvertrauen entwickelt sich ja erst mit den Jahren. Wann und wodurch hat es sich bei Ihnen entfaltet?
JJ: Ungefähr als ich in der achten Klasse war. Weil mir da bewusst wurde, dass ich aus meiner Gabe, dieser Stimme, einen Beruf machen kann. Das hat mir mehr Selbstvertrauen gegeben. Weil es ja auch etwas ganz Besonderes ist.

Nun ist Operngesang auch sehr harte Arbeit. Wie oft müssen Sie trainieren, damit Ihre Stimme so hoch und klar bleibt?
JJ: Ich muss auf jeden Fall jeden Tag zwei, drei Stunden singen, damit die Stimmakrobatik weiterhin so flexibel bleibt. Wenn ich krank bin und etwa zwei Wochen nicht singen kann, merke ich danach, wie schwer es ist, wieder in die Höhe zu kommen.

Wie schwer war es für Sie als Jugendlicher, diese Disziplin zu halten?
JJ: Als Kind wollte ich ja Popstar werden – da nahm ich das nicht so ernst, habe Eis gegessen und überhaupt nicht aufgepasst. Und auch heute, versuche ich das zu machen, was ich möchte – ohne aufzupassen, ob das Getränk oder das Eis zu kalt ist. Denn ich denke, der Kopf spielt auch eine große Rolle. Wenn ich schon Angst habe beim Eisessen, werde ich auch tatsächlich krank. Ich finde, mein Körper muss sich daran gewöhnen, was mir gefällt – und nicht andersrum. Das klingt vielleicht komisch und ungesund (lacht), aber ich kann doch nicht komplett auf kalte Sachen verzichten. Wenn man keinen Spaß mehr hat, ist man sicher auch nicht gut auf der Bühne.  

JJ im großen MADONNA-Shooting in der Oper. 

JJ im großen MADONNA-Shooting in der Oper. 

© Chris Singer
× JJ im großen MADONNA-Shooting in der Oper. 
 

Nach "Wasted Love" bereit für eine neue Liebe 

Mussten Sie dennoch das eine oder andere an Jugend einbüßen aufgrund des Berufs?
JJ: Kindheit und Jugend nicht. Aber jetzt kann ich einfach nicht mehr so oft fortgehen mit meinen Freunden. Ich kann nicht die ganze Nacht im Club rumschreien und singen. Inzwischen weiß ich aber, eine gute Balance zwischen Vorsicht und Spaß zu schaffen.

Nun haben Sie den unmittelbaren Vergleich zwischen Pop- und Opernwelt. Welche gefällt Ihnen besser bzw. inwiefern ergänzen sich diese Welten?
JJ: Ich denke, meine Professionalität aus der Oper kann mir in der Popwelt sehr helfen. Umgekehrt kann mich die Lockerheit aus der Popwelt auch in der Oper begleiten. Ein bisschen lustig und goschert sein, gehört überall dazu, finde ich. Egal, wo – Kunst soll ja etwas Schönes und nicht schrecklich Ernstes sein.

Was macht Ihnen so richtig Spaß im Leben?
JJ: Spieleabende mit meiner Familie und Freunden. Da geben alle ihre Handys weg und lachen und reden miteinander.

Kommt die gesamte Familie mit nach Basel?
JJ: Ja, wir sind zu acht – auch mein Opa fährt mit. Und meine kleine, eineinhalb Monate alte Nichte.

Egal, wie es ausgeht: Denken Sie schon darüber nach, was Sie nach dem ESC machen?
JJ: Ja, wir werden gleich nach danach neue Songs herausbringen, um den Leuten weiterhin meine Kunst darzubieten.

Sind Sie nach Ihrer „Wasted Love“ wieder bereit für die Liebe, eine feste Beziehung?

JJ: (grinst) Eventuell, aber ich will nichts verschreien. (lacht)

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